Lena Uphoff
15.11.2010

Krisenzeiten sind besonders fette Jahre. Für Berater, Coachs und andere risikoscheue Existenzen. In Zeiten der allgemeinen Verunsicherung, der Wirrnis und der Zukunftsangst hört man erst recht gerne auf die Einflüsterer, die einem narrensichere Rezepte, neueste Methoden und hundertprozentige Erfolgsformeln versprechen. Die verzweifelte Kundschaft, mit dem eigenen Latein am Ende, getrieben von dem einen Wunsch, einigermaßen heil aus dem Schlamassel zu kommen, zahlt und büffelt.

Es sei allen gesagt, die jetzt Projekte aufsetzen, Prozesse beginnen, Strukturen auf den Prüfstand stellen, Innovationen beschließen, eisenharten Veränderungswillen demonstrieren, den Kurswechsel einleiten: Was ihr da treibt, ist das ganz alte Spiel der Menschheit. Es ist ein archaischer Reflex aus unserer Vorgeschichte, aus der Zeit, als wir in Herden auf Nahrungssuche durch Wald und Flur streiften.

Krisenzeiten sind Aufbruchzeiten. Wo es uns gutgeht, da bleiben wir. Wenn Gefahr droht, flüchten wir. Wenn die Weidegründe leer gefressen sind, müssen wir neue suchen. Der alte Nomaden-Adam lässt grüßen. Und er wird jenem Weisen dankbar die Hand schütteln, der ihm den Geheimtipp zuraunt: Immer der Nase nach!

Solange die Ratgeber mit den Beratenen unterwegs sind, besteht Anlass zur Hoffnung. Sie teilen das Risiko; und wenn sie etwas Falsches erzählt haben, werden sie schlimmstenfalls zur Verantwortung gezogen. Misstrauen gilt jedoch zu Recht von alters her jenen vermeintlich Wissenden, jenen Sterndeutern, Hellsehern und Wahrsagern, die an Weggabelungen und auf Marktplätzen saßen und wohlfeile Ratschläge verkauften, ohne die Kunden auf ihrem Weg zu begleiten. Neuerdings betreiben sie "Institute", die oft nicht mehr sind als eine glitzernde Homepage im Internet. Die Hoffnung dieser Händler der Optionen und Glücksrezepte liegt in der Erfahrung, dass Geschädigte selten zurückkommen und noch seltener öffentlich protestieren. Und wenn, dann muss man diesen Tölpeln nur nachweisen, dass sie es waren, die den Fehler gemacht haben. Entweder haben sie nicht richtig zugehört, den entscheidenden Satz missverstanden oder sie sind einfach zu früh umgekehrt.

Die besten Geschäfte versprechen die Tipps, nach denen sich Erfolg und Belohnung im Jenseits einstellen. So funktionierte vor 500 Jahren die Methode der Ablassverkäufer: "Wenn der Taler im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt." Wer will das Gegenteil beweisen? Das hat schon Martin Luther auf die Palme gebracht. Das Prinzip funktioniert noch immer. Wenn es auch unter aufgeklärten Menschen nichts mehr mit Religion zu tun haben darf, sondern nur noch der Qualifikation des autonomen Ich zu dienen scheint.

Es ist das Spiel mit der menschlichen Erlösungsbedürftigkeit.

Eingeladen werden jene, die zu bequem sind, sich selbst auf die Suche zu machen. Wer des Umherirrens müde ist oder meint, sich den langen Weg sparen zu können, zahlt gerne für das kleine Geheimnis der Abkürzung.

"Da habe ich dann was Eigenes", sagt Frau Hoppenstedt.

Eine andere Zielgruppe sind die, denen das Selbst- und/oder das Gottvertrauen abhandengekommen ist. Letztere unterscheiden sich von den Bequemen, weil sie neben dem Geld auch keine Mühe scheuen, einen Fortschritt bestätigt zu bekommen. Am Ende aller Trainings und Maßnahmen, die sie durchlaufen haben, zeigen sie stolz den Fetisch, den sie erworben haben. Das Zertifikat ihrer Zusatzqualifikation - ". ..hat erfolgreich an unserem Seminar für Projektmanagement teilgenommen" - ziert die Ladentheke oder die Wand hinter dem Schreibtisch. Wofür es nicht alles Kurse und Fortbildungen gibt! Mit immer neuen Tools, Workshops und Strategien. Den meisten dieser Angebote ist auf dem ersten Blick zu entnehmen, welch Geistes Kind sie sind.

Erinnert sich noch jemand an Loriots vielleicht schönsten Sketch, das Jodeldiplom? "Da habe ich dann was Eigenes", sagt Frau Hoppenstedt. Jawoll. Und man kann darauf aufbauen!

Arnd Brummers Kolumnenbände "Der Fluch des Taxifahrers" (auch als Hörbuch) und "Alles sauber, alles neu" sind bei der edition chrismon erhältlich (über die Hotline 0800 / 247 47 66 oder unter www.chrismonshop.de).

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