Salongalerie "Die Möwe"
Lob der kleinen Ausstellungen
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
22.11.2019

Der Markt bevorzugt die Großen und verdrängt die Kleinen. Das gilt auch für den Kunstmarkt. Je größer, prominenter und lauter – umso erfolgreicher, so lautet die wenig originelle, aber Erfolg verheißende Parole. Dass das künstlerisch Gute, Originelle, Interessante, Anrührende einer anderen Logik folgt, ist zwar eigentlich bekannt, aber eben kunstökonomisch irrelevant.

In Berlin bekommt diese Spannung zwischen dem Großen und dem Kleinen noch eine eigene Wendung. Die nach außen hin groß wirkenden Museen haben kein Budget für bedeutende Ausstellungen. Denn die öffentlichen Gelder werden in Neubauten gepumpt. So ergibt sich das paradoxe Bild, dass die großen Häuser nur kleine Ausstellungen hinbekommen, was zumeist ziemlich enttäuschend ist.

Da sollte man lieber gleich in kleine Kunstschauen gehen. Mein Büro befindet sich zum Glück in der Auguststraße. Sie ist immer noch eine der wichtigsten Galerien-Straßen von Berlin. Doch das ändert sich. Denn auch hier steigen die Mieten, werden alte Häuser „aufgepimpt“ und anschließend „vereigentumwohnungunisiert“ (dafür gibt es bestimmt einen schicken englischen Ausdruck). Doch immer noch gibt es in meiner Straße Galerien, die feine Ausstellungen zusammenstellen. Zum Beispiel die Salongalerie „Die Möwe“ mit der Hausnummer 50b.

Jetzt ist dort „Das weibliche Statement. Künstlerinnen im 20. Jahrhundert“ zu sehen. Diese Ausstellung feiert einen besonderen Jahrestag: Vor einhundert Jahren wurden deutsche Kunstschulen für Frauen geöffnet. Die Weimarer Verfassung machte es möglich. Gezeigt werden bedeutende Künstlerinnen der klassischen Moderne in Deutschland mit sehr fein ausgewählten Exponaten. Dies folgt einem schönen Trend: Die lang verdrängten und vergessenen Frauen der Kunstgeschichte werden endlich wiederentdeckt. Das hat nichts mit political correctness und alles mit historischer Fairness und ästhetischem Qualitätsbewusstsein zu tun. Einige dieser Künstlerinnen wie Lotte Laserstein sind inzwischen sehr bekannt. Andere wie Iris Hahs-Hoffstetter, Marg Moll, Dorothea Behrens, Erna Schmidt-Caroll, Renée Sintenis, Bettina Encke von Arnim, Ilse Fehling, Inge Flierl, Maria Heckert-Fechner, Else Hertzer, Jeanne Mammen oder Louise Stomps werden es bald bestimmt sein.

Mit einer Künstlerin verbindet mich seit langem eine eigene Geschichte. Johanna Schütz-Wolff war eine der allerersten deutschen Kunststudentinnen und hat ein wunderbares Werk vor allem aus Teppichen und Grafiken geschaffen. Sie war aber auch die Ehefrau des Vorvorvorvorgängers in meiner letzten Kirchengemeinde. Paul Schütz war in den 40er Jahren Hauptpastor an der Hamburger Hauptkirche St. Nikolai. Zu seiner Zeit war er bekannt als ein gedankenreicher Prediger und grüblerischer Autor, der einige fasziniert und andere befremdet hat. Heute ist er vergessen, seine Bücher werden eher nicht wiederentdeckt werden. Doch dem Werk seiner Frau öffnet sich eine neue Zukunft. In ihren Werken zeigt sich ein Aufbruch ins Moderne – aber ohne den Triumphalismus, das Rebellenhafte, Breitbeinige und Rücksichtslose, das zum Gestus nicht weniger klassisch-moderner Kunstmänner gehörte. Die Bilder von Johanna Schütz-Wolff haben das Auftrumpfen nicht nötig, sondern können den eigenen, freien Linien, Farben, Erfindungen und Gestaltungen vertrauen. Sie haben dabei etwas Stilles, Inniges und Meditatives, das ins Religiöse weist, ohne zur „Kirchenkunst“ zu werden. Sie war eben sehr viel mehr als nur die Ehefrau ihres Ehemannes, sondern einfach eine bedeutende Künstlerin, deren Bilder noch heute eine eigentümliche, leise Freude schenken.

Die Ausstellung ist bis zum 22. Februar zu sehen und unbedingt zu empfehlen.

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