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Wie ich einmal fast ein Filmstar geworden wäre
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
26.02.2018

Die Berlinale ist zu Ende gegangen. Ob mir die zum Teil erstaunliche Preisverteilung noch lange zu denken gibt? Viel stärker muss ich jetzt noch an die Eröffnung vor einer Woche zurückdenken. Eigentlich wollte ich am ersten Abend im Friedrichsstadtpalast nur den neuen Film „Isle of Dogs“ von Wes Andersen ansehen. Doch wurde vorher die Eröffnungszeremonie aus dem Berlinale-Palast übertragen. Wie ich da auf der Leinwand all die berühmten Menschen mit den kostbaren Gewändern in der glanzvolleren Örtlichkeit sah, durchzuckte es mich kurz: Wie wäre es, wenn ich jetzt dort in der ersten Reihe säße?

Fast wäre ich ja selbst ein Star geworden. Es hat gar nicht viel gefehlt. Vor Jahren nämlich hatte ich einen Auftritt in einem wirklich guten Kinofilm – eine richtige Sprechrolle. „23“, die Geschichte des ersten deutschen Hackers (gespielt von August Diehl) beginnt mit einer Beerdigung – also mit mir. Im Talar stand ich in einer Friedhofskapelle, vor mir die Schauspieler und Statisten, und ich sprach die gottesdienstliche Begrüßung. Wieder und wieder tat ich das, bis der Regisseur Hans-Christian Schmid endlich zufrieden war. Zwischendurch raunte ein Statist meiner Frau zu, die es sich nicht hatte nehmen lassen mitzukommen und die neben ihm saß: „Das ist gut. Das sollte er professionell machen.“ „Macht er schon“, flüsterte meine Frau zurück. Damit war meine Szene beendet, mit der die gesamte Geschichte ihren Anfang nahm.

Aus einem mir nicht verständlichen Grund habe ich danach keine weiteren Aufträge bekommen. Ich habe gewartet – die Türen und Fenster offen, das Telefon in meiner Hand, der PC angeschaltet und online. Keiner hat sich gemeldet. So bin ich Pastor geblieben.

Daran habe ich mich erinnert, als ich auf der Leinwand im Friedrichsstadtpalast irgendwann auch Hans-Christian Schmid mitten in der festlichen Schar sitzen sah. Doch während ich der Zeremonie aus der Ferne folgte, verebbte mein Neid recht schnell. Es war eine traurige Angelegenheit. Zwar wirkte einiges von der Moderatorin ganz lustig, auch gab es allerlei berühmte Filmmenschen anzusehen. Aber keiner, der zu Wort kam, brachte zum Ausdruck, dass der Film uns heute noch unbedingt etwas angeht. Es gab Witze und Witzchen, Geplauder und Geplänkel, die üblichen Grußworte. Aber dafür, worum es in diesem Festival doch eigentlich gehen sollte – den Film –, fand keiner auch nur ein einziges treffendes Wort. Am allerwenigsten übrigens der Intendant.

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