Anna Brüggemann im Interview
"Arbeit ist die wärmste Jacke"
Schreiben tut ihr gut, sagt Schauspielerin und Autorin Anna Brüggemann. Doch man sollte dabei nicht das Leben vergessen
Schauspielerin und Autorin Anna Brüggemann arbeitet gerne, lebt aber noch lieber
Schauspielerin und Autorin Anna Brüggemann arbeitet gerne, lebt aber noch lieber
Dirk von Nayhauß
Dirk von Nayhauß
07.03.2023
3Min

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Bei sogenanntem irischen Wetter: Wind, Wolken, blauer Himmel. Und im Spätsommer, wenn er die Luft anhält und gleichzeitig die Vögel ziehen, wenn man weiß, das hört bald alles auf – das finde ich schön. Mit meinen Kindern fühle ich mich lebendig. Immer, jeden Tag. Natürlich bin auch ich mal genervt und froh, in Ruhe arbeiten zu können. Aber es ist ein Geschenk, das eigene Kind aufwachsen zu sehen – es gibt so viele Hindernisse, wie das schiefgehen kann.

Haben Sie eine Vorstellung von Gott?

Man kann alles, was in der Welt passiert, durch das Vorhandensein oder Fehlen von Liebe erklären. Daher habe ich eher die vage Vorstellung von einer liebenden Kraft. Viele Menschen glauben an Gott, wenn sie Bach hören, so geht es auch mir. Und wenn ich mit meiner Zwillingsschwester zusammen bin, sie besitzt diese liebende Kraft. Meine Schwester ist seit ihrer Geburt spastisch behindert. Sie hat eine tiefe und humorvolle Verbindung zur Ewigkeit, der Lärm der Welt spielt für sie keine Rolle. Erzähle ich ihr etwas, das mich gestresst hat, lacht sie und ruft ironisch: "Ach, du Arme" – und dann ist es weg. Sie hat eine wahnsinnige Fähigkeit, das Schöne zu sehen, das hat sie mehr als alle anderen.

Anna BrüggemannDirk von Nayhauß

Anna Brüggemann

Anna Brüggemann, geboren 1981, ist Schauspielerin und Autorin. Man kennt sie aus Hauptrollen in Komödien wie Arthouse-Filmen. Zusammen mit ihrem Bruder Dietrich Brüggemann schrieb sie die Drehbücher zu "Renn, wenn du kannst", "3 Zimmer/Küche/Bad" und "Nö". Mit "Kreuzweg" gewann sie den Silbernen Bären für das beste Drehbuch. 2018 initiierte Anna Brüggemann auf der Berlinale die Aktion "Nobody’s Doll" - ein Protest gegen die Hohe-Schuhe-enge-Kleider-Ordnung auf dem roten Teppich. 2021 erhielt sie für "Trennungsroman" (Ullstein, 20 Euro) den Debutpreis der lit.Cologne. Anna Brüggemann wohnt mit Mann und zwei Kindern in Berlin.

Wer oder was hilft in der Krise?

Auf jeden Fall das Schreiben. Wenn ich schreibe, kommt es gar nicht zur Krise. Im ersten Corona-Jahr musste ich meinen Roman fertig machen. Ich war mit dem Kopf bei meinen beiden Figuren oder bei meiner Familie. Früher hat mir das Drehbuchschreiben mit meinem Bruder geholfen, weil das Zusammensein mit ihm so lustig ist. Mein Bruder sagt immer, Arbeit ist die wärmste Jacke. Da hat er recht.

Wo ist Heimat?

Wir sind viel umgezogen, ich habe als Kind in Südafrika, Stuttgart und Regensburg gelebt. Vor 20 Jahren in Berlin dachte ich das erste Mal: Hier ist es völlig egal, wo man herkommt, fantastisch. Berlin ist ein Stück weit Heimat, aber die Stadt, die ich so mochte, finde ich nicht mehr, diese halb verfallenen Häuser und Gehsteige, dieses Gefühl, dass alles möglich ist. Es ist eng geworden, es gibt hier zu viel Geld.

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Die, die ich geben kann! Aber was braucht der andere, um zu verstehen, dass ich ihn liebe? Darauf zu achten ist das Allerschwierigste, denn meistens macht man nur das, was man selber braucht. Ich freue mich wahnsinnig über ein Geburtstagsgeschenk, speziell von meinem Mann. Und ihn erleichtert es, wenn ich ihm nichts schenke. Das kommt mir wiederum so falsch vor! Wir haben außerdem festgestellt, dass Beziehungen funktionieren, die ein ähnliches Bedürfnis von Nähe und Distanz haben. Wir beide etwa reden die ganze Zeit. Über alles, was uns bewegt – auch dann, wenn es unbequem wird. Es hilft, wenn man immer am anderen interessiert bleibt, bleiben will. Ich fürchte allerdings, dass man vieles nicht steuern kann. Man kann zum Beispiel nichts dafür, wenn sich der andere nicht verändert. Oder anders als man selbst. Was macht man dann?

Lesen Sie weitere Gespräche mit Prominenten in unserer Rubrik "Fragen an das Leben"

Welchen Traum möchten Sie sich unbedingt erfüllen?

Eine Eigentumswohnung in Berlin, aber das ist bei den Preisen utopisch. Groß, Altbau, hohe Decken, schöne ­Dielen und vor allem mit Aufzug. Meine Schwester kann uns nicht besuchen, und das finde ich sehr schade. Das Roman­schreiben war immer ein Traum, trotzdem bin ich gerade auf der Suche nach einer neuen Herausforderung, vielleicht möchte ich Regie führen. Aber ich würde nie ­sagen, das sei ein Traum von mir, berufliche Träume sind eine gefährliche Falle. Als mein Vater schon alt war, saß ich mit ihm in der Küche und sagte: "Ich bereue, dass ich nie Bühne gemacht habe, dabei war das Theater immer mein Traum." Er meinte: "Ach, ich habe mir so viele ­Sachen vorgenommen, die ich nicht erreicht habe." Gut, dass diese beruflichen Attribute einen nicht ausmachen. Vielleicht sind sie Ausformungen der Persönlichkeit, aber man muss aufpassen, dass man sie nicht zu wichtig nimmt.

Wie sieht es aus, ein gelungenes Leben?

Am Ende sollte man sagen können: Ich habe niemanden grob enttäuscht, ich muss niemanden mehr um Entschuldigung bitten. Gibt man genug Liebe, kann das Leben gelingen.

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Arbeit ist Brot.
Die Kindersterblichkeit ist gering geworden. Pharma verlängert das Leben. Mehret euch ohne Rücksicht auf die Folgen. Steigt aber nicht im gleichen Mass die Zahl der Arbeitsplätze, beginnt das Unheil. Wer trägt hierfür die Verantwortung? Ein anderer Blickwinkel. Eine Frau will eine Familie und dazu einen Mann, der mit Arbeit die Famile sichert und schützt. Wer bietet ihm dafür die Arbeit? Wenn die Gesellschaft das nicht tut, wer dann? Wer keine Arbeit hat, hat auch keinen Beruf, kein Können mit dem er arbeiten kann. Das Ergebnis ist Not und Unmenschlichkeit.  Ein Staat, der seinen Bürgern nicht genug Arbeit anbieten kann, wird zu einem Ort der Unruhe. Allein ihre Zahl und die Hoffnungslosigkeit ihrer Zukunft zwingt sie zur Flucht auf die Suche nach Arbeit u. Brot. Für Wohlstandsbürger: "Langeweile ist nur schön, wenn man weis, dass sie bald ein Ende hat".

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