Lena Uphoff
15.11.2010

In unserem Sportverein regiert seit Jahren dieselbe Handvoll emsiger Leute. Der Fritz, die Kathrin, die Mary, der Schorsch und der Benni. Als es jüngst darum ging, den Kunstrasen für den Fußballplatz zu finanzieren, hat Fritz seine Beziehungen spielen lassen. Kathrinhat mit dem Sportamt der Stadt so lange geredet, bis man dort bereit war, uns mit Fördermitteln so großzügig wie nur möglich zu unterstützen. Die Mary hat Kleinspenden zusammengetrommelt, und der Schorsch und der Benni haben eine Tombola organisiert. Jeder wusste, was er tun konnte, wollte und sollte. Alles lief wie immer. Alles war gut. Und natürlich rechneten alle damit, dass die Jahreshauptversammlung mit Neuwahlen im Frühjahr reine Formsache bleiben würde.

Leider ist der Benni krank geworden und hat drei Tage vor der Versammlung seine Kandidatur zurückgezogen. Wir hatten ein Problem. Der Fritz hat sich die "Finger wund telefoniert". Allein der Ausdruck aus der Zeit der Wählscheibe zeigt, dass Fritz nicht der E-Mail- und SMS-Generation angehört. Heute wählt man sich nicht mehr wund. Man tippt sich höchstens Blasen auf Zeigefinger und Daumen. Es hagelte Absagen, wenn auch freundliche.

Der Klaus hat gerade eine neue Aufgabe im Betrieb übernommen - "tut mir leid". Die Susi ist gerade bei den Freien Wählern in den Ortschaftsrat nachgerückt - "beides geht nicht". Der Maik hilft gerne, die Silke auch - "aber kein Amt, bitte". Nur Lars hat positiv reagiert: "Klar. Ich mache mit." Die Wahlen waren reine Formsache. Das alte Team und Lars lächelten in die Kamera vom Lokalblatt. Das war vor drei Monaten.

Als Lars wenige Tage später einen neuen E-Mail-Verteiler anlegte und eine Internetideenbörse eröffnete, fanden seine Vorstandskollegen das "wirklich gut". Dann teilte er mit, er habe die Vorstandsarbeit der vergangenen Jahre einer kritischen Analyse unterzogen. Dabei habe er festgestellt, dass es keine Tätigkeitsprofile und keine verabschiedete Arbeitsverteilung zwischen den Vorstandsmitgliedern gebe. Man müsse zum Beispiel hinterfragen, warum Schorsch, gewählt als Schriftführer, nicht die Sitzungsprotokolle schreibe, sondern Kathrin, die Vizevorsitzende, Schorsch aber andererseits die Kassenführung miterledige, obwohl Mary die Schatzmeisterin des Vereins sei.

Jetzt wird die Abteilung nach der Fritz-Methode umstrukturiert

"Fritz", sagten alle, "du musst mit ihm reden. Der bringt hier alles durcheinander." Fritz hat sich ein paar Wochen Zeit gelassen. Das kennen wir bei ihm und ärgert uns gelegentlich. Meistens aber erweist sich Fritzens Gefühl für den geeigneten Zeitpunkt als richtig. Letzte Woche traf er Lars auf ein Bier. Lars hatte ein ganzes Paket von Optimierungsvorschlägen dabei. Fritz sagte nur: "Sehr schön." Dann erklärte er Lars, in einem Vorstand, zumindest bei dem in unserem SV, gehe es zu wie in einer Fußballmannschaft. So wie ein Stürmer notfalls auch verteidigen müsse und ein Verteidiger sich auch in den Angriff einschalte, so schreibe eben Kathrin zurzeit die Protokolle, weil Schorsch Mary beim Onlinebanking helfe.

Lars hörte es und hörte es doch nicht. Denn er begann davon zu schwärmen, wie viel Potenzial in diesem Verein stecke, das mit ein wenig Professionalisierung der Vorstandsarbeit, mit mehr Stringenz und Synergie zu heben sei.

Fritz legte ihm die Hand auf den Arm: "Lass gut sein. Du bist, um es fußballerisch zu sagen, Bundesliga oder erste Liga. Wir sind Kreisklasse. Ich sehe dich in ein, zwei Jahren im Vorstand des Landessportverbandes. Unser Niveau ist nichts für dich. Wenn du uns helfen willst, darfst du uns nicht überfordern." Nichts anderes wolle er, antwortete Lars. Und dann wurde es ein Abend mit vielen launigenGeschichten, aber ohne Reformpapiere.

Als ich Lars neulich beim Bäcker traf, fragte ich ihn, wie es beim SV so gehe. Er sah mich lange an. Dann sagte er: "Sensationell! Dieser Fritz und sein Führungskonzept. Bin gerade dabei, daraus ein neues Strukturpapier für meine Abteilung in der Firma zu stricken. Soll ich es dir mal mailen?" - "Gerne", sagte ich und ärgerte mich darüber. Ich hätte ehrlich sein sollen.

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