Foto: Elias Hassos
Einen Korb zu geben ist heikel. Aber eine Kontaktanfrage bei Facebook ist etwas anderes als ein persönlicher Antrag
15.12.2011

Es gibt peinliche Erinnerungen. Ich denke an einen liebenswerten Jungen, der mich als Fünfzehnjährige sehr mochte. Anfangs fand ich ihn toll, vor allem weil er meinen Geometriekenntnissen so geschickt auf die Sprünge half. Aber meine Begeisterung legte sich aus unerfindlichen Gründen. Ich ging ihm aus dem Weg. Er schrieb Briefe, spazierte in der Nähe unserer Wohnung herum und versuchte alles, um mir nahe zu sein. ­Irgendwann gab er auf. Meine kalte Schulter zeigte Wirkung – ohne Worte.

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Viele Jahre später habe ich mich geniert, weil ich Michael, so hieß er, einfach hatte links liegen lassen. Jungen Leuten und Erwachsenen heute geht es offenbar nicht besser: Sie wissen nicht, wie man einen Korb richtig gibt. Selbst weltberühmte Tennis­profis wie Boris Becker müssen sich per SMS ins Aus schicken lassen. Die Deutsche Knigge Gesellschaft findet das in Ordnung. Ihrer Auffassung nach kann man den Partner ruhig elektronisch ablegen. Handy oder kurzer Brief, das ist demnach gleich. 

Wer sind eigentlich die echten Freunde?

SMS und E-Mails sind Medien, mit denen man ruck, zuck eine Beziehung beenden kann. Da spart man sich die persönliche Begegnung und muss nicht lange nach Worten suchen. Ein Gespräch ist nicht immer angenehm – zum Beispiel wenn der Trennung nervige Streitereien vorangegangen sind. Der Verzicht auf weiteren Kontakt ist manchmal auch deswegen leichter, weil man sich beim Abschied nicht mehr ins Gesicht schauen muss.  

Trotzdem: Die ehrlichste Art, jemandem zu sagen, dass die ­Liebe ein Ende oder keinen Anfang hat, ist, es persönlich zu tun – dem anderen direkt mitzuteilen, dass etwas vorüber ist oder erst gar keine Chance auf einen Beginn hat. Das beweist Charakterstärke, persönliche Größe und die Fähigkeit, mit anderen Menschen anständig umzugehen. Kennt man die andere Person näher, dann hat sie eine klare und offene Begründung verdient, warum sie einen Korb bekommt. Gleich, wie schwer das fällt.

Wenn einen allerdings jemand per SMS, in Facebook oder einem anderen der „social media“ um Kontakt gebeten hat, sollte man gelassen auf demselben Weg den Korb überreichen. Da braucht es keine großen Begründungen – im Gegenteil. Je deutlicher man wird, desto aggressiver fällt manchmal die Reaktion aus. Elektronische Medien vermitteln das Gefühl, man könnte sich alles und jeden jederzeit verfügbar machen. Wie kann es also sein, dass jemand dem Werben nicht sofort nachgibt?

Es gibt keine Verpflichtung

Es gibt keine Verpflichtung, Freundschaftsanfragen oder Bitten um Treffen zu entsprechen. Noch nicht einmal wenn Kollege, Chef oder Erbtante das wollen. Wenn man nicht mag, dann mag man nicht – oder braucht einfach Zeit, um zu prüfen, mit wem man näher in Beziehung treten möchte. Man sollte sich niemals unter Druck setzen oder gar von Drohungen einschüchtern lassen, bloß weil man nicht wie erwartet reagiert. Am besten ist es sowieso, sich nicht allen möglichen Kontakten auszusetzen und selbst zum Objekt der Begierde zu machen.

Aber wenn man schon munter im Internet kommuniziert, dann sollte man Absagen formulieren können. Sie dürfen kurz sein, knapp, aber fair und respektvoll. Es hilft, sich vorzustellen, wie man selbst behandelt werden möchte. Klare Worte, behutsam. Irgendwann habe ich angefangen, Michael und seiner Familie Weihnachtskarten zu schreiben. Er hat geantwortet und bei besonderen Gelegenheiten meines Lebens seinen warmherzigen Kommentar geschickt. Aus so viel Großzügigkeit kann man nur lernen.

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