Die Theologin Susanne Breit-Keßler
Die Theologin Susanne Breit-Keßler antwortet auf Fragen, die uns bewegen
Monika Höfler
Lange nichts gehört...
Höchste Zeit, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen. Leicht ist das nicht – und es wird schwerer, je länger man damit wartet
02.07.2015

Fünf Jahre ist es her, dass Karin und Jan das letzte Mal miteinander gesprochen haben. Sie hat ihn nicht zur Hochzeit eingeladen, obwohl er ihr Cousin ist. Das hat Jan ihr nie verziehen. „Das Tischtuch ist zerschnitten“, sagte er, und seitdem haben die beiden auch wirklich nie mehr an einem Tisch gesessen. Karin leidet darunter, denn sie hätte ihm gern erklärt, wie es ihr damals ging und warum sie nur im kleinsten Kreis feiern wollte. Sie hängt an Jan, aber sie scheut sich davor, den ersten Schritt zu tun. 

Manchmal hören auch gute Freunden lange nichts mehr voneinander. Sich wieder zu melden, fällt mit der Zeit immer schwerer. Warum das so ist und weshalb man auf jeden Fall über den eigenen Schatten springen sollte, erklärt Susanne Breit-Keßler.

Jutta hat die Diagnose Krebs bekommen. Andrea hat es vor drei Monaten über ein paar Ecken erfahren. Sie wollte gleich anrufen, aber dann kam etwas dazwischen. Nun weiß sie nicht, wie sie die richtigen Worte finden soll. Sicher hat Jutta genügend Menschen, die ihr zur Seite stehen. Oder ist es so, wie das Sprichwort sagt: „Freunde in der Not gehen tausend auf ein Lot“? Mancher macht die bittere Erfahrung, dass er sich auf Freunde nicht verlassen kann, wenn es ernst wird. Braucht Jutta gerade Andrea?

Es fällt schwer, Kontakt zu suchen, wenn lange Zeit verstrichen ist. Wenn es Streit oder Missverständnisse aufzuarbeiten gibt, einer von beiden inzwischen einen Schicksalsschlag hinnehmen musste. Andrea schämt sich vielleicht, weil ihr vieles wichtiger war als die Erkrankung der Freundin. Karin packt Angst, wenn sie daran denkt, dass der Cousin ihr möglicherweise eine richtige Abfuhr erteilt – und dann gar keine Chance mehr auf ein neues Miteinander besteht.

Ein Brief zeigt: Ich nehme mir Zeit - für Dich

Ganz falsch wäre es, die Aussprache weiter zu verschleppen. Denn mit jedem Monat wird es schwerer, eine Brücke zu bauen. Auch nicht hilfreich: sich auszumalen, was alles passieren könnte, wenn man den ersten Schritt tut. Aber wie jetzt? Wie kann man anknüpfen an alte Zeiten und zugleich ernst nehmen, was geschehen ist? Zunächst ist es sinnvoll, in sich selber hineinzuhorchen und sich ohne Druck Rechenschaft zu geben.

###autor### Was hat mich bewegt, mich so zu verhalten, wie ich es getan habe, warum habe ich nicht alle meine Gründe offengelegt, warum habe ich etwas gesagt und anderes verschwiegen, was hindert mich, jetzt über meine Empfindungen zu reden... Wer sich diese Zeit des Nachspürens und Nachdenkens lässt, sieht klarer. Mit solcher Klarsicht empfiehlt es sich, nicht zu simsen oder zu mailen, auch nicht anzurufen, sondern einen schönen, altmodischen Brief mit der Hand zu schreiben.   

So ein Brief zeigt Wertschätzung, versinnbildlicht, wie viel Zeit man sich für den anderen nimmt. Er ist, hoffentlich, wohl überlegt und nicht einfach hingehauen. Und, am wichtigsten, er lässt dem Gegenüber die Chance, sich in aller Ruhe zu der neuen Kontaktaufnahme zu verhalten. Einen Brief kann man nicht so schnell löschen, auch nicht versehentlich. Man nimmt ihn zur Hand, legt ihn weg, nimmt ihn wieder auf. Das hilft, Monate oder Jahre der Distanz zu überwinden.

Wenn es nicht gelingt, miteinander in Verbindung zu kommen, hat man wenigstens alles dafür getan – und muss respektieren, dass der andere keine Nähe mehr wünscht. Das gibt es. Aber viel öfter sind Freude und Erleichterung riesengroß, dass einer den Gesprächsfaden aufnimmt. Alte Herzlichkeit und Vertrautheit, sie brauchen meistens etwas, um wieder ganz da zu sein – vor allem, wenn einem das Herz vor Sorgen schwer ist. Aber alles hat seine Zeit. Auch die Entdeckung, dass man sich nicht verloren, sondern wieder gefunden hat.     
 

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Im Vertrauen, Sie haben so Recht, dass es schwierig ist mit der Wiederaufnahme von Kontakten.
Je schmerzhafter der Bruch ist und die kontaktlose Zeit verbittert, desto
mehr schwindet die Hoffnung.

Die Zeit des Nachspürens und Nachdenkens ist lang, lang genug für den Prozess der Akzeptanz , wenn der Bruch vollzogen ist.

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Besten Dank für den Beitrag von Frau Breit-Keßler, der mich ermutigt eine Brücke zu bauen und die unverstandene Sprachlosigkeit und Funkstille zu einem vor Jahren freudig wiedergefundenen Jugendfreund zu beenden.

Hans Gerster, Meckenheim

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