Einzelzimmer im Krankenhaus für schwer kranke Menschen kein Luxus

Privatsphäre nur für Gesunde?
Blick auf ein Paar Füße, die aus dem Krankenhausbett hervorgucken

Miss X/photocase.de

Krankenbett

Auf Konferenzen und Tagungen ist ein Einzelzimmer normal, im Krankenhaus gilt es immer noch als extravaganter Luxus selbst für schwer Erkrankte. Ich finde das unangemessen und ignorant.

Einzelzimmer sind heute in fast allen Tagungshäusern selbstverständlicher Standard. Die Frage, wer mit wem ein Zimmer teilen mag, war in meinem beruflichen Leben ab einem bestimmten Alter einfach vorbei.

Anders scheint es zu sein, wenn man krank ist. Der Wunsch nach einem Einzelzimmer im Krankenhaus gilt bis heute als extravagant. „Wenn ich kein Einzelbett habe, kann ich ihr auch keines geben“, erinnere ich mich an das Schimpfen einer Pflegerin auf Station. Sie beschwerte sich bei mir als Klinikseelsorgerin über die unzufriedene Patientin. Statt Mitgefühl hörte ich den unausgesprochenen Vorwurf heraus: „Selbst schuld, wenn man etwas Besseres sein will“.

Bei meinem ersten Krankenhausaufenthalt wollte ich auch eine bescheidene Kranke sein. Meine Bettnachbarin war gerade mal einen Nachttisch und einen Infusionsständer von mir entfernt, gefühlt konnte ich den Atem spüren. Sie freute sich mich zu sehen, wir kannten uns aus meinen Gottesdiensten. Aber ich fand die große Nähe zu dieser freundlichen Frau in dieser Situation einfach unerträglich.     

Ich habe Verständnis mit mir

Seitdem bin ich bekennende Luxuskranke und wünsche mit Vehemenz ein Einzelzimmer. Es ist mir egal, ob irgendwer glaubt, ich wolle etwas Besonderes sein. Und wenn es teuer ist, werde ich meine letzten Groschen dafür aufbieten.

Und ich habe Verständnis mit mir. Wenn mir übel ist, möchte ich nicht mit fremden unangenehmen Gerüchen zu kämpfen haben. Ich bin schamhaft, wenn es um meine Verdauung geht. Bei unbekannten Schnarchgeräuschen kann ich nicht schlafen. Krank möchte ich auch tagsüber ausruhen können und nicht hören, wie die gesamte Familie der Mitpatientin nacheinander erfährt, wie furchtbar die Schmerzen sind oder waren.

„27 Menschen sind bei meiner Nachbarin am Wochenende zu Besuch gewesen“, flüsterte mir als Seelsorgerin eine schwerkranke Frau zu. Es war ihr peinlich sich zu beschweren, sie wollte nicht nörgelig sein.

Kennt meine Nachbarin die Schweigeverpflichtung?

Auch wenn eine solche Zumutung eher selten ist, im Schlafanzug im Bett möchte ich am liebsten überhaupt keine Familien- und Krankheitsgeschichten anderer Menschen hören. Und erst recht möchte ich nicht, dass andere Patientinnen ohne jeden Datenschutz meine Krankheitsgeschichte hören. Ob meine Nachbarin die Schweigeverpflichtung kennt, ist alles andere als sicher, zumindest wird hier gewöhnlich nichts überprüft und eingefordert.

Ich weiß, dass im Film und in der Realität in Krankenzimmern schon wunderbare Freundschaften entstanden sind. Als Seelsorgerin habe ich erlebt, wie schön es sein kann, wenn eine etwas beweglichere Patientin einer anderen hilft, wenn Patienten sich gegenseitig trösten und aufbauen. Ich kann gut verstehen, wenn Menschen froh sind, nicht den ganzen Tag allein in der fremden Umgebung des Krankenhauses zu sein und lieber reden möchten.

Keine Ruhe und Privatsphäre macht mich noch kränker

Aber ich möchte das nicht. Ich möchte ein Zimmer für mich allein, wenn ich krank und elend bin. Und ich wünsche mir daher, dass Krankenhäuser mehr Einzelzimmer bereitstellen. Das kostet Geld, keine Frage. Aber ich bin überzeugt davon, dass die Krankenzimmer nicht den entscheidenden Kostenfaktor im Gesundheitswesen darstellen. Und es ist eine lohnende Investition in die Gesundheit.

Denn es macht mich einfach noch kränker, als ich eh schon bin, wenn ich  gezwungenermaßen im Krankenhaus ohne jegliche Ruhe und Privatsphäre auskommen soll.   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Lesermeinungen

Ich kann dem obigen Beitrag in nahezu allen Punkten aus eigener Betroffenheit zustimmen (gerade wieder erlebt...) und möchte 2 weitere Punkte, wegen denen ich ein Einzelzimmer benötigen würde, anfügen:
1. Duftstoff-Allergie
Ich reagiere auf Duftstoffe (Parfums) anderer Menschen mit Trockenheit der Schleimhäute, Kopfschmerzen, enormem Unwohlsein, etc. Es genügen Spuren eines Duftstoffes in der Luft im Zimmer, um das auszulösen.
Bei JEDEM Krankenhausaufenthalt der letzten ca. 15 Jahre hatte ich das Problem: Teils war es die Nachtschwester, die wegen der Bettnachbarin x-mal ins Zimmer kam, die ein Parfum verwendete, teils war es die Bettnachbarin selbst, teils war es der Besuch der Bettnachbarin, etc.
Dem Problem war meist nur mit einer verfrühten Entlassung abzuhelfen oder wegen des Einzelzimmermangels ganz selten durch ein Einzelzimmer.

2. Zu trockene Luft bei angestellter Heizung und geschlossenen Fenstern
Selbst bin ich es zu Hause gewohnt, bei gekipptem Fenster und ohne Heizung zu schlafen, weil nur so die Luft nicht zu trocken wird. Zu trockene Luft führt bei mir zu so trockenen Schleimhäuten, dass ich Nasenbluten bekommen kann. Im letzten KH passierte dies bereits beim 6-stündigen Aufenthalt in der Notaufnahme.
Wenn ich also selbst die Heizung und das Fenster bedienen darf, ist es vermeidbar, dass ich zu trockene Schleimhäute und als Folge davon Nasenbluten bekomme.

Doch:
Ich wohne in Baden-Württemberg.
In Baden-Württemberg ist die Zahl der Krankenhausbetten mit 488/100.000 Einwohnern weit unter der Zahl des Bundesdurchschnitts von 586,6/100.000 Einwohner (Zahlen aus 2020).
Baden-Württemberg hat mit Abstand die wenigsten Krankenhausbetten (!).
Baden-Württembergs Krankenhäuser haben offenbar keine Einzelzimmer. Selbst ganz neu errichtete Kliniken wie die Heidelberger Chirurgie bieten keine Einzelzimmer an (zumindest war das eine Auskunft, die ich nach Nachfrage erhielt).
Vermutlich sind die fehlenden Einzelzimmer die Folge dieses -zu- starken Reduzierens der Krankenhausbetten in Ba-Wü.

Hier eine Darstellung der Krankenhausbetten der Bundesländer:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/39403/umfrage/krankenhaus...

Ich frage mich, ob ich als frühere Landesbeamtin in Ba-Wü nicht im Alter von 60+ nach Thüringen, dem Flächenbundesland mit den meisten KH-Betten umziehen muss?
Anmerkung:
Ich bin chronisch krank und werde wohl noch oft in ein KH müssen. Das sind schlechte Aussichten für mich.

Über diese Kolumne

Als Klinikseelsorgerin und Krebspatientin kannte Pfarrerin Karin Lackus den medizinischen Alltag unterschiedlichen Perspektiven und hat darüber gebloggt. Ende April 2023 ist Karin Lackus gestorben. Der Blog bleibt online, und in Absprache mit den Angehörigen haben wir im Blog noch einige Texte veröffentlicht, die Karin Lackus vor ihrem Tod verfasst hat.

Karin Lackus
Als Klinikseelsorgerin besuchte Karin Lackus täglich schwerkranke Menschen. Eine eigene Krebsdiagnose beendete von heute auf morgen diese Berufstätigkeit. Darüber schrieb sie in ihrem Blog auf chrismon.de Ende April ist Karin Lackus gestorben. Ein großer Verlust für uns und unsere Leser*innen. Der Blog bleibt online, und in Absprache mit den Angehörigen haben wir an dieser Stelle noch einige Texte veröffentlicht,die Karin Lackus vor ihrem Tod verfasst hat.

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Zwei Redaktionen, ein Blog: Dominique Bielmeier arbeitet bei der Sächsischen Zeitung in Dresden. Anne Buhrfeind und Dorothea Heintze bei chrismon in Frankfurt. Nun bloggen sie: Über ihren Redaktions-Austausch, ihr Leben als Ossi im Westen, ihr Leben als Wessi im Osten. Und ihren Alltag, hier wie dort.

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Claudius Grigat
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Schön bunt ist das Familienleben, manchmal auch zu bunt. Geschichten aus dem turbulenten Alltag von Claudius Grigat