Handballtor, bei dem das obere Drittel mit Brettern zugenagelt ist
Handballtor, bei dem das obere Drittel mit Brettern zugenagelt ist
Foto: Claudius Grigat
Handball-Väter
Tim Wegner
14.07.2017

Da, wo ich wohne – also da, wo es Reihenhäuser, einen Supermarkt und Stellplätze für den Kombi mit dem "Baby on board"-Aufkleber gibt – da gibt es auch einen Fußballverein. Natürlich. Und fast alle Kindergartenfreunde meines Sohnes spielen dort Fußball. Sie wissen, was das für die Eltern bedeutet? Nahezu jedes Wochenende an einem Tag früh aufstehen und zu einem Spiel oder einem Turnier fahren. Danach reihum die Trikots waschen. Ständig neue, teure Fußballschuhe kaufen. Zweimal die Woche die Kids zum Training fahren und an der Außenlinie stehen. Und und und…

Mein Sohn spielt kein Fußball. Warum? Er kickt manchmal im Kindergarten, aber so richtig Spaß macht ihm das nicht. Er hat sich mal das Training angeschaut, aber der Funke ist nicht übergesprungen. Und ich bin ganz froh darüber. Erstens habe ich früher kein Fußball gespielt, sondern Handball. Wie mein Bruder. Und mein Vater. Und mein Großvater. Und zweitens würde ich mich unter den Fußball-Vätern sehr unwohl fühlen. Dieser Ehrgeiz an der Ersatzbank: "Jetzt muss mein Sohn aber eingewechselt werden." "Meiner ist aber besser." Und wie oft hört man übelste Beschimpfungen des Schiedsrichters, der ja immerhin ehrenamtlich in seiner Freizeit F-Jugend-Spiele pfeift. Außerdem das Fachsimpeln, da kann ich auch nicht mithalten. Und schließlich dieses Leistungsdenken! Es geht schon bei den 5-jährigen nur ums Gewinnen, der Spaß am Spiel tritt völlig in den Hintergrund.

Oft wusste niemand, wie das Spiel überhaupt ausgegangen war

Mein Sohn spielt übrigens jetzt auch Handball, im Nachbarort. Da gibt es Reihenhäuser, einen Fußball- UND einen Handballverein. Und vor Kurzem waren wir auf dem ersten Turnier zusammen. Da war alles ganz anders als beim Fußball. Die Handballtore waren im oberen Drittel mit Brettern zugenagelt – damit die Motivation nicht verloren geht. Mädchen und Jungen spielten in gemischten Teams. Am Spielfeldrand quatschten die Mütter miteinander, die ohnehin stark in der Überzahl waren. Wenn eine Partie fertig war, hieß es immer nur: Gut gespielt! Oft wusste tatsächlich niemand, wie es eigentlich ausgegangen war. Zwischen den Spielen picknickten die Eltern entspannt irgendwo im Schatten, während sich die Kids auf einer Hüpfburg vergnügten.

Und ich? Ich trainierte ein paar Jungs in den Pausen. Fangübungen, Wurfübungen, leichte Spielzüge. Schon im ersten Spiel hatte ich gesehen, dass das so nichts werden kann mit dem Turniersieg! Nicht genug Ehrgeiz, zu nachlässig im Detail. Viel zu lasche Abwehr, halbherzige Torwürfe. Da muss man auch mal selbst zum Abschluss kommen, wenn man gut steht - nicht immer nur abgeben! Das wollte ich ihnen beibringen. Weil: Der Trainer tat ja nichts. Saß nur im Schatten und quatschte. Ehrenamt hin oder her. Übrigens auch am Spielfeldrand. Ein paar knappe Anweisungen, sonst nichts. Ich hingegen rief und brüllte mit einem hochroten Kopf, sprang auf und ab, gestikulierte wild, schwitzte, litt… Und irgendwann schämte ich mich ein bisschen.

Wie gut, dass es am Ende bei der Siegerehrung nur Gewinner gab. Es wurden keine Platzierungen verlesen, sondern nur Medaillen und Urkunden für alle verteilt. Eine schöne Erfahrung – und besonders heilsam für mich als Handball-Vater…!

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