Gewitterzelle über der Elbe bei Lauenburg
Gewitterzelle ueber der Elbe bei Lauenburg/Elbe am Abend - Blick von Lauenburg auf das niedersaechsischen Hohnstorf - vorne die Skulptur 'Rufer' vom Plastiker und Bildhauer Karlheinz Goedtke Engl.: Thunderstorm cell over the Elbe near Lauenburg / Elbe in the evening - view from Lauenburg to Hohnstorf in Lower Saxony - in front the sculpture 'Rufer' by the sculptor Karlheinz Goedtke
Dirk Eisermann/laif; Skultptur: Der Rufer von Karlheinz Goedtke
"Wir müssen Ehrfurcht vor dem Wetter haben"
Die Meteorologen haben vor einem Jahr vor extremen Regenfällen gewarnt. Auch in Zukunft kann das Wetter gefährlich werden.
Tim Wegner
08.07.2022

Vor einem Jahr, am 14. und 15. Juli, kam es in Westdeutschland zu einer Hochwasserkatastrophe. Wann wussten Sie, dass es schlimm kommen würde?

Andreas Friedrich: Aus meteorologischer Sicht konnten wir gut und frühzeitig warnen und haben das auch getan. Wir haben schon Tage vor dem 14. Juli darüber informiert, dass in Westdeutschland, also auch in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, extrem schwere Niederschläge drohen. Wie sich das in engen Tälern wie dem Ahrtal auswirkt, liegt nicht mehr in unserer Hand.

Und als Sie am Morgen des 15. Juli die Aufnahmen sahen von Wohnwagen, die fortgerissen wurden, von zerstörten Häusern …

… ich war geschockt und habe mich ohnmächtig gefühlt, denn auch ich persönlich habe gegenüber vielen Medienvertretern in den Tagen zuvor gewarnt: Achtung, das wird gefährlich!

DWD

Andreas Friedrich

Andreas Friedrich ist Diplom-Meteorologe, Pressesprecher und Tornadobeauftragter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach.
Tim Wegner

Nils Husmann

Nils Husmann ist Redakteur und interessiert sich besonders für die Themen Umwelt, Klimakrise und Energiewende. Er studierte Politikwissenschaft und Journalistik an der Uni Leipzig und in Växjö, Schweden. Nach dem Volontariat 2003 bis 2005 bei der "Leipziger Volkszeitung" kam er zu chrismon.

Sie haben eine große Verantwortung, indem Sie Menschen vor Unwettern warnen. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Menschen hernach hämisch werden nach dem Motto "War doch gar nicht so schlimm, bei uns war nichts!"?

Wir können das Wetter viel besser vorhersagen als vor 30, 40 Jahren. Wenn sich trotzdem jemand lustig macht über unsere Prognosen, tut er das vermutlich aus Unwissenheit. Ich vergleiche es immer mit einem Topf Wasser. Wenn Sie den auf den Herd stellen, wissen Sie zwar: Gleich kocht das Wasser. Aber wo genau die erste Blase aufsteigt, können Sie nicht sagen. So ist es mit dem Wetter auch. Es ist und bleibt zu chaotisch, um Tage vorher genau wissen zu können: Im Westen von Frankfurt laufen die Keller voll, im Osten passiert nichts.

Warum sind Vorhersagen trotzdem wichtig?

Wir sehen, dass extreme Wetterereignisse mit dem Klimawandel zunehmen. Bei Starkregen können wir sogar nachweisen, zu welchem Prozentsatz das auf die Erderwärmung zurückzuführen ist. Das Wetter ist immer da, es umgibt uns, wir reden gern darüber, regen uns auf oder freuen uns – aber das Wetter ist auch etwas, das prinzipiell immer gefährlich werden konnte und in Zukunft auch gefährlicher wird.

Wie genau können Sie die Menschen warnen?

Wir erkennen Tage vorher, wenn eine Wetterlage die Zutaten für Gewitter, Überschwemmungen, Hagel bis hin zur genauen Körnergröße oder Orkanböen hat. Davor warnen wir auch rechtzeitig. Aber es trifft am Ende immer nur wenige, wenn wir über schwere Gewitter reden. Dass uns dann manche vorhalten, wir hätten den Weltuntergang ausgerufen, der dann ausgeblieben ist – damit müssen und können wir leben.

Was sollte jede und jeder über gefährliche Wetterlagen wissen?

Wir müssen eine Ehrfurcht vor dem Wetter haben. Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir diesen Respekt in unserer hoch technisierten Welt verlieren. Dass immer wieder Menschen durch Blitzschlag sterben, ist so tragisch wie unnötig. Es gibt Warnungen, es gibt Apps fürs Smartphone, die sollten wir auch nutzen. Und dann gibt es ganz einfache Grundregeln.

Zum Beispiel?

Wenn es blitzt und der Donner nur drei Sekunden später folgt, ist das Gewitter maximal einen Kilometer weit entfernt. Dann muss man sich schnellstens in Sicherheit bringen.

"Die Bevölkerung ist nicht ausreichend auf Tornados vorbereitet"

Ihr Fachgebiet ist die Vorhersage von Tornados. Warum ist Ihnen das wichtig?

Die Bevölkerung in Deutschland ist nicht ausreichend auf diese Gefahr vorbereitet. Sicher sind Tornados hierzulande selten, in anderen Weltregionen kommen sie häufiger vor. In den USA lernt man schon in der Schule, was dann zu tun ist. Im Mai hatten wir in Paderborn das Glück, dass es vor einem Tornado regnete, nur wenige Menschen waren danach noch draußen. Es hätte sonst schlimm ausgehen können. Viele Menschen wissen nicht, wie sie sich bei einem Tornado verhalten sollen.

Wie denn?

Erstens: Verfolgen Sie den Wetterbericht. Es ist gut erforscht, welche Wetterbedingungen es braucht, damit Tornados entstehen. Dazu gehören zum Beispiel sogenannte Windscherungen, also Winde, die aus unterschiedlichen Richtungen wehen. Das können wir gut vorhersagen und an solchen Tagen auch entsprechend warnen. Und wenn es losgeht: am besten in den Keller! Wenn es den nicht gibt: in einen fensterlosen Raum in der Mitte des Hauses! Es ist absoluter Leichtsinn, einen Tornado am Fenster zu filmen. Dachziegel oder andere Gegenstände können umherwehen und mühelos Fensterglas durchschlagen. Das kann tödlich enden.

Was ist mit dem Auto? Vor Blitzen schützt es ja, weil es ein faradayscher Käfig ist.

Vor umstürzenden Bäumen und umherfliegenden Trümmern aber leider nicht. Bei Tornados hilft nur: schnell rein und möglichst weit unten im Haus Schutz suchen, falls das Dach wegfliegt.

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