Rummelplatz von oben
Rummelplatz von oben
Foto: Claudius Grigat
Rummel forever
Tim Wegner
21.09.2018

Es waren immer die tollsten Tage, ach, wenn sie doch ewig gedauert hätten: Die Tage, an denen wir als Kinder auf diese eine Art von Veranstaltungen durften, die wir so liebten. Egal, wie sie auch hießen – Kerb, Kirmes, Kirchweih, Markt, Nachbarschafts-, Freundschafts- oder Stadtfest – Hauptsache, es gab einen Rummelplatz.

Ich verstehe darunter die Ansammlung von mindestens zwei Karussells beziehungsweise Fahrgeschäften, mehreren Grill-, Popcorn-, Mandel- und Plastikspielzeugbuden und mindestens einer Attraktion wie Dosenwerfen oder Riesenplüschtierverlosungunddochimmernietenbekommen.

Autoscooter bis zum Abwinken

Besonders in Erinnerung geblieben sind mir dabei speziell zwei Events: Zum einen ein Markt, der mit besonders alten Karussells aufwarten konnte, darunter eine Oldtimerbahn, eine echte Schiffsschaukel und ein Kinderkettenkarussell mit einer alten automatischen Spielorgel. Zum anderen war da dieses deutsch-amerikanische Freundschaftsfest auf dem Gelände der in der Nähe meines damaligen Wohnorts stationierten US-Streitkräfte, auf dem ich das erste Mal "American Icecream" im Halbliterbecher aß. Also den Halbliterbecher leer aß. Vor allem aber war der Vater meines besten Freundes damals als Ingenieur bei der Army beschäftigt, sozusagen als deutscher Gastarbeiter. Als solcher war er unter anderem auch der Zuständige für die Überprüfung der Sicherheit der Fahrgeschäfte auf dem Gelände. Und als solcher wiederum bekam er vom Betreiber des Autoscooters eine Unmenge an Plastikchips zugesteckt, mit denen man die Fahrzeuge in Gang setzte. Es müssen mindestens 1.000 Stück gewesen sein - zumindest hätte ich nach jenen zwei Tagen den Führerschein bestimmt mit verbundenen Augen machen können, wenn man mich nur gelassen hätte.

Kein Riesenplüschtier

Natürlich gehen wir, solcherart geprägt, mit unseren Kindern heute auch hin und wieder "auf den Rummel". Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass sich so einiges geändert hat in der Zwischenzeit. Und zwar nicht zum Besten! Oder gab es früher schon solch eine Vielzahl an Karussells, bei denen mir entweder schon vom Zuschauen schlecht wird oder die mir so viel Angst einjagen, dass ich auf keinen Fall meine Kinder damit fahren lassen würde? Und haben die Würstchen und Pommes auf dem Rummel auch früher schon immer so vor Fett getrieft und eher mittelmäßig geschmeckt? Nein, oder? Die waren himmlisch, genau wie das noch warme, frische Popcorn. Und waren die Plastikspielsachen, die Zuckerwatte und das Entenfischen früher wirklich auch so unfassbar kostspielig? (Immerhin hatten wir unlängst einen pädagogischen Erfolg, als mein Sohn zutiefst frustriert von der Riesenplüschtierverlosungunddochimmernietenbekommen-Aktion zurück kam und mit Einsatz seines gesamten verbliebenen Taschengelds eben kein Riesenplüschtier sondern nur einen Plastiktrostpreis bekommen hatte, der nach genau 48 Minuten kaputt war, woraufhin er beschloss, künftig seine Finanzmittel nur noch in frisches, noch warmes Popcorn zu investieren.)

Dafür Raffaelomandeln

Aber, in der Tat, es hat sich noch mehr verändert. Zwei Dingen davon stehe ich eher indifferent gegenüber: Es gibt jetzt auch Handyhüllen auf dem Rummel, natürlich unfassbar kostspielig, und es gibt nicht mehr einfach nur "gebrannte Mandeln", sondern es gibt mindestens vier oder mehr Nusskernsorten und die wiederum in mindestens acht Geschmacksrichtungen, von "Raffaelo" bis "Schlumpf".

Und eine Veränderung schließlich kann ich sogar uneingeschränkt gut heißen: Es gibt jetzt auch Döner zu kaufen! Natürlich fetttriefend und eher mittelmäßig schmeckend…

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