Reden Sie auch über Fußball im Büro?
Tim Wegner
01.11.2011

Heute hier bei uns in der Redaktion: Gedankenverloren schlendere ich den Flur entlang. Worüber schreiben im Schokoladenbein? Schon der Weg zur Arbeit war weit. Aber leider nicht weit genug für den zündenden Gedanken, was denn eigentlich das Besondere war an diesem Spieltag? Ein seltener Gedanke beschlich mich: zum Glück ist Länderspielpause, da lassen sich Themen bunkern…

Unser Flur ist lang, mein Büro liegt ganz hinten. Wertvolle Meter. Aber immer noch kein Gedanke. Hinter der letzten Tür vor meinem Zimmer sitzt die Kollegin Dorothea Siegle, sie ist Leitende Redakteurin und macht das JS-Magazin. JS steht für „Junge Soldaten“. Qua Zielgruppe ist das Interesse für Fußball da schon vorprogrammiert. Mit einem, wie ich finde, großen Haken: Dorothea ist Werder-Fan. Puh. Aber was will man machen? Nicht wir wählen den Verein, nein, wir werden erwählt.

Dorothea und ich haben es uns zur schönen Angewohnheit gemacht, unsere sehr unterschiedlichen Vereinsvorlieben zu überspielen, indem wir uns über das Managerspiel auf kicker.de austauschen. Jeder hat ein eigenes Team, zu Saisonbeginn virtuell zusammengekauft aus den Bundesligaprofis. Und die große Frage an jedem Montag ist: „Wie viel Punkte hast du, Nils?“

Ich wusste es noch nicht. Aber da war er doch, mein Bloggedanke! Denn Dorothea und ich sind nicht allein – gemessen daran, dass Millionen am Samstag die Sportschau gucken; gemessen daran, dass der DFB über 6,5 Millionen Mitglieder hat: Es muss tausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie uns geben, die ihre Arbeitswoche mit Fußball beginnen. Erster Gedanke.

Protestantische Arbeitsethik: Verursacht das Fansein einen volkswirtschaftlichen Schaden?

Ganz der protestantischen Arbeitsethik verpflichtet folgte, in meinem Büro angekommen, der zweite Gedanke  – als schlechtes Gewissen. Ich ziehe es lieber gleich von der persönliche auf die Metaebene, ich will unseren Chefs ja keine Steilvorlage liefern: Was kosten die Gedanken an den schönen Fußballsport eigentlich der Volkswirtschaft? Klingt dröge, aber wo zwei über das Foul von Jermaine Jones ("das war doch eine Notbremse, gegen Hannover!") diskutieren oder sich via Youtube der schönsten Treffer erfreuen, da muss es auch den Dritten geben, der das aufarbeiten muss. Es gibt also sogar eine moralische Komponente, wir sind ja nicht allein auf der Welt.

Also, kurze Rechnung: In der Privatwirtschaft verdient der statistische Durchschnittsarbeitnehmer etwa 30 Euro in der Stunde. Wenn der oder die nun zehn Minuten am Tag übers Managerspiel quatscht, weitere zehn Minuten den Sportteil durchstöbert und – und das ist ja wohl viel zu gering geschätzt! – noch mal zehn Minuten an seinen Verein denkt, dann ist die halbe Stunde rum. Macht 15 Euro, jeden Montag. Das Jahr hat 52 Wochen, fünf Wochen Urlaub rausgerechnet, bleiben immer noch 47. 47 mal 15 sind gleich: 705 Euro. Bei fünf Millionen fußballbegeisterten Arbeitnehmern (schätze ich mal so) wären das: 3525000000 –ähm, ja was eigentlich? Millionen Euro? Milliarden Euro? Wie viel davon bräuchte man, um Griechenland zu retten?

Ach, egal! Wo wären wir, wenn wir unsere Leidenschaft so gegen Geld aufrechnen würden? Nicht  mehr von dieser Welt!

Und außerdem: Nach unserem kurzen Austausch waren Dorothea und ich viel wacher und kreativer als vorher. Was das der Volkswirtschaft bringt, rechne ich jetzt aber nicht aus. Nur soviel: Dorothea hat in ihrer kicker-Liga 14 Punkte geholt, ich 56.

Ein guter Tag!

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