Tim Wegner
16.05.2011

In Berlin findet am 1. Juli die lange Nacht des bedingungslosen Grund­einkommens statt. Das ist nicht nur ein sehr langes Wort, sondern auch eine von sehr vielen sehr langen Nächten. Es gibt nämlich auch noch die lange Nacht der Raumfahrt, der Computerspiele, der Weiterbildung, der Überwachung, der Museen, der Industrie, der Theater, der Zoos, der Oper und der Ohren. Ja, der Ohren. Ein Shuttlebus fährt alles, was Ohren hat, zwischen 17 und 24 Uhr zu den unterschiedlichsten Berliner Geschäften der „Hi-End-Akustik“. Warum machen die das nicht tagsüber, wo Berlin doch ohnehin die Stadt mit den meisten verkaufsoffenen Sonntagen ist? Und warum gibt es nicht auch noch die lange Nacht der Augen, des Blinddarms und der Schilddrüse? Und des steuerfreien Spitzeneinkommens? Weil das Jahr nur 365 Nächte hat?

Die lange Nacht des Schlafes? Ist leider nicht dabei!

Die lange Nacht des Schlafes ist leider gar nicht im Programm. Dabei wäre es ja gerade für die Ohren total gut, wenn sie mal Ruhe hätten. Aber Ruhe gibt’s nicht, seit jede drittklassige Marketingagentur ihren Kunden eine lange Nacht aufschwätzt. Man mag es in Einzelfällen verstehen, dass Dinos „Nachts im Museum“ effektiver gruseln und Fledermäuse im Zoo erst nach Einbruch der Dunkelheit ihren Charme entfalten. Aber welchen Sinn hat es, bei der „Langen Nacht der Weiterbildung“ am 11. Juni um 22.45 Uhr den Vortrag über „Die menschliche Stimme als Trägerin von Informa­tion und Persönlichkeit“ anzuhören? Ende der Weiterbildung um 23.30 Uhr. Cccchhrrr. Danach gibt’s hoffentlich der Herr den Seinen im Schlaf.


Aber der Herr, der ist jetzt auch nachts im Dienst, seit die Kirchen sich an der organisierten Bettflucht beteiligen. Zwar wundert man sich oft tagsüber, wenn man vor verschlossenen Kirchentüren steht. Kein Geld, kein Personal. Aber für die „Lange Nacht der Kirchen“ scheint kein Euro zu schade. Was da genau passiert? Eine „Begegnung mit den Räumen, mit den Kunstwerken, mit sich selbst und vielleicht auch mit Gott“, so das Erzbistum Köln. Mit Gott. Vielleicht. Vielleicht schläft der aber auch schon um die Zeit. Weil – der hat ja auch viel um die Ohren.

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Die Nacht der langen Ohren? Seltsam. :-|

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