Nein! Vereine wie Mönchengladbach zeigen: Der wichtigste Mann steht nicht auf dem Feld...
Tim Wegner
23.01.2012

Kennen Sie das? Sie spielen Fußball, im Garten oder im Park, nur so zum Spaß. Vier gegen vier. Und vielleicht sind zwei Ihrer Gegner in der anderen Mannschaft sogar noch Kinder, während sie ein reines Erwachsenenteam stellen. Aber: Einer ihrer Mitspieler nimmt es zu leicht. Oder hat nicht mehr soviel Lust. Oder kann nicht mehr. Dann passiert es: Die Tore fallen wie von Geisterhand. Die Kontrolle ist weg.

Neben unzähligen anderen Dingen ist das das Schöne am Fußball: dass es manchmal noch so ist wie beim Bolzen im Park. Was zusammen gewürfelten Freizeitkickern widerfährt, weil einer nicht richtig mitmacht, ist gestern Abend den Stuttgartern passiert. Und den Freiburgern. Schon am Samstag war Hoffenheim dran. Und das sind Profis…

Eine Entwicklung nimmt in der Bundesliga ihren Lauf: Der wichtigste Mann steht nicht mehr auf dem Platz, sondern am Rand – der Trainer. Das Neue ist: Während Trainer früher in aller Regel davon lebten, gute Kader zu sehr guten formen zu können – deshalb waren die Bayern Abomeister – lehren heute sehr gute Trainer sehr gute Spielsysteme. Und das auch, wenn der Kader qualitativ gar nicht so überragend ist. Das System schlägt Einzelkönner.

Das Beispiel Mönchengladbach

Das aktuell beste Beispiel ist Mönchengladbach. Die Mannschaft hat sich im Vergleich zur Vorsaison kaum verändert – war aber letztes Jahr um diese Zeit so gut wie abgestiegen. Dann kam Lucien Favre, rettete die Borussia über die Relegation vor dem Abstieg, um jetzt, kaum ein halbes Jahr später, Tabellenvierter zu sein – einen Punkt hinter Bayern München, acht Punkte vor Bremen.

Ein Wunder wie von Geisterhand? Na ja, wenn es das wäre, dann wäre es ein Wunder nach Plan. Favre zeigt, dass sich die Trainer weiterentwickelt haben. Sie sind zu einer Art Oberaufseher geworden, die eine Arbeitsteilung bejahen. Konditionstraining? Dafür gibt es Experten. Das tägliche Trainingsspiel, die richtige Dosis an Bewegungs- und Kraftübungen? Auch das muss ein Cheftrainer nicht wissen. Er muss nur wissen, dass es klappt, auch ohne ihn.

Die Trainer als Verfechter der Arbeitsteilung

Dafür bleibt den Cheftrainern mehr Zeit für die Taktik, fürs System. Und für die Kommunikation, den Spielern diese Ideen nahezubringen, Automatismen zu ermöglichen. Wann greift das Team die Gegner an? Wo verdichten die Spieler das Spielfeld so, dass der Gegner fast schon Fehler machen muss? Wann starten die Angreifer nach solchen Fehlern ihre Laufwege, die jedem Mitspieler bekannt sind?

Mustergültig zu sehen ist all das beim 0:2 (Endstand 0:3) der Gladbacher gestern Abend in Stuttgart. Marco Reus weiß offenkundig genau, was er zu tun hat, der Ball kommt genau in seinen Lauf – wie, na, wie schon? Wie von Geisterhand!

Jede Wette, der Stuttgarter Torhüter wird sich so gefühlt haben wie unsereins beim Bolzen im Park, wenn drei Leute das eigene, kleine Tor bestürmen. Er fühlte sich so, weil jeder der elf Gladbacher Spieler genau weiß, was zu tun ist. Dann sieht es bisweilen so aus, als ob bei der eigenen Mannschaft nicht mehr alle mitmachen.

Eine Warnung für die Bayern?

Für einen Verein muss diese Entwicklung eine einzige Warnung sein. Zumal sie nicht neu ist; spätestens seit Jürgen Klopps Meisterstück sollte sich herumgesprochen haben, dass Systeme stärker sind als elf hoch veranlagte Spieler ohne eine Spielidee. Gemeint ist der FC Bayern, der in dieser Saison nicht zufällig gegen alle Teams verloren hat, die in einer kompakten Ordnung auftreten: Hannover, Mainz, Dortmund und eben Gladbach.

Kann das noch Zufall sein?

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