Cornelia Weigand ist neue Landrätin
Cornelia Weigand ist neue Landrätin
Thomas Rheindorf
Anfang ohne Zauber
Am 23. Januar war ich wählen. In der Wahlkabine fragte ich mich: Landratswahl, bringt das überhaupt was? Ja, schon, meine ich heute.
04.02.2022

294 Landkreise gibt es in Deutschland, weiß Wikipedia. Wer auf Verwaltungsspech steht, kann sie Gebietskörperschaften nennen. Davon gibt es 400, weil noch 106 kreisfreie Städte dazukommen. Feines Wissen für die endemische Lage bei Quizsendungen im Fernsehen. Ansonsten scheint mir, Landkreisen eignet eine geringe Sexyness.

Mit meinen Kindern spielte ich eine Weile Kennzeichenraten bei Zähflüssigkeit auf der Autobahn. Eine App verriet Einwohnerzahl und Lage. Dafür war’s ok. Aber sonst? Wenn man Identität verspüren will, kommen als Kandidaten ja eher Deutschland (wie jetzt beim Blick auf den Olympia-Medaillenspiegel), die Region (Rheinländer wie K. Adenauer oder Franke wie M. Söder) oder die Stadt (besonderes penetrant sind hier Köln und München) in Betracht. Früher hieß der Sitz der Landräte in Ahrweiler in der Bevölkerung Landratsamt, jetzt Kreisverwaltung. Bei Amt lässt sich noch Würde dazu denken, die zeitgemäße Bezeichnung meint hoffentlich nicht, im Kreis verwalten.

Nach ihm heißt der Bahnhofsplatz

In guter Erinnerung ist mir Landrat Joachim Weiler. Schnauzbärtig und freundlich grüßte er die Menschen auf der Straße, ich sah ihn öfters zu Fuß unterwegs. 1999 starb er urplötzlich mit 52 Jahren. Der Bahnhofsplatz in Ahrweiler, nahe seinem Dienstsitz wurde nach ihm benannt.   Der Platz entwickelte sich nach dem Hochwasser zu einer Drehscheibe für Versorgung, Hilfe, Austausch. Ich bin sicher, es hätte ihm gefallen, hier hätte er sich bestimmt unters Volk gemischt, um zuzuhören und zu helfen. Jürgen Pföhler, sein Nachfolger im Amt, verschwand mit dem Hochwasser. Er ist untergetaucht, sagte man. Originelles Wortspiel, wenn auch gruselig. Nun war es nicht so, dass er zuvor in seiner Amtszeit durch übermäßige Präsenz aufgefallen wäre. Er hatte allerdings bei den Gelegenheiten, wo auch ich zugegen war, einen untrüglichen Instinkt für Pressekameras. Foto für die Zeitung und weg. Das letzte mal live sah ich ihn, als der Rektor einer kreiseigenen Schule Tage vor dem Hochwasser verabschiedet wurde.

Wenn es Schuldige gibt vor dem Gesetz, gehören sie bestraft

Am Abend des 14. Juli, als das Unheil schon seinen Lauf nahm, habe die Altenahrer Bürgermeisterin Cornelia Weigand ihn versucht anzurufen. Er habe in einem Gourmettempel gespeist, sie sei abgewimmelt worden: Die Herren speisen noch. Später habe man ihn gesehen, wie er sein Auto in Sicherheit gebracht habe. Umlaufende Geschichten, die schaden. Ihm, der Person, schlimmer aber, dem Amt. Nun ist er im Ruhestand. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn. So ruhig wird es also vorerst nicht werden.
Ein Mann aus Bonn meinte zu mir dieser Tage: „Die sollen den doch in Ruhe lassen, der ist doch genug gestraft!“ Die Befindlichkeiten des Ruheständlers sind für mich nicht wichtig. Trotzdem muss ermittelt und aufgearbeitet werden, allein um herauszufinden, warum die Körperschaft „Landkreis“ versagt hat. Warum Menschen gestorben sind, die nicht hätten sterben müssen. Wenn es eine Aufgabe für diese Organisationsebene gibt, die über Rad- und Wanderwege, Abfallbeseitigung und KFZ-Zulassung hinausgeht, und die funktionieren muss, wenn es gilt, dann doch wohl Katastrophenschutz. Ohne Wenn und Aber. Der Rechtsstaat ist es seinen Bürgen schuldig, herauszufinden, warum hier versagt wurde. Damit wir Bürger Vertrauen zurückgewinnen. Wenn es Schuldige gibt vor dem Gesetz, gehören sie bestraft. Das ist Rechtsprechung.

Viel Erfolg, Frau Landrätin, für uns alle!

Die vom Ex-Landrat am Telefon geschmähte Bürgermeisterin ist nun zur neuen Landrätin gewählt worden. Im ersten Wahlgang gegen drei weitere Kandidaten. Obwohl parteilos, weiblich und „nicht von hier“. Kein Demoskop hatte das prognostiziert, kein Spindoktor hätte es besser machen können. Die uneitel sachliche Frau hat sich als Krisenmanagerin der arg getroffenen Verbandsgemeinde Altenahr Meriten verdient, die im ganzen Kreis gewürdigt wurden. Protest gegen CDU-Seilschaften wird auch Stimmen gebracht haben. Es ist ein Anfang ohne Zauber, ohne 100-Tage-Frist. Eine Mammutaufgabe in glanzlosen Zeiten. Damit kann Cornelia Weigand umgehen, das hat sie bewiesen. Viel Erfolg, Frau Landrätin, für uns alle!
 

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.

Kolumne