Monika Höfler
Es geht auch wirklich ganz schnell! Aber ob das stimmt? Da sollte man sich selbst und anderen nichts vormachen
11.12.2013

Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert, heißt es. Also besser sich nichts vornehmen für das neue Jahr, damit es zur Abwechslung himmlisch wird? Wenn ich meinen Kalender anschaue, der schon seit Monaten eine Reihe von Terminen aufweist, dann plane ich lieber doch etwas. Nämlich, mir weder von anderen noch von mir selbst vormachen zu lassen, wie wenig Zeit angeblich ein Gespräch, eine Begegnung oder ein Projekt in Anspruch nimmt.

„Kann ich Sie mal eine Minute sprechen?“, heißt es – und dann dauert es eine halbe Stunde. Ich finde das schwierig. Weil Menschen sich auf diese Weise etwas erschleichen. Sie erschleichen sich Zeit und Aufmerksamkeit. Sie glauben offenbar, dass sie den anderen nur kriegen, wenn sie ihn anschwindeln. „Nur mal kurz . . . “: Da denkt jemand,  der andere würde nicht zuhören, wenn man ehrlich sagt, wie lange man brauchen wird, um sein Anliegen vorzubringen – und macht sich selber unnötig  klein.

Plaudern aus dem Nähkästchen - Tobias Glawion im Gespräch mit Susanne Breit-Keßler

Manchmal merken Menschen auch gar nicht, dass schon so viel Zeit verstrichen ist. Sie haben kein Gefühl für sich und andere. Mir wird immer angst und bange, wenn jemand sagt, „lassen Sie mich kurz“ oder „um der Kürze der Zeit willen möchte ich nur . . . “. Mit diesen Phrasen ist schon ein Teil der Zeit vertan, und ich befürchte meist zu Recht Schlimmes. Wer mit Hinweisen darauf beginnt, dass er sicher gleich fertig ist, braucht bestimmt länger als andere.

Lassen sie mich kurz - da befürchte ich schon das Schlimmste

Dabei wird doch jeder erst dann ungeduldig, wenn die an­gekündigte Zeit längst verstrichen und der Gesprächspartner ­immer noch nicht bei des Pudels Kern angelangt ist. Im neuen Jahr ist es gut, gleich klarzumachen: Du bist mir wichtig, ich will von Ihnen etwas erfahren – und dafür habe ich die nötige Zeit. Oder wir warten, bis ich sie habe. Solche Gelassenheit ist nötig, denn manchmal erweckt der gefragte Mensch durch große Geschäftigkeit den Eindruck, sich für nichts und niemanden mehr echt zu interessieren.

Aber es gibt kaum etwas Beglückenderes, als sich wirklich Zeit füreinander zu nehmen, einander zuzuhören, zu sehen, welche Gesten der andere macht, auf seine Mimik zu achten – alles, ­um ihn oder sie wirklich gut zu verstehen. Zwischen Tür und Angel geht das nicht. Da wirft man sich die Sprachbrocken nur so hin und jeder mag zusehen, wie er aus den Bruchstücken etwas Ganzes macht.

Genau hinsehen, dann weiß ich auch, wieviel Zeit ich wirklich für was brauche

Für mich selber nehme ich mir vor, genau hinzuschauen: Wie viel praktische und innerliche Vorbereitung brauche ich für meine Arbeit, ein Treffen, für das Familienfest, für den Krankenbesuch? Nicht alles macht sich mit links. Wo meine ganze Wachsamkeit, meine Empathie gefordert sind, muss und will ich mich einstimmen. Was genauso wichtig ist: Später will ich bedenken, dem nachzugehen, was ich erlebt habe. Mir begegnen viele Menschen, wir reden miteinander über Gott und die Welt, über uns selbst.

Das muss verarbeitet, in Kopf, Herz und Seele aufbewahrt  und auch mal ad acta gelegt werden. Zeit im neuen Jahr – ich brauche davon auch etwas für mich ganz allein. Sonst kann ich mich nicht freuen wie ein Schneekönig, wenn ich meine Freundin wieder­sehe, oder wirklich traurig sein, weil ein Kollege schwer krank ist. Ich brauche Zeit, damit ich weiß, was ich will, und merke, wenn ich mich getäuscht habe. Nur wenn ich richtig mit Zeit umgehen kann, weiß ich, ob ich sie verliere und wann ich sie gewinne.

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