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Ich bin es einfach Leid
Medizinische Daten sind oft nicht da, wenn sie gebraucht werden und reisen auch 2022 mitunter noch mit dem Zug oder werden am Kiosk gefaxt. Eine elektronische Patientenakte könnte hier helfen, doch kaum jemand in Deutschland beantragt sie.
25.10.2022

Für eine Zweitmeinung in einer anderen Klinik brauchte ich die Aufnahmen meiner letzten CT-Untersuchung. Ich ging zur heimischen Radiologie und wartete. Mit dem Zug fuhr die CD dann mit mir nach Berlin. Dort wurde ich bei der Anmeldung gebeten, im Keller der Klinik die CD einlesen zu lassen. „Das dauert aber“, hörte ich sofort von der dortigen Mitarbeiterin und sie hatte leider Recht. Bei meinem Gespräch eine Stunde später konnte der Arzt die Bilder immer noch nicht auf seinem Computer aufrufen.

Zur Not dann eben gefaxt

Ein anderes Beispiel. Für einen Arzttermin brauchte ich den Operationsbericht. Die operierende Klinik schickte ihn mir per Post, digital dürfe sie ihn nicht versenden. Ich scannte den Bericht ein und sandte ihn an die Praxis. Postwendend erfuhr ich per Mail, dass aus Datenschutzgründen mein Anhang nicht geöffnet werden dürfe. Zum Glück hatte mein Kiosk in der Nähe noch ein altes Fax-Gerät.

Sicher, medizinische Daten sind hochsensibel und ich möchte auch nicht, dass die Arbeitgeber meiner Kinder wissen, welche Krankheiten in der Familie sind.

Aber viele meiner medizinischen Daten sind doch auch jetzt schon im Netz und werden sinnvollerweise zwischen Laboren, Arztcomputern und radiologischen Praxen verschickt. Warum soll es automatisch gefährlicher sein, wenn ich als Patientin passwortgeschützt wie beim Online-Banking auch Zugriff auf meine Daten habe? Sind denn meine Daten auf den unterschiedlichen PCs der Kliniken und Arztpraxen tatsächlich besser vor krimineller Energie geschützt als auf einem zentralen Speicher, wie das die elektronische Patientenakte vorsieht?

Sicher bin ich hingegen, dass zumindest meine papiergestützten Unterlagen in Arztzimmern, auf Fluren von Krankenhäusern, in Sekretariaten nicht wie in einem Hochsicherheitstrakt verwahrt werden.    

Sicher bin ich mir auch, dass ich große Vorteile von einer elektronischen Patientenakte hätte. Es wäre einfach leichter, wenn ich nicht regelmäßig mit viel Zeit, Mühe und Sorgfalt meine Unterlagen neu sortieren müsste, nur um dann im Gespräch die plötzlich wichtigen Blutwerte von vor zwei Jahren doch nicht dabei zu haben.

Manche Medikamente beißen sich

Ich würde mich auch einfach sicherer fühlen, wenn eine Ärztin in einer Notfallsituation meine gesamte Medikation auf einen Blick sehen könnte, weil sich laienhaft gesagt manche Medikamente beißen. Nicht zufällig war es ein Medikamentenskandal, der vor über 20 Jahren die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt dazu brachte, die elektronische Patientenakte anzuschieben.

Gerade mal zwei Jahrzehnte später ist es jetzt doch tatsächlich so weit. Seit dem 1. Januar 2021 können laut Bundesministerium für Gesundheit alle gesetzlich Versicherten eine elektronische Patientenakte ihrer Krankenkassen erhalten, seit dem 1. Januar 2022 auch alle Privatversicherten.

Nur, mir persönlich gelingt das leider nicht. Mag sein, dass ich als Pfarrerin ein extremer Sonderfall bin und die Beihilfe und der Pfarrverein sich besonders schwertun. Beide gaben mir schriftlich Bescheid, dass sie leider keine elektronische Patientenakte ausstellen können.

Offensichtlich ist die elektronische Patientenakte in Deutschland keine Erfolgsgeschichte, im ersten Jahr nach der Einführung haben sie gerade einmal 430 000 Versicherte beantragt.

Warum ist das so? Wo hängt es? Was kann ich tun?  

 

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Liebe Karin
Du hast uns mit dem Blog so die Augen geöffnet - das Thema ist so wichtig und würde uns nicht nur persönlich im Krankheitsfall so viel weiterbringen, sondern auch unsere rückständige Verwaltungsstruktur. Wir müssen natürlich immer den Datenschutz beachten, aber dieses Thema ist gut lösbar und wird als Totschlagargument leider oftmals nur vorgeschoben.

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