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Wer sind denn nun die Mörder?
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
21.08.2019

Das obige Bild zeigt ein Haus, an dem ich stets auf meinem Weg ins Büro vorbeikomme. Es ist eines der letzten seiner Art. Ach, die alte, schäbige Hausbesetzer-Herrlichkeit – dahin, dahin. „Unwiederbringlich!“, hätte Theodor Fontane gesagt. Stück für Stück werden diese Manifestationen des Berliner Widerstandsgeistes geräumt, verkauft, abgerissen oder luxussaniert. Doch dieses steht noch da, mitten in der Stadt.

Interessant nur ist, wie der Verfall der Fassade eine der alten Parolen verwandelt hat. Vor vielen Jahren hatten die Bewohner dieses Hauses den berühmten Tucholsky-Spruch „Soldaten sind Mörder“ auf eine Außenwand gepinselt. Nun hat der Zahn der Zeit die ersten drei Buchstaben abgenagt – und ich lese auf meinem morgendlichen Arbeitsweg: „Daten sind Mörder“.

Das kann man wohl als zeitgemäße Verwandlung eines Klassikers bezeichnen.

Übrigens, liebe Tucholsky-Fans, wenn Sie erfahren wollen, wie präzise und engagiert einige Soldaten heute für die Demokratie streiten, gebe ich Ihnen zwei Lektüre-Hinweise:

1. Klaus Wittmann hat in einem vielbeachteten „Offenen Brief“ an einen Kameraden, der sich für die AfD um ein staatliches Amt bewirbt, gezeigt, wie man „mit Rechten reden“ kann: offen, präzise, mutig und bei aller Schärfe doch gesprächsbereit.

2. In einem Blog der „Gesellschaft für Sicherheitspolitik“ hat Kersten Lahl ein verteidigungspolitisches Papier der AfD auseinandergenommen. Dabei zeigt er, was Sprachkritik zu leisten vermag. Er nimmt sich nämlich besonders eine Formulierung aus diesem Papier vor, nach der es darum gehen müsse, die „Befähigung und Motivation jedes einzelnen Soldaten zum unerbittlichen Kampf im Gefecht“ zu befördern. Lahl legt dar, in welche antihumanen Abgründe solche "unerbittlichen" Sprüche weisen und wie sehr sie den soldatischen Tugenden einer demokratischen Bundeswehr widersprechen

P.S.: Gemeinsam mit meinem Kollegen Klaus-Martin Bresgott habe ich für die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ein Fontane-Buch veröffentlich: Wir haben auf seinen Spuren zwölf Orte und Kirchen besucht und geschaut, welche Geschichten uns dort erwarten. Die „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ haben freundlich darüber berichtet.

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