Evelyn Dragan
20.10.2010

Was geht da schleichend vor sich? Offenbar haben wir uns daran gewöhnt, dass in Guantanamo seit Jahren Menschen ohne die fundamentalen Rechte, die Gefangenen in einem Rechtsstaat zustehen, inhaftiert sind -­ und das im Namen eines Landes, dass sich die Menschenrechte auf die Fahnen geschrieben hat. Es folgten die Bilder aus Abu Ghraib, die immerhin zu einem Aufschrei in der Welt führten. Und nun Berichte von der Existenz geheimer Lager in Osteuropa und von Zwischenlandungen von Flugzeugen bei uns, in denen die CIA Gefangene dorthin transportierte. Zudem besteht der Verdacht, dass Beamte des Bundeskriminalamtes im Libanon in einem Raum warteten, während Gefangene im Nebenzimmer gefoltert wurden, um an Informationen zu gelangen.

Es scheint, als würde im so genannten Krieg gegen den Terror ausgehebelt, was westliche Demokratien bisher als Grundsatz vertreten haben: Die Würde des Menschen ist unantastbar! Wird nicht Folter salonfähig, wenn der Bundesinnenminister erklärt, es müssten im Kampf gegen Terroristen auch Erkenntnisse berücksichtigt werden, bei denen unsicher ist, ob sie "unter vollkommen rechtsstaatlichen Bedingungen" erlangt wurden? Ein bisschen Folter aber gibt es nicht.

Ein Verrat an den Idealen demokratischer Verfassungen

Ja, wir wissen, dass Menschen fehlbar sind. Der einzelne Mensch mag ethisch nicht legitimiert handeln ­ damit lädt er Schuld auf sich, die vor Gott und den Menschen zu verantworten ist. Staatlich legitimierte, womöglich gar durch eine Befehlskette vermittelte Folter aber steht in radikalem Gegensatz zu den Werten, auf denen Demokratie aufbaut. Jeder Versuch, Folter auch nur ansatzweise rechtfertigen zu wollen, ist für mich ein Verrat an den Idealen demokratischer Verfassungen, die ich auch auf das christliche Menschenbild zurückführe.

Für Christinnen und Christen gilt die Gottebenbildlichkeit jedes Menschen. Für sie gilt der Ruf nach Gewaltfreiheit. Das mögen manche naiv nennen. Aber wir können doch nicht glaubwürdig mit unserer Kultur im Namen der Freiheit, der Menschenwürde und der Gerechtigkeit in den aktuellen Auseinandersetzungen antreten, wenn wir solch tiefe und gezielte Demütigungen auf irgendeine Art und Weise tolerieren würden. Wir können Terror nur verurteilen, wenn wir klar und entschlossen zu diesen Werten stehen. Folter ist grundsätzlich, absolut, ohne jede Einschränkung inakzeptabel!

Das Recht endet nicht an unseren Staatsgrenzen

Eine klare Verurteilung nicht nur der kleinen Leute, sondern in der Tat der Verantwortlichen, eine offene Aufklärung, Zugang zu den US-Gefängnissen, auch in Guantanamo, Akzeptanz des internationalen Strafgerichtshofes für alle Soldatinnen und Soldaten und ein kritischer Blick auf die Gefängnisse auch im eigenen Land sind dringend notwendig. Es ist die grausame Wahrheit, dass Krieg immer Folter, Demütigung und auch Vergewaltigung im Schlepptau führt. Insofern gilt es, Krieg zu verhindern, die Polizeifunktion und damit ein internationales Gewaltmonopol der UN auszubauen und da wachsam hinzuschauen, wo Soldatinnen und Soldaten demokratischer Staaten out of area Dienst tun. Das ist kein Misstrauen, sondern eine Frage der Menschenwürde ­ bei den Beteiligten auf allen Seiten. Das Recht endet doch nicht an unseren Staatsgrenzen. Und die Menschenwürde auch nicht. 

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