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Sich selbst beschenken
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
19.01.2019

Die Buchhändlerin meines Vertrauens erzählte mir von einer Kundin, die regelmäßig kommt, ein Buch kauft, es sich schön als Geschenk verpacken lässt und dann irgendwann selbst schenkt. Sie tut es zu Hause in eine Schublade, und immer wenn sie etwas Lästiges erledigt hat, wie Fensterputzen oder Steuererklärung, geht sie an die Schublade und holt sich etwas heraus, packt es aus und ist freudig überrascht, denn oft hat sie schon vergessen, was sie sich da so gekauft hat. Dies ist eine weise Frau.

Vor kurzem habe ich es ähnlich gehalten und mir selbst ein Buch geschenkt. Ich war großzügig. Denn es kostet immerhin 39 Euro. Aber es ist eben auch ein umfangreiches, wunderschön gestaltetes graphic novel. Niemand wäre darauf gekommen, es mir zu schenken. In keiner Zeitung wurde eine Kaufempfehlung ausgesprochen. Ich musste das Entscheidende schon selbst tun. Aber ich habe mir ein Geschenk für’s Leben gemacht.

Cyril Pedrosa heißt der Autor und Zeichner. „Jäger und Sammler“ heißt das Buch. Sein Inhalt lässt sich schwer zusammenfassen. Es geht um eine Baustelle in der französischen Provinz – gegen das Bauprojekt gibt es Proteste – Menschen verbinden und trennen sich – ein alter Mann stirbt – ein Zyniker trifft seinen jüngeren Bruder, einen Priester – eine mittelalte Arbeitslose beginnt Fotos zu machen – die Jahreszeiten kommen und gehen – tief unter allen, in einer Höhle unter der Baustelle werden Wandzeichnungen aus der Steinzeit gefunden. Schwebende Texte verbinden und trennen die Episoden. Die Farben wechseln, die Striche besitzen sehr unterschiedliche Schwünge. Man sitzt da, liest und schaut und steht doch mitten in Frankreich, fasziniert und ohne Orientierung, am Leben der Menschen dort nimmt man teil und bleibt außen vor – 330 unvergleichliche Seiten lang. Ich hatte Anlass, mich sehr bei mir selbst zu bedanken.

P.S. und Themenwechsel: Hamburg feiert gerade seinen großen Orgelbauer Arp Schnitger und sich selbst als Orgelstadt mit Konzerten, Führungen, Ausstellungen, Tagungen usw. usw. Es lohnt sich, da mal reinzuschauen. Unglaublich, was man aus und mit einer Orgel alles machen kann.

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