Lena Uphoff
15.11.2010

"Wir haben alles Menschenmögliche versucht, aber der Erfolg blieb uns verwehrt", sagen die Ärztin, der Trainer, die Fraktionsvorsitzende und der Katastrophenhelfer unisono nach der Operation, dem Spiel, der Finanzkrise und dem Notfalleinsatz. Sie haben nach bestem Wissen und Gewissen operiert, im wörtlichen wie im übetragenen Sinn. Sie sind enttäuscht, sie wissen nicht weiter, sie sind ratlos. Sie appellieren an das Publikum: Glaubt uns, an uns hat es nicht gelegen, dass sich der Erfolg nicht einstellen wollte.

Was bedeutet "alles Menschenmögliche"? Wäre es nicht ehrlicher, die Verlierer würden formulieren: Wir haben die uns zu Gebote stehenden Techniken, Kenntnisse, Erfahrungen und Mittel in dieser konkreten Situation und an diesem bestimmten Ort angewendet, ohne damit unser Ziel zu erreichen? Oder: Die Sache war eine Nummer zu groß für uns? Oder: Der Gegner war stärker, besser vorbereitet, von Anfang an überlegen?

Spüren Sie auch, wie sich Unwille in Ihnen ausbreitet? Manchmal ist der Grat schmal zwischen allgemein menschlicher Erfolglosigkeit und persönlichem Versagen. Und je nach Blickwinkel steckt in der einen Version der Fluchtpunkt in die Transzendenz und in der anderen deren mutmaßlicher Ausschluss.

Wenn etwas, das außerhalb unserer Möglichkeiten liegt, für unsere Niederlagen verantwortlich ist, weil wir bis zur Grenze des Menschenmöglichen alles versucht haben, kann man dieses "etwas" auch Gott, Götter, Mächte oder Schicksal nennen. Dies ist eine religiöse Einordnung. Religion steckt übrigens bereits in der harmloseren, gerne mit einem Achselzucken abgegebenen Erklärung: Das war heute einfach nicht mein Tag. Die extreme Variante dieser Weltsicht nennt man Fatalismus: Da kannst du eh nichts machen, es ist, wie es ist, es kommt, wie es kommt.

Es lohnt sich, die eigene Scheu zu überwinden

Die andere Haltung - "ich übernehme die Verantwortung für mein Versagen" - hat nicht weniger weitreichende Konsequenzen. Wer so spricht, teilt mit: Dass wir es nicht geschafft haben, liegt an uns und an den Umständen. Wenn das die Beteiligten selbst erklären, nennt man dies Eingeständnis. Es klingt honorig und rechtschaffen. Und doch steckt möglicherweise auch darin ein Problem: ein Stück Selbstüberforderung, Selbstüberschätzung.

Die große Herausforderung - sie ist eines der Lieblingsthemen der großen Philosophen, Literaten und Theologen vieler Epochen - für die Menschen ist es, beide Sphären zu akzeptieren, sie auszubalancieren, das Machbare zu verändern und das außerhalb unserer Möglichkeiten Liegende zu akzeptieren. Das Schwierigste dabei bleibt, das eine vom anderen unterscheiden zu können.

In jedem Fall, das ist die jüdisch-christliche Erfahrung mit dem Thema, scheint es sinnvoll, auf Gnade zu hoffen und selbst gnädig miteinander zu sein. Man darf von Mensch zu Mensch durchaus erwarten, dass der oder die Nächste selbstkritisch überprüft, ob er oder sie die gegebenen Möglichkeiten wirklich ausgeschöpft, sich genügend eingesetzt, lange und intensiv genug gekämpft hat. Nicht das Scheitern selbst ist das Problem, sondern der Umgang damit.

Viel schlimmer als Versagen ist es, wenn man es gar nicht versucht, lautet eine Lebensweisheit. Ich kann nicht widersprechen, trotz aller spontanen Abneigung gegen häufig Wiederholtes. Gerade in der Fasten- und Passionszeit eignet sich diese Perspektive hervorragend, das eigene Tun und Lassen zu reflektieren und gegebenenfalls zu korrigieren. Es lohnt sich, wie es zum Beispiel im Motto der Fastenaktion "7 Wochen Ohne" in diesem Jahr heißt, die eigene Scheu zu überwinden und den Mitmenschen näherzukommen. Und wenn der Nachbar den Gruß nicht erwidert, die Schwester die endlich ausgesprochene Anerkennung nicht zur Kenntnis nimmt, muss man weder bekennen, man habe versagt, noch ungnädig reagieren. Vielleicht war es einfach der falsche Augenblick, die falsche Lautstärke, das falsche Wort. Vielleicht war es einfach nicht Ihr Tag. Hauptsache: Sie haben das Ihnen Mögliche versucht!

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