Susanne Breit-Kessler bricht eine Lanze für Geldgeschenke
15.11.2010

Stolz kommt die Katze während des Essens ins Wohnzimmer. Mit großer Geste lässt sie die tote Maus direkt vor die Füße des verehrten Hausherrn auf den Teppich plumpsen. Das Entzücken hält sich zumeist in Grenzen, ebenso wie anschließend der Appetit. Durch großen Tadel die Katze verärgern oder irritieren will jedoch auch niemand. Es scheint schließlich so, als habe sie durch die erbeutete Maus ihrer Sympathie wie ihrem persönlichen Stolz Ausdruck verliehen.

Manchmal kommt auch das Geschenk eines Menschen so schlecht an wie eine tote Maus.

Manchmal kommt auch das Geschenk eines Menschen so schlecht an wie eine tote Maus. Deshalb wünschen sich heute Konfirmanden, Geburtstagskinder oder Hochzeitspaare lieber Geld, um sich ihre Wünsche selbst zu erfüllen. Kinder und Jugendliche haben Gameboys, Computer und alle ihre Zutaten im Visier, Jubilare möchten sich endlich eine große Reise gönnen, und Brautpaare wollen den bereits vorhandenen Hausrat sinnvoll ergänzen. Das alles ist sehr verständlich. Wer schon einmal in einer Flut von nicht altersgemäßen Geschenken, von Nippes oder zigfachen Doppelgängern der eigenen Küchengegenstände untergegangen ist, der hat gute Lust, nach eigenem Gutdünken sich zu bescheren ­ mit der Hilfe anderer. Warum auch nicht? Man freut sich mehr über ein schönes, kostbares Einzelstück in der Wohnung und über alle, die dazu beigesteuert haben, als über die vierte scheußliche Kristallvase. Lieber Blues selber kaufen als einen schmalzigen Schlager geschenkt bekommen.

Der neue Kultautor Asfa-Wossen Asserate, ein äthiopischer Prinz, kritisiert in seinem Bestseller "Manieren" Menschen, die anlässlich von Fest- oder Trauertagen statt Geschenken einen Geldbetrag für einen bestimmten wohltätigen Zweck überwiesen haben möchten. Asserate sieht darin das Schenken ins "Unpoetische eines Buchungsvorgangs" übertragen. Mag sein. Außerdem meint er, "es könne nie des Unnützen zu viel geben". Aber darin irrt er. Denn man muss es schon mögen, dass die eigene Wohnung im Lauf der Jahre, so sie überhaupt groß genug ist, immer mehr Dingen Heimat bietet oder einfach zugemüllt wird. Vor allem aber scheint es mir geradezu unanständig, selbst immer noch mehr zu bekommen in Zeiten, in denen es anderen miserabel ergeht. Ich habe längst nicht "alles", wozu auch? Warum nicht an andere denken, gerade an Tagen, an denen man selbst gefeiert wird? Warum also nicht am eigenen Geburtstag Geldspenden einsammeln und weiterverschenken?

Geld zu schenken ist eine unaufdringliche Weise zu geben

Geld zu schenken ist eine unaufdringliche Weise zu geben. Der andere hat völlige Freiheit, mit der entsprechenden Gabe umzugehen, er kann damit machen, was er oder sie will, und freundlich an die edlen Spender denken. Vor allem bei Jugendlichen ist es sinnvoller, sie mit einer hübschen Summe in der Tasche selber einkaufen zu lassen, als ihnen mit einem Geschenk jovial von oben herab zu signalisieren: "Ich weiß, was gut für dich ist." Möglich ist ja auch, das Geld bei einem gemeinsamen Einkaufsbummel anzulegen, dann erfährt man etwas voneinander.

Trotzdem tun sich viele Menschen schwer damit, Geld zu schenken. Zum einen ist das Geschenk in seinem Wert klar erkennbar: Zwanzig Euro sind keine vierzig oder hundert. Der Empfangende weiß also genau, wie viel der andere für ihn aufzuwenden bereit ist. Keine Chance, Geiz auf elegante Weise durch ein tolles, teuer wirkendes Schnäppchen zu vertuschen oder tatsächliche Geldknappheit durch nette Art kreativ und überraschend auszugleichen.

Noch wichtiger: Geld zu schenken ist die distanzierteste Form, jemandem eine Freude zu bereiten. Wer Geld schenken soll, scheint als Person mit eigenen Ideen, mit eigener Phantasie und Können nicht mehr gefragt. Der Philosoph Adorno schrieb einmal: "Wirkliches Schenken hatte sein Glück in der Imagination des Glücks des Beschenkten. Es heißt wählen, Zeit aufwenden ... den anderen als Subjekt denken: das Gegenteil von Vergesslichkeit." Aus der Vergangenheitsform, die er 1944 wählte, wird deutlich, dass er die liebevolle, aufmerksame Form des Schenkens schon damals verloren glaubt. Je näher ich mich einem Menschen fühle, je lieber ich ihn habe, desto schwerer fällt es tatsächlich, einfach nur ein paar Scheine in einen Umschlag zu stecken oder sie originell zu verpacken. Schenken ist Beziehungspflege, ist Gestalt gewordene Zuneigung zu einem Menschen. Im Präsent zeigt sich die eigene Präsenz.

An Weihnachten bescheren Christenmenschen einander in der Überzeugung, im Kleinen das zu tun, was Gott im Großen schafft: sich selbst zu geben. Wer schenkt, gleich zu welchem Anlass, gibt immer einen Teil von sich her, gibt eigene Gedanken, Gefühle und Empfindungen für den Beschenkten preis. Das eher nüchterne Geldgeschenk oder die Spende für den guten Zweck kann deshalb ja verbunden werden mit einer kleinen Zusatzgabe, die dem Ideenreichtum der Schenkenden entspringt: eine geistvolle Rede, eine einzige Blume, ein Foto, Gedicht oder Lied, eingelegte süß-saure Kürbisse...Es gibt viele Möglichkeiten, nicht allein Geld zu geben.

Es gibt viele Möglichkeiten, nicht allein Geld zu geben.

Wer aber das Überreichen von Geld prinzipiell nicht mag, der sollte es einfach sagen und so schenken, wie es ihr oder ihm entspricht. Eine gute Beziehung hält das leicht aus. Beide, Geber und Empfänger, spiegeln sich in einem Geschenk, und sie tun das umso beglückender, je mehr Liebe und Achtsamkeit für den Beschenkten, je mehr Freiheit und Freude für den Geber darin steckt.

 

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