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Bilder vs. Worte
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
05.03.2019

Mein Berliner Büro ist heute geschlossen geblieben, denn in der Hauptstadt wurde der Internationale Frauentag begangen. Das hat mir die Chance gegeben, in Ruhe über eine  Paradoxie nachzudenken.

Ein beliebtes Aufreger-Thema ist die geschlechtergerechte Sprache. Viele fordern ein Ende der sprachlichen Diskriminierung von Frauen. Andere empören sich über immer neue Sprech-Vorschriften. Die Sprache, so scheint mir, ist ein Lebewesen, das sich gemeinsam mit der Wirklichkeit verändert, die sie auszudrücken versucht. Da die gesellschaftliche Wirklichkeit der Geschlechter sich erheblich verwandelt, ist auch sprachlich vieles in Bewegung geraten. Das ist kein Grund zur Empörung, sondern ein Anlass zur Freude und Neugierde. Man kann diese Entwicklung befördern, aber zu starr sollte man dabei nicht vorgehen. Es könnte ja sein, dass zum Beispiel der Gender-Stern nur ein Provisorium bleibt und bald durch etwas anderes und Besseres ersetzt wird.

Mich beschäftigt aber etwas anderes, nämlich dieser Widerspruch: Einerseits wird versucht, in der Sprache die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu überwinden, andererseits ist zu beobachten, wie in den Bilderwelten der Konsum- und Köperkultur diese Unterschiede deutlich massiver herausgestellt werden. Bei der Selbstdarstellung von Prominenten und deren Fans auf Instragram zum Beispiel werden weibliche und männliche Klischees ziemlich krass ins Bild gesetzt. Auch hat die Konsumwirtschaft ein großes Interesse daran, ihre Produkte jeweils an Frauen und Männer, Mädchen und Jungs getrennt zu verkaufen. Bei Kosmetikartikeln kann sie dann nämlich die „pink tax“ erheben, das heißt einen höheren Preis bei Frauenartikeln fordern. (Früher gab es ja noch Deos für die ganze Familie!) Auch lässt sich nicht übersehen, dass viele männliche Teenager sich aus Gründen der Geschlechteroptik mächtige Muskeln antrainieren.

Wie ist diese Paradoxie zu deuten: Im Wort gehen die Geschlechterunterschiede zurück, im Bild nehmen sie zu? Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Oder steht beides ohne Verbindung zueinander, weil es sich jeweils in unterschiedlichen Lebenswelten erreignet? Und was ist am Ende mächtiger: das Wort oder das Bild?

P.S.: Die Fassadenmalerei oben findet man in Berlin, in der Schönhauser Allee.

P.P.S.: Eine Ausstellung, die heute im Düssledorfer Kunstpalas eröffnet wurde, aber nicht nur am Frauentag sehenswert ist, ist die Präsentation faszinierend-verstörender Bilder von Kriegsfotografinnen.

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