21.03.2013

Stellvertretende chrismon-Chefredakteurin Ursula Ott
Das fehlt gerade noch. Im Konzertsaal, schlägt der Sozialwissenschaftler Andreas ­Wagener vor, sollten künftig „Snacks und Drinks“ gereicht werden. Damit kriege man erstens die Jüngeren zur Klassik. Und zweitens werde dann weniger gehustet im Saal.

Nun wird jeder Arzt bestätigen, dass ein normal ernährter Mitteleuropäer ohne Mangelerscheinungen 90 Minuten Mozart überstehen kann. Auch die Jungen. Stimmt, im Wachstum essen sie viel. Locker können sie samstagabends die Kühlschrankvorräte vernichten, die man für eine Woche eingekauft hatte. Andererseits – sie überstehen auch die Führerscheinprüfung und den Drei-Stunden-Upload ihres YouTube-­Videos ohne Imbiss. Warum nicht ein Konzert? Weil wir ihnen schon als Kleinkindern pausenlos krümelige Reiswaffeln in den zahnlosen Mund ge­schoben haben? Gerne auch im Gottesdienst, bei der Karnevalssitzung und, ja, im Konzert?

Schön ist das alles nicht

Immer und überall essen und trinken – nein, das ist nicht nur eine schlechte Angewohnheit der Coffee-­­to-go-Generation. Es sind auch mittelalte Männer, die neuerdings im ICE ihr stark nach Glutamat riechendes Thaigericht im Großraumwagen zu sich nehmen, anstatt in den Speisewagen zu gehen. Es sind ­ältere Damen, die bei der Podiumsdiskussion zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr pausen­los an ihren Wasserflaschen nuckeln, als robb­ten sie höchstpersönlich bei Mazar-e Sharif durch die Hitze. Schön ist das alles nicht.

Spätestens seit Richard Sennetts „Tyrannei der Intimität“ wissen wir: Es macht das Leben nicht eleganter, wenn wir unsere privaten Bedürfnisse permanent in den öffentlichen Raum verlagern. Blöd genug, dass Frauen sich ständig die Hände eincremen und die Lippen fetten. Jetzt auch noch essen und trinken im Konzert? Wie wärs mit: schminken ­vorher, trinken nachher? Und husten am besten daheim, mit Bronchialtee vorm Fernseher. Kann auch schön sein.

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