Kim de l’Horizon
FRANKFURT AM MAIN, GERMANY - OCTOBER 17: Kim de l’Horizon shaves their head on stage in solidarity for the women in Iran upon receiving the German Book Prize (Deutscher Buchpreis) at Römer on October 17, 2022 in Frankfurt am Main, Germany. Fatma Aydemir with 'Dschinns', Kristine Bilkau with the book 'Nebenan', Daniela Dröscher with 'Lügen über meine Mutter', Jan Faktor with 'Trottel', Kim de l’Horizon with 'Blutbuch' and Eckhart Nickel with Spitzweg are among the writers on the short list. The German Book Prize is presented to the best German-language novel just before the start of the Frankfurt Book Fair as an annual award from the Boersenverein des Deutschen Buchhandels Stiftung (the Foundation of the German Publishers and Booksellers Association). (Photo by Thomas Lohnes/Getty Images)
Thomas Lohnes/Gettyimages
Lest doch erst mal!
Selten hat die Verleihung des Deutschen Buchpreises so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie dieses Jahr. Leider geht es nur wenig um das Buch.
Carsten Selak
21.10.2022

Seit Tagen steht Kim de l'Horizon im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit, eine nonbinäre schweizerische Person, die für ihren Roman den wichtigsten deutschen Buchpreis gewonnen hat. Kim de l'Horizon (ein Pseudonym, das aus dem Anagramm des echten Namens zusammengesetzt ist) definiert sich weder als Mann noch als Frau, was die deutsche Sprache vor Probleme stellt. Auch ihr preisgekrönter Roman "Blutbuch" setzt sich mit dem Thema Geschlechteridentität auseinander.

Bei der Preisverleihung erscheint de l'Horizon so: Roter Lippenstift zu Schnauzer und Dreitagebart, ein violettes, halb transparentes Shirt, darüber ein grünes Kunstfell-Top, ein fabelhafter Glitzerrock. Und dann tut de l'Horizon das, was viele Frauen weltweit aus Solidarität mit den Frauen im Iran tun: De l'Horizon rasiert sich vor laufender Kamera die Haare ab.

Wenn das Schauspielerinnen, Models, Politikerinnen oder Influencerinnen tun, finden es alle "mutig" und "solidarisch". De l'Horizon erntet für die politische Aktion zwar Zuspruch, vor allem aus der queeren Community, aber auch einen Shitstorm: "Nonbinäre Person – was ist das?", "Ein Mann in Frauenkleidern gewinnt den Deutschen Buchpreis mit einem wirren Geschreibsel, wo jeder Normalo nach dem Lesen einen Psychiater braucht", "Sorry, aber ich will das alles nicht", lauten nur einige der vielen gehässigen Kommentare bei Twitter. Warum eigentlich regen sich so viele auf?

Carsten Selak

Marta Thor

Marta Thor ist freie Journalistin und Fotografin. Seit 2021 arbeitet sie als Social-Media- und Online-Redakteurin für chrismon.de. Sie hat an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen Allgemeine Rhetorik & Neuere Englische Literatur studiert und in der Verlagsgruppe Rhein-Main volontiert. Seit 2022 berichtet sie als Korrespondentin aus Polen für ZDF, Deutsche Welle und weitere Medien.


Kim de l'Horizon tut nur das, was Künstler schon immer getan haben: sich neu erfinden, das eigene Leben zur Bühne machen, Normen hinterfragen. Manchmal entsteht so etwas Neues.

Wenn de l'Horizon also genau das tut, sich so präsentiert, wie es der eigenen Persönlichkeit entspricht, dann passt dies offenbar einigen Menschen nicht. Es passte ihnen nicht, als Thomas "Tom" Neuwirth als Kunstfigur Conchita Wurst 2014 beim Eurovision Song Contest im Abendkleid den Sieg holte. Es passte ihnen auch nicht, als der Journalist Atay Küçükler mit Perlenkette in einem Instagram-Livestream die niedersächsischen Landtagswahlen begleitet hat.

Ist es denn bereits zu provokativ, einfach nur man selbst zu sein – auch in der Öffentlichkeit? Man darf sich durchaus fragen, ob man einer Minderheit von 7,4 Prozent in Deutschland medial so viel Gehör schenken muss. Offenbar muss man das, denn queere, lesbische, schwule, bi oder nonbinäre Menschen werden 2022 immer noch bestenfalls als Paradiesvögel abgestempelt, schlimmstenfalls mit Hass überzogen, bedroht, verunglimpft.

Dabei sind gerade junge Deutsche aufgeschlossen wie keine Generation vor ihnen. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage fänden es 64 Prozent der Befragten gut, wenn schon in der Grundschule über sexuelle Vielfalt aufgeklärt würde. Die Zeiten wandeln sich. Im historischen Kostümdrama "Bridgerton" spielen People of Color Hauptrollen, Serienproduzenten geben sich (mal mehr oder weniger erfolgreich) Mühe, LSBTIQ+-Rollen ins Drehbuch zu schreiben. Wo also ist das Problem?

Vielfalt ja - aber bitte nicht öffentlich?

Man hört in Diskussionen immer wieder diesen Spruch: "Jeder kann sein, wie er möchte. Aber das sollen DIE bitte nicht öffentlich tun." Ist es das, was einigen Leuten Angst macht? Dass die Diversität der Gesellschaft auch im öffentlichen Raum sichtbar ist?

Vielleicht hilft der Gedanke, dass auch früher schon Menschen, die aus dem üblichen Rahmen herausfielen, oft besonders kreativ waren und die Kunstszene – und damit auch die Gesellschaft – voranbrachten. In "Blutbuch" schreibt de l'Horizon von Toleranz, Geschlechterrollen und findet zu einer neuen Sprache. Vielleicht sollten alle, die sich so aufregen, einfach mal das Buch lesen. Sie könnten durch de l'Horizons Werk noch etwas lernen.

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"... - und damit auch die Gesellschaft – voranbrachten."

Ich erwähne hier nur mal Moses und Jesus - vom wettbewerbsbedingten System in Symptomatik menschenUNwürdiger Schuld- und Sündenbocksuche konfusioniert/assimiliert - für den zeitgeistlich-reformistischen Kreislauf des imperialistisch-faschistischen Erbensystems, wo nur die Sinnhaftigkeit in zufälliger Einmaligkeit zum Wohle der materialistische Bewusstseinsbetäubung fusioniert, bis zum Jüngsten Gericht, anstatt bis zum Jüngsten Feiertag.

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Mensch hat die Bibel gelesen, aber das Mensch dem Ebenbild des Geistes entsprechend ALLE bedeutet, daß die Bibel nie einen "einzelnen"/"individualbewussten" Mensch anspricht, daß das reinkarnative Schicksal der Vorsehung in wirklich-wahrhaftiger Gemeinschaft/Vernunft zu überwinden ist, das will besonders der "aufgeklärte" Wohlstands-/Gewohnheitsmensch (in leichtfertiger Erwartung des Wiedereintrittes ins Paradies) nicht hören, nicht sehen, nicht sprechen - Lesen ist in der konfusionierten Welt- und "Werteordnung" überbewertet.

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