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Ganz ehrlich: Den besten Text über die Bibel hat Franz Fühmann geschrieben!
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
24.03.2018

In meinem bisherigen Leben habe ich mich nicht gerade wenig mit der Bibel beschäftigt. Aber in den letzten Jahren hat mich das meiste, was ich über sie gelesen habe, unbefriedigt gelassen. Vor kurzem jedoch hat mich der Dichter Uwe Kolbe auf einen mir ganz unbekannten, vergessen-verwunschenen Aufsatz des ostdeutschen Schriftstellers Franz Fühmann hingewiesen: „Meine Bibel; Erfahrungen“, 1983 an versteckter Stelle in der späten DDR veröffentlicht. Was dieser fromm-sozialistische, nachdenklich-volksnahe Autor über die Bibel zu sagen hat, hat mich begeistert.

Fühmann erzählt seine Lebensgeschichte mit der Bibel. Wie er anfangs als Kind in seiner damals noch ganz katholischen Heimat die Heilige Schrift durch die Belehrungen des Pfarrers und der Mutter sowie die Bilder von Schnorr von Carolsfeld kennenlernte. Wie er dann deren doktrinär-erbaulich-kitschige Einhegungen der Bibel überwand und erfuhr, was für ein ungeheuerliches Buch sie in Wahrheit ist: „Ich begann die Geschichten der Bibel zu lesen: Ein Riß; und der Abgrund Mensch klaffte auf.“ Er taucht in die Erzählungen ein und entdeckte die Bibel als ein radikal ehrliches Buch über den Menschen in all seinen Widersprüchen: „Ihre Sätze waren Prankenhiebe, ihre Schläge rissen mein Frommsein auf, und in die Wunden das Salz der Fragen.“ Dabei geht ihm auch das politisch-überpolitische Revolutionäre der Bibel auf: „Es ist ein Buch der Subversion, des Unerhörten, des Unerlaubten, des Umkehrens von Oben und Unten und des Zerschlagens der alten Tafeln, ein zersetzendes Buch, der Parteinahme für alle Mindren, das den Herrenmenschen ins Gesicht spie, ein Buch des Aufwiegelns und Unruhestiftens, dass alles das in Frage stellte, das sich in fraglos sicherer Gegründetheit wähnte – vor allem die eigene Existenz.“ Ich habe lange nichts gelesen, was mich so neugierig darauf gemacht hat, meine scheinbar altvertraute Bibel ganz neu zu lesen.

P.S.: Da Fühmanns Aufsatz schwer erhältlich ist, schicke ich allen, die sich bei mir höflich melden und etwas Geduld aufbringen, gern eine pdf-Kopie. Schreiben Sie einfach an: kultur@ekd.de.

P.P.S.: Ein anderes Mal weise ich die geneigte Leserschaft auf einen fulminanten Aufsatz des Rockmusikers Nick Cave über das Markusevangelium hin.

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