15.11.2010

"Nee", sagt die aparte Mittvierzigerin. "Ich nehme lieber das Flanellnachthemd für den Urlaub. Das wärmt wenigstens."

Ihre Freundin zuckt bedauernd mit den Schultern. "Schade", meint sie. "Das schwarze mit den Spitzen steht dir so gut! Dein Mann hätte es bestimmt toll gefunden! " Die andere lacht: "Was soll's - wir sind 15 Jahre verheiratet. Da braucht es so etwas nicht mehr." Schon richtig: Die Vitalität einer Partnerschaft hängt nicht an tiefen Ausschnitten oder sexy Männershorts. Aber wer es umgekehrt für den Höhepunkt des Wochenendes hält, dem anderen in gerippten Unterhemden, ungewaschenen Haaren oder ausgeleierten Jogginghosen vor die Augen zu treten, muss sich nicht wundern, wenn die ehemalige Anziehungskraft langsam dahinschwindet.

Es gibt noch mehr solcher "Beziehungssünden": Jeden Abend nebeneinander auf dem Sofa vor dem Fernseher zu versacken, gemeinsames Essen zu vernachlässigen, nicht mal mehr aufzustehen, wenn der andere die Wohnung betritt, sich nur noch beiläufig zu verabschieden ... Denn es braucht zärtliche Mühe, damit das Feuer der Leidenschaft auch nach Jahrzehnten noch brennt, immer wieder aufflackert - oder seine Glut wenigstens neu zu entfachen ist. Wie wäre es zum Beispiel, sich ab und zu mit dem eigenen Mann, der eigenen Frau zu verabreden - in einer Bar, einem Café, einem kleinen, feinen Restaurant? Man kann sich unabhängig voneinander schick machen und getrennt aus dem Haus gehen- um sich gespannt, vielleicht mit klopfendem Herzen, zu begegnen.

Prickelnd kann eine überraschende Wochenendreise sein, in eine Stadt wie Paris, in der man noch nie war, von der man aber schon lange träumt. Wenn es nicht so weit oder preiswerter sein soll, ist auch eine Übernachtung in der eigenen Stadt oder ganz in der Nähe belebend: Hauptsache, man trifft wieder einmal fernab der eigenen vier Wände, losgelöst vom Alltag aufeinander. Manch einer entdeckt die Freude am Partner, der Partnerin neu bei einem Ausflug mit Decke und köstlich gefülltem Picknickkorb. Oder auf einem Schneespaziergang im Mondschein, eng aneinander gekuschelt und mit Blick auf die Wintersterne. Was auch immer man tut, um der Liebe wieder richtige Schwingen zu verleihen - man sollte sich richtig viel Zeit dafür nehmen.

Jede Möglichkeit, die der Liebe eine Frischekur verpasst, sollte man nutzen

Ein Rock-'n'-Roll-Kurs, Theaterabo, kein Solo vor dem Computer, sondern ausgelassene Spielenachmittage, das gegenseitige Vorlesen von Gedichten: Jede Möglichkeit, die der Liebe eine Frischekur verpasst, sollte man nutzen - auch übermütige wie ein gemeinsames Schaumbad im Kerzenschein. Die Liebe zwischen zwei Menschen wird nicht zwangsläufig immer matter. Denn eigentlich ist "Liebe stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn", wie es im sinnlichsten Buch der Bibel heißt (Hohes Lied 8,6). Bewegend zu beobachten ist diese Wahrheit oft bei Menschen, die in ihre Partnerschaft schwere, chronische Krankheit, Behinderung oder zunehmendes Alter integrieren müssen.

Sie schaffen es auf oft beeindruckende Weise, zärtlich miteinander umzugehen und auch der Erotik ihren von Gott gegebenen Platz einzuräumen - vielleicht, weil sie besser als andere wissen, wie verletzlich, und damit wie unendlich kostbar ihre Zuneigung ist. "Deine Liebe ist lieblicher als Wein", schwärmt eine Frau ebenfalls im Hohen Lied. Wahrscheinlich auch wärmer als jedes Flanellhemd. Es lohnt sich unbedingt, mit Lust und Liebe daran zu gehen, den wunderbaren Menschen an der eigenen Seite wieder zu entdecken. 

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