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Die ewige Suche nach der schnellen Erlösung
CO2 aus der Luft saugen und weg damit? Ja. Das kann helfen. Irgendwann. Aber nicht jetzt!
Tim Wegner
29.05.2023

Neulich ist es mir wieder passiert. Auf der Titelseite von "DER SPIEGEL" war ein Text angekündigt. „Klimakiller CO2: Einfach unter die Erde damit?“. Die sieben Worte, garniert mit Fragezeichen, machten mir kurz etwas vor: Es gibt sie, die schnelle Erlösung. Nach dem Motto: Ja, wir scheiden viel zu viele Treibhausgase aus und gefährden unsere Lebensbedingungen (und erst recht die unserer Kinder und Enkel). Aber bestimmt gibt es bald eine technische Lösung – und alles wird gut. Aber wie das so ist mit der Erlösung: So leicht ist sie nicht zu haben.

Es gibt natürlich auch einen englischen Begriff dafür, Kohlendioxid aus der Luft abzuscheiden und unter die Erde zu verpressen - Carbon Capture and Storage, kurz CCS. Bitte merken Sie sich diese drei Buchstaben, denn mit ihnen wird Politik gemacht.

Aber um es gleich vorweg zu nehmen: Ja, diese Technologie wird wichtig werden, um die globale Mitteltemperatur in Schach zu halten. Das sagt auch der IPCC, also der Weltklimarat. Namhafte Forschende schließen sich an. „Wir uns müssen heute über das Aufräumen der Atmosphäre Gedanken machen, weil die Klimaschäden ja heute schon wirklich beträchtlich sind“, sagt zum Beispiel Jan Christoph Minx, Leiter der Forschungsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change. Aber Minx ergänzt: In der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts gehe es vor allem darum, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren und zu vermeiden.

Damit CCS uns also in 30 Jahren hilft, gute Lebensbedingungen auf der Erde zu erhalten, müssen wir die Technologie nun gründlich erforschen und ausprobieren. Das stimmt. Und das geschieht auch längst. Aber Vorsicht ist geboten, wenn Menschen mit dem Schlagwort Technologie(-offenheit) Interessenpolitik betreiben und uns weismachen wollen: Ach, verbrennt ruhig weiter Kohle, Öl und Gas, haltet weiter am Verbrenner fest, fliegt mit dem Flugzeug, was nur geht – wir holen den Dreck mit CCS schon aus der Luft. Ganz heikel ist es, wenn Konzerne, die bislang dafür bekannt sind, CO2 in großem Umfang in die Atmosphäre zu pusten, nach CCS rufen. Zum Beispiel Öl-Riesen. Gerade erst haben die Macher der "Treibhauspost", einem unbedingt lesenswerten Newsletter zum Klimajournalismus, herausgearbeitet, wie viel Geld diese "Carbon Majors" noch immer machen. An ihren Taten sollt ihr sie erkennen! Shell, BP und Co hätten die Mittel, riesige Schritte hin zur Energiewende zu gehen.

Fürs erste geht: Erst einmal sind wir gefragt, wir müssen den Dreck vermeiden. Jetzt! Und wir wissen, wie das geht. Mit einer konsequenten Umstellung auf erneuerbare Energien. Das ist möglich, ich sage es immer wieder gern: Wir können aus Sonne und Wind Strom machen! Klingt natürlich längst banal, aber mir ist in Debatten oft so, als könne man es nicht oft genug betonen.

„Ohne Energie geht nichts, das muss man wissen“, hat Hermann Scheer, der große Vordenker der Erneuerbaren, gesagt. Man kann ergänzen: Energie zu erzeugen, gibt uns auch Energie. Erneuerbare sind ihrem Wesen nach dezentral. Energie wird an vielen Orten erzeugt und sofort genutzt. Wir Menschen können uns darum kümmern, dass wir auf den Dächern oder an unseren Balkonen Strom erzeugen. Das ist eine spannende Aufgabe, die Freude macht und Sinn stiftet – besonders, wenn man sich zusammentut.

Spalten Sie mal CO2 aus der Luft ab – sie werden damit in ihrer Nachbarschaft nicht weit kommen. Aber einen Ort begeistern für ein Nahwärmenetz, für Windräder, vielleicht sogar mit Hilfe der Kirchengemeinde. Oder den Mut haben und eine Firma zu gründen, die Stromspeicher entwickelt und herstellt – all das können wir schaffen.

Ich stelle Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, von nun an alle zwei Wochen Menschen, Orte und Gruppen vor, die schon heute unterwegs sind in dieser Mission. Kommen Sie gern mit!

Das ist vielleicht nicht die schnelle Erlösung, aber es tut gut, ganz sicher.

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Ist es, den Einfältigen (mangels Bildung werden es leider immer mehr, wer das sagt, ist auch noch arrogant!) vorzugaukeln, dass es möglich ist, mit Gesetzen und Bevormundung die Natur zu beeinflussen. Selbst wenn es gelänge, nur 1% CO2 zu deponieren, würden gleichzeitig mehrere Prozent zusätzlich entstehen, deren Wirkung Jahrhunderte bestehen bleibt. Alles Augenwischerei wenn man nicht bereit ist, den Verbrauch brutal zu reduzieren. Aber es gibt eine makabere Hoffnung. Wenn in 100-200 Jahren die Öl- und Gasvorräte bis auf kümmerliche Reste verbraucht sind und alles, was vorher unter Oberfläch war, dann in der Luft ist, tun sich ganz andere Probleme auf. Genausowenig, wie wir Herr unserer menschlichen Eigenschaften sind, sind wie auch in der Lage, deren Folgen zu verhindern. Wir müssen lernen zu akzeptieren, dass Leben auch Vernichtung/Verbrauch bedeutet. Demnächst werden dann 10 Milliarden ihre Ansprüche stellen und für die Gasbeschleunigung sorgen. Alle kennen die Gefahr. Sie wird übergangen. Die mögliche Minimaleinlagerung von CO2 ist ein Feigenblatt und versperrt den Blick auf das echte Problem.

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Der Text läßt sich umformulieren. Zitat verfremdet: " Aber Vorsicht ist geboten, wenn Menschen mit dem Schlagwort Technologie(-offenheit) und Wunschdenken Interessenpolitik betreiben und uns weismachen wollen: Ach, wenn alle nur auf mich hören, alle das Gleiche wollen, dann kann der Wohlstand bleiben, egal ob Kohle, Öl und Gas am Ende sind. Hauptsache wir haben genügend Energie! Wenn alle einsichtig sind (der schönste Wunsch im Einschlafdusel!) muss es doch möglich sein, uns und die Welt zu retten. Mit diesem seeligen Gedanken gehöre ich zu den Guten. Das auch noch schriftlich an Alle und ich habe meinen Beitrag geleistet. Wenn alle an einem Strang ziehen, können wir unsere und die jahrhunderte alten Wohlstandssünden mit CCS schon aus der Luft holen. Für die täglich neuen Sünden sind dann die Kinder verantwortlich".
Das Leben ist aber keine Märchenstunde. Kirche tu was. Aber bitte nicht wehtun. Alle im Chor, "Ich bin dabei, wenn auch wirklich alle mitmachen". Aber bitte nicht als Regierungsprogramm.

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Wenn wir einen so grossen Stromüberschuß haben, dass wir nicht mehr wissen, was wir damit anfangen sollen, können wir mit dieser Spielerei beginnen. Ist eigentlich den Propheten bewusst, welche Dimensionen Anlagen haben müssen, um auch nur 1% des überschüssigen CO2 einzufangen und zu bändigen? Und das hätte auch nur Sinn, wenn weltweit die Zahl der Emittenten um weit über 50% (wenn es denn reicht!) reduziert würde. Und auch der "Rest" muss dann auf seine Mobilität und sein "grosses Fressen" verzichten. Dann haben wir immer noch in der Athmosphäre den Jahrhunderte wirksamen und unerreichbaren Überschuss. Wer Hoffnungen weckt und als Heilsbringer wirken will, sollte die Naturgesetze nicht vergessen. Sollte tatsächlich in den nächsten 20 Jahre der Nordatlantik kippen, wie heute in SPIEGEL-Online als möglich gemeldet, haben wir die Quittung für unsere Wohlstands-, Konsum- und Vermehrungsidiotie schneller, als jeder Anlagenbauer eine Genehmigung bekommt. Der Mensch ist sich selbst sein größter Feind. Wir sind in der Summe nicht die Krone Schöpfung, sondern "ihr self fullfilling" Desaster. Oder glaubt jemand ernsthaft, dass wir in Tausend oder 1 Mio. Jahren noch so existieren und die Religionen ewig ihre Bedeutung bewahren können?

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.... und die Religionen auf ewig ihre Bedeutung bewahren können?

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Die ORCA-Zahl zeigt das Dilemma. 4000 T/Jahr für 500 Einwohner. Das sind 160.000 Anlagen nur für Deutschland. Selbst wenn man nur die Hälfte der Emission einfangen müsste, und die Kapazität von Grossanlagen erheblich grösser ist, wären Platzbedarf und Kapital enorm und Bürgerentscheide hätten viel zu tun.. Rechnet man auf den Weltbedarf hoch, erreicht man "Sterne", die unerreichbar sind. Es ist unverantwortlich, derartige Möglichkeiten als machbar zu diskutieren. Das Gleiche gilt für den Mann im Mond, die Besiedlung des Mars und Wasserstoff. Denn um den zu produzieren braucht man die Energie, die man nicht hat. Hat man sie, könnte man sie gleich verwenden statt sie in Wasserstoff zu transformieren und den dann mit hohem Energieverlust doch für den gleichen Zweck zu verwenden. Ausserdem hat die Infrastruktur sowohl im PKW als auch in den Land-Leitungen ein wesentlich höheres Gefahrenpotential. Auch Lithium ist brandgefährlicher als Sprit. Aber Hoffnungen zu "verkaufen" ist schön.

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Co2 ist essenzieller Bestandteil der weltweiten Vegetation und kein Gift.
Kein Co2 -> keine Pflanzen -> keine Tiere/Menschen.
Wenn das Co2 ansteigt, dann steigt auch die globale Pflanzenmasse.
Co2 lässt die Welt ergrünen.

https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/co2-macht-die-welt-gruener-a-1089850.html

Grün und CO 2 ist richtig. Aber das Gleichgewicht zwischen Grünmasse, Wachstumbedingungen, Wasserhaushalt, Temperaturwechsel und Flächenangebot ist entscheidend. Und dann gibt es noch die Unbekannten (Wechselwirkungen) und die Naturereignisse. Ein Faktor ist aber seit Beginn der Zivilisation absolut neu. Das sind die anthropogenen (menschengemachten) Einflüsse durch die Vernichtung von Rohstoffen und damit die Freisetzung von CO2. Das kann dann in die Athmossphäre entweichen, um dort im gestörten Gleichgewicht (gebundenes und freies CO2!) unkontrollierbar zu werden. PUNKT: Die Existenz des Menschen in Verbindung mit Zahl, Forschung und Wohlstand könnte zu einem sich selbst erfüllenden Untergang werden. Bestätigt wird dies durch die Schnelligkeit der globalen Veränderungen. Denn noch schneller sind nur ausserirdische "Brocken", die uns treffen.

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