Die Theologin Susanne Breit-Keßler
Die Theologin Susanne Breit-Keßler antwortet auf Fragen, die uns bewegen
Monika Höfler
Der arme Alexander
Alles dreht sich um ihn, immer. Er hat es aber auch schwer! Und seine Freunde hat er ganz schön an der Angel . . .
27.07.2015

„Kommt Alexander heute?“, fragt Sabine besorgt. Die Freunde sitzen nach der Arbeit zusammen. „Er muss noch seine Mutter im Altenheim besuchen“, sagt Petra. „Ich glaube, er hat auch einen Termin beim Kardiologen – in letzter Zeit plagt ihn Herzrasen.“ – „Sein Chef scheint ihn ziemlich zu belasten“, meint Werner. Alexander und seine Kümmernisse beschäftigen alle sehr. Als er kommt, machen sie sich noch mehr Gedanken: Er hat Probleme mit dem Vermieter, und eine Geldanlage bringt nur Verlust. Spätabends gehen die Freunde auseinander – voller Mitgefühl für den armen Kerl.

Susanne Breit-Keßler antwortet auf Fragen, die uns bewegen. Diesmal: Was mache ich, wenn eine einzelne Person mein ganzes Leben in Beschlag nimmt?

Es gibt Menschen, von denen man sich Tag und Nacht einspannen lässt. Sie rufen einen während der Arbeit an, schreiben am Wochenende dringliche Mails, schicken eine SMS nach der anderen und klingeln um 23 Uhr an, weil sie Liebeskummer haben. Das muss natürlich alles möglich sein. Jeder Mensch braucht Freunde, die einem beistehen. Die anpacken, zuhören, notfalls auch stundenlang.  

Regine etwa hilft bei jedem Umzug. Wenn sie etwas in die Hand nimmt, kann man sich getrost zurücklehnen. Laura ist die erste Adresse, wenn man besprechen will, was im eigenen ­Leben mal wieder anders werden muss. Heilpraktiker Richard löst schlimms­te seelische Verspannungen mit Herz und Hand. Mit Lars darf man jedes Eheproblem diskutieren. Schwierig wird es, wenn einer immer allein im Mittelpunkt steht. Wenn alle sich nur noch um eine einzige Person kümmern, die Zeit und Energie vollkommen für sich in Anspruch nimmt.

Normal ist auch schön

Die Ewigkeit ist in mein Herz gelegt

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So ein Mensch dominiert sogar in Abwesenheit Gesprächsthemen und Stimmung. Man verliert jede Unbekümmertheit, macht sich Gedanken ohne Ende, redet noch über ihn, wenn er längst weg ist. Man bemüht sich um die Familie des Sorgen­kindes, plant seine Erholungsurlaube, überlegt sich, wie man seine finanziellen Defizite ausgleichen könnte. Man sucht nach den besten Therapeutinnen. Ein ganzes Heer von Helfenden ist unterwegs, um einem einzigen Menschen beizustehen. Das kann für eine Zeit richtig und wichtig sein. Und natürlich braucht mancher sein Leben lang solche Unterstützung.

Aber manchmal hat man das dumpfe Gefühl: Der andere, den man da mit vereinten Kräften betüddelt, findet das nicht schlecht. Im Gegenteil: Er aalt sich in der allgemeinen Aufmerksamkeit und zieht Nutzen aus der Fixierung auf ihn und seine Probleme. Dann wird es höchste Zeit, Grenzen zu ziehen und die Verantwortung für sein Leben an den Betreffenden zurückzugeben. Zum einen hat man sonst auf Dauer keine Energie mehr für das, was man selber zu stemmen hat – und statt der Fröhlichkeit, aus der man sonst neue Kraft schöpft, kehrt eine Art Dauerdüsternis ein. 

Außerdem: Ein Mensch wie Alexander, der sich ständig ­helfen und beraten lässt, wird unselbstständig – und kann ­irgendwann überhaupt nicht mehr selber entscheiden, was zu tun ist. Er wird handlungsunfähig – genau das Gegenteil von dem, was Helfende eigentlich wollen sollten. Der, der mit seinen Nöten im Zentrum des Geschehens ist, gewöhnt sich möglicherweise daran – und produziert unbewusst vielleicht neue Sorgen, um nur ja nicht die ganze Zuwendung zu verlieren. Kennt man so jemanden, dann kann man ihm deutlich machen, dass er einem immer lieb und wert ist – selbst wenn mal gar nichts Besonderes los ist. Normal ist auch schön.

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Aus meiner alten Erfahrung als Sozialarbeiter (i.R.) und meinen jetzigen Efahrungen als Teilnehmer an Selbsthilfegruppen (z.B. „Angst, Panik, Depressionen“) kann ich nur bestätigen, dass sich sehr viele Leidende in der Aufmerksamkeit ihrer Umwelt aalen. Sie ziehen aus ihrem Leiden den sogenannten Leidensgewinn. Das ist das Mitgefühl ihrer Umwelt. Die Folge: dem Leidenden fehlt der erforderliche Leidensdruck. Er unternimmt zu wenig gegen sein Leiden.

Ebenso ist richtig, dass Betüttelei den Betüttelten sehr schnell unselbständig macht. Das wird oft übersehen. Im Englischen gibt es dasselbe Wort für „verwöhnen“ und „verderben“ („to spoil“).

Außerdem wird mit Recht darauf hingewiesen, dass die Betüttelei den Betütteler sehr viel Kraft kostet. Wenn sie fehlt, kann man nicht mehr helfen. Am Ende ist man völlig erschöpft: ausgebrannt (burned out).

Gerd Rohde

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Ich glaube das es anstrengend ist wenn sich alles nur um die Person dreht..
Man muss auch mal die Sicht von der betroffenen Person sehen wie er sich fühlt, wenn er weiß das alle nur noch von ihnen Reden...
Mich zum Beispiel stört das mächtig wenn andere sich nur Gedanken und Rede Themen über uns machen ..
Wobei ich manchmal denke wo ist die versteckte Kamera.. weil ich es nicht sehen kann das andere Menschen mir nur gutes wollen..
Ich weiß ja nicht Mal warum mein Leben für andere so interessant ist..!
Finde es sehr interessant so was Mal zu lesen..
Mit freundlichen Grüßen

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