Wasserdampf steigt aus dem Kühltum des Kernkraftwerks Isar 2 auf. Laut Atomgesetz soll das Kraftwerk am 15. April endgültig abgeschaltet werden
Wasserdampf steigt aus dem Kühltum des Kernkraftwerks Isar 2 auf. Laut Atomgesetz soll das Kraftwerk am 15. April endgültig abgeschaltet werden
Armin Weigel/dpa/picture alliance
Ein Ende als Neuanfang
Samstag ist Schluss mit dem Atomstrom. Manche feiern, andere trauern um ihr Lebenswerk. Gefragt ist nun konstruktiver Streit um den Strom der Zukunft. Ein Kommentar von Nils Husmann.
Tim Wegner
14.04.2023

Wenn morgen die Atomkraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 vom Netz genommen werden, endet in Deutschland eine Ära. 1961 lieferte das erste deutsche Atomkraftwerk in Kahl am Main Strom. Es war ein Versuchskraftwerk mit einer Leistung von 15 Megawatt (so viel schaffen heute drei moderne Windenergieanlagen). Mehr als 60 Jahre ist das her. Zu Spitzenzeiten lieferten die Kernkraftwerke in Deutschland etwa ein Drittel des Stroms, zuletzt lag der Anteil des Atomstroms bei sechs Prozent.

Tim Wegner

Nils Husmann

Nils Husmann ist Redakteur und interessiert sich besonders für die Themen Umwelt, Klimakrise und Energiewende. Er studierte Politikwissenschaft und Journalistik an der Uni Leipzig und in Växjö, Schweden. Nach dem Volontariat 2003 bis 2005 bei der "Leipziger Volkszeitung" kam er zu chrismon.

Das endgültige Aus für den Atomstrom triggert alte Reflexe: Einige feiern ihr Lebenswerk - das Ende der Atomkraft. Generationen hat der Kampf gegen Atommeiler, Atommülltransporte oder die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf politisiert, auch in den Kirchen.

Die Befürworter der Atomenergie dagegen trauern um ihr Lebenswerk. Auch die FDP mag nicht loslassen von der Atomkraft. Der Streit dürfte in einigen Wochen vergessen sein und nur aufflackern, wenn die Standortsuche für ein Endlager weitergeht. Denn irgendwo muss er ja hin, der noch für Tausende Jahre tödliche Atommüll.

Der morgige Samstag kann eine Chance sein. Die Menschen wollen wissen, woher der Strom in Zukunft kommen soll. Es reicht nicht, ständig zu wiederholen, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral werden soll. Es geht um das ganz konkrete Wie. Und Strom wird immer wichtiger.

Wir werden weniger Energie gewinnen, indem wir Kohle, Öl und Gas verbrennen. Dafür werden wir mit Hilfe von Strom heizen (Wärmepumpen laufen nicht von selbst) und mobil sein. Die Elektroautos drängen auf den Markt. "Electrify everything" - alles wird elektrisch. Das bedeutet nicht, dass unser Energiebedarf insgesamt größer werden muss. Er ist schon groß, ja viel zu riesig. Aber der Hunger nach Strom wird wachsen. Woher soll er kommen?

Mit den Atommeilern geht ein Stück der zentralistischen Energiegeschichte zu Ende. Zentralistisch heißt: Energie entsteht weit entfernt von den Verbraucherinnen und Verbrauchern, die sie nutzen. Im Falle der Atomkraft war das eine bewusste Entscheidung, denn auch vor 60 Jahren war den Verantwortlichen klar, dass ein atomarer Unfall in einem Ballungsraum verheerende Folgen haben könnte. Die zentralistische Energiegewinnung lebt noch fort in großen Kohlekraftwerken, aber auch ihr Ende ist besiegelt - und wird sich mit steigenden C02-Preisen noch beschleunigen.

Strom entsteht dort, wo Menschen leben

An die Stelle großer Kraftwerke treten dezentrale Einheiten, vor allem Wind- und Sonnenenergie werden noch wichtiger werden. Bereits heute liefern die erneuerbaren Energien etwa die Hälfte des Stroms. Strom aus Wind und Sonne ist günstig. Und besonders im Falle der Photovoltaik entsteht der Strom dort, wo Menschen leben und ihn verbrauchen - auf den Dächern.

Wir steuern auf ein komplett neues Energiesystem zu. Diese Aufgabe ist nicht trivial und steckt zugleich voller Chancen. Viele Bürgerinnen und Bürger sind schon weiter als die Politik: Plötzlich gibt es spannende Debatten um Detailfragen, die noch vor Monaten nur ein Fachpublikum interessierten.

Beispiele sind die Wärmepumpen, die Öl- und Gasheizungen ersetzen sollen. Oder synthetische Kraftstoffe, die mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt werden sollen. Es ist gut, dass viele Menschen nun danach fragen und mitreden, denn ohne Energie geht nichts.

Statt der Atomkraft nachzutrauern, muss die Politik den Menschen nun möglichst schnell darlegen, wie es in Zukunft gehen soll. Damit wir alle um die beste Lösungen, etwa bei den Stromspeichern, konstruktiv ringen können. Wenn der 15. April der Startpunkt dafür würde, könnte er als ein richtig guter Tag in Erinnerung bleiben.

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Und was ist, wenn trotz aller Euphorie das Undenkbare geschieht? Wenn es eine Dunkelflaute gibt und Systeme abstürzen, weil alle Klimaanlagen den Strom absaugen und die Wallboxen überlastet sind? Dann wird die Küche kalt. Es stimmt, diese Gefahren gab es bisher auch schon. Sie wurden bewältigt mit den letzen Sicherungen aus Import und uns. AKWs. Aber eine Sicherheit zu wenig und "der Teufel" steckt im Detail. Dann ist es niemand gewesen. Hoffentlich passiert sowas nicht während unserer Verantwortuung. Unsere Spezies seit ca. 200.000 Jahren. Ob 2 Mio. mehr, ist unerheblich. Zivilisation seit ca. 12.000 Jahren. Und wir wollen 1 Mio. Jahre Atomendlagerzeit. Noch nie von den Religionen gehört, wie lange sie denn noch dabei sein wollen. Es wird alles unübersichtlicher. FATAL, FATALISTISCH, Wer hat das so "erschaffen?"

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Zitat: "Gefragt ist nun konstruktiver Streit um den Strom der Zukunft". Vermutlich ist das Atom, wenn gepflegt, das geringste Risiko. Das Atom hat keine Wirkung auf das Klima. Allenfalls eine passiv gute. Das Atom birgt Gefahren. Sind sie bedrohlicher als Klima, Mangel und Zahl der Menschen? Was einige Euphoriker immer noch nicht akzeptieren wollen, Physik und Mathematik haben Grenzen und die Phantasie hat keine. Zum Glück kann sich die Phantasie nicht verantworten. Religion und Phantasie sind nah beieinander, oder bedingen sich gegenseitig. Aber mit den Zutaten von Phantasie und schönen Wünschen lässt sich kein Brot backen. Der Strom der Zukunft wird von der Physik bestimmt. Auch wenn wir genügend Energie hätten, wird uns auch die Physik eines Tages beweisen, wo sich das Ende andeutet. Jede Quelle (Rohstoffe) versiegt, wenn sie irreparabel geplündert wird. Kohle und Öl brauchen Jahrmillionen um ungestört neu gebildet zu werden. In 40 bis 150 Jahren (Straßen, Brücken, Häuser, Versorgungsleitungen, Maschinen, Werkzeuge) muss für jetzt 8 und dann 10 Milliarden! die weltweite Infrastruktur ersetzt werden. Alle Kunststoffe fallen dem UV-Licht und der Witterung zum Opfer. Der Rost nagt an allen Ecken. Nur wenig, tief im Inneren versteckt, ist etwas länger intakt. Jeder Beton bröckelt. Wo ist die Stimme, die diese Gefahren nennt? Woher sollen die Unmengen von Kies, Sand, Metallen und Kohlenstoffträger herkommen. mit denen die Herrlichkeiten wieder hergestellt werden können? Land auf Land ab keine Antwort. Wer bestimmt die Werte, die notwendig sind, um diesen Prozess menschenwürdig zu begleiten? Wer wird schneller sein? Das misshandelte Natur-Klima oder der Mangel an Rohstoffen? Das Problem kennen alle. Warum wird geschwiegen oder, wie schon schamhaft gehört, hilflos auf die unendliche Güte Gottes als letzten Rettungsanker verwiesen? Eine verantwortungslose Verweigerung derjenigen, die sonst doch auch für alle Gelegenheiten Antworten versprechen.

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Lese ich richtig? C O 2 ? Wenn alles auf Dauer machbar sein soll, warum nicht das böse CO2 aus der Luft holen, in Cohlenstoff (Rohstoff für alle Kunststoffe) und Sauerstoff (zum Tauchen) trennen, und das Problem ist gelöst. Denn schliesslich geht ja nach Einstein nichts verloren und wird lediglich per Transformation in Energie umgewandelt, und die suchen wir doch händeringend. Wenn doch alles so einfach wäre, wie aus vielen unbefleckten Beiträgen zu BIO, KLIMA, GESUNDHEIT, bis zur Rettung von Städten über die richtige Balkonkultur herauszulesen oder zu denken ist. Der Einfalt tiefster Sinn ist, dem Unsinn Glauben zu schenken. In allen Zeitungen nachzulesen. Morgen kommt Herr "Hunger" und will eine Antwort. "Die Guten" werden k-eine haben. Zu kompliziert? Für Wunschdenker nicht. Zitat: ".. muss die Politik den Menschen nun möglichst schnell darlegen, wie es in Zukunft gehen soll...". Da fällt mir nichts mehr ein.

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