Neapel, Friedensgebet im Dom San Gennaro für die Ukraine
Privat
Allen helfen
Mail aus Neapel: Freude über Hilfsbereitschaft, aber auch Fragen.
29.03.2022

Meine Arbeit als Pastorin der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Neapel ist im Moment stark geprägt vom Krieg in der Ukraine. Viele Flüchtlinge von dort kommen auch in Neapel an. Wir selber haben keine Räume, um jemanden aufzunehmen, darum beteiligen wir uns an Projekten anderer – vor allem beim evangelischen Krankenhaus Betania. Das ist ein solidarisches Krankenhaus, das wir mitgegründet haben; zurzeit bringen sie Hilfsgüter in die Ukraine oder an die Grenzen und suchen Räume zur Unterbringung von Flüchtlingen.

ELKI

Kirsten Thiele

Kirsten Thiele ist Pastorin der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Neapel. Zuständig ist sie auch für den NATO-Stützpunkt in Lago Patria, kann aber wegen der Pandemie dort zurzeit nicht präsent sein.

Daneben bleibt für mich aber die bittere Frage, warum es in all den Jahren vorher nicht möglich war, Flüchtlingen aus anderen Ländern zu helfen, die genauso vor Krieg im eigenen Land oder vor Hunger geflohen sind. Für sie gab es keine oder nur ganz wenige humanitäre Korridore, um nach Europa zu gelangen; geschweige denn Evakuierung aus dem Kriegsgebiet. Im Gegenteil: Sie werden vor unseren Küsten dem Ertrinken preisgegeben. Bei aller Freude über die große Hilfsbereitschaft in ganz Europa gegenüber den Menschen aus der Ukraine: Warum ist das jetzt innerhalb kurzer Zeit alles möglich? Sicher, weil dieser Krieg uns ganz nahe kommt – und vielleicht auch, weil er unseren eigenen Wohlstand und Frieden bedroht.

Als Christen sollten wir aber keinen Unterschied machen, aus welchem Land jemand kommt, sondern allen helfen! Mit großem Vorbehalt sehe ich die in kurzer Zeit beschlossenen Aufstockungen der Rüstungshaushalte der europäischen Länder. Dass man sich jahrzehntelang bemüht hat, die Unsummen in der Aufrüstung zu senken und stattdessen ins Gesundheitswesen zu investieren sowie ins Schul- und Ausbildungswesen, scheint vergessen. Als ob jemals mit Waffen Frieden erreicht werden könnte! Wir als Europa haben falsche Prioritäten gesetzt. Wir haben es versäumt, rechtzeitig und langfristig über den Frieden zu verhandeln und haben uns stattdessen wirtschaftlich abhängig gemacht von Ländern – unter anderem Russland –, deren Menschenrechtsverletzungen ignoriert wurden.

Friede muss gewagt werden

Jetzt scheint es keine Alternativen mehr zu geben, als nur mit Waffen zu antworten, direkt oder indirekt. Doch das entspricht nicht unserem christlichen Auftrag. Stattdessen denke ich an Dietrich Bonhoeffers Worte: "Wie wird Friede? Durch ein System von politischen Verträgen? Durch Investierung internationalen Kapitals in den verschiedenen Ländern? … Oder gar durch eine allseitige friedliche Aufrüstung zum Zweck der Sicherstellung des Friedens? Nein, durch dieses alles aus dem einen Grunde nicht, weil hier Friede und Sicherheit verwechselt wird. Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit. Denn Friede muss gewagt werden, ist das eine große Wagnis, und lässt sich nie und nimmer sichern. Friede ist das Gegenteil von Sicherung."

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Woher kommt die große Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine? Vielleicht ganz einfach daher, weil sie nicht nur dem tradierten Bild von Kriegsflüchtlingen entsprechen, welches sich dem deutschen kollektiven Gedächtnis eingebrannt hat: Frauen,Kinder,Alte, während die Männer an der Front sind ...
Dagegen legen Geschlecht, Alter und Habitus anderer "Flüchtlinge" - um es vorsichtig zu formulieren - weitgehend die Vermutung nahe, es handele sich um den " youth bulge", der hier gezielt in das Land mit den großzügigsten Asylregelungen einströmt.
Nebenbei, mit Waffen allein ist allerdings kein dauerhafter Friede möglich - eine Binsenweisheit.Aber um die Voraussetzungen für einen dauerhaften Frieden zu schaffen, muss ein bewaffneter Konflikt erst einmal beendet werden. Dies ist erfahrungsgemäß nur mit Waffen möglich ...

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Für Frau Pastorin Thiele ist es eine "bittere Frage" und Herr Querdenker gibt die unzutreffende Antwort, die krasse Ungleichbehandlung der Flüchtlinge läge daran, dass die aus der Ukraine vor dem Krieg geflohen seien und die anderen wegen eines Bäuchleins der Alterspyramide. Siehe

https://de.wikipedia.org/wiki/Youth_Bulge#:~:text=Jugend%C3%BCberschuss%20oder%20Youth%20Bulge%20ist,Alterspyramide%20in%20einer%20Gesellschaft%20bezeichnet.

Die Sache liegt anders. In der Ukraine führt die Nato einen Stellvertreterkrieg gegen Russland. Die Ukrainer sollen sterben oder fliehen, die politischen Erfolge wird die Nato einheimsen. Wenn in einem Krieg die eine Partei Russland heißt, dann braucht der gute Deutsche nicht zweimal hinzuschauen, sondern weiß sofort, für wen er Partei zu ergreifen hat.

Anders im syrischen Bürgerkrieg. Selbstverständlich mischen auch dort die USA und Russland mit, aber die Fronten und Koalitionen verlaufen etwas komplizierter. Siehe

https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgerkrieg_in_Syrien_seit_2011

Also war vor einigen Monaten ganz anders zu verfahren. Flüchtlinge aus Syrien wurden an der Grenze zwischen Polen und Weißrussland auf Betreiben der EU wieder zurückgeschickt. Lukaschenko spendierte sowohl für die Hin- wie auch Rückreise die Tickets. Es handelte sich um Hunderte, vielleicht wären ein paar Tausende daraus geworden. Wären die in die EU gekommen, dann wäre das Abendland kollabiert.

Jetzt geht es um Hunderttausende bis Millionen von Flüchtlingen und ei potz, das Abendland kracht nicht zusammen. Ich kann da keine bittere Frage sehen, sondern eine glasklare Auskunft. Passt der Flüchtling ins politische Kalkül, dann nur her mit ihm. Passt er nicht, dann soll er sich verdrücken. Kein Wunder, auch die Nichtflüchtlinge haben sich lebenslang in die für sie vorgesehenen Rollen zu fügen. So funktioniert die freiheitliche Weltordnung.

Fritz Kurz

Die Ukraine führt also einen Stellvertreterkrieg für die NATO. Ob das die ukrainischen Soldaten wissen und deshalb so erbittert kämpfen ?

Nehmen Sie es nicht persönlich, aber mich erinnert Ihr Denken an die Reaktion gewisser Kreise auf den Einmarsch der WP-Staaten in die CSSR im Jahre 1968.
Damals meinte mein Deutschlehrer,ein Achtundsechziger avant la lettre, der Einmarsch sei zwar rechtswidrig, aber verständlich. Schließlich habe die "westliche Coca-Cola-Industrie" die Tschechoslowakei für sich vereinnahmen wollen ....
Ich finde es bemerkenswert, daß bestimmte Denkkontinuitäten sich in gewissen Kreisen wieder manifestieren ...

Sie möchten also die Kategorie, der ein Krieg angehört, durch eine Soldatenumfrage klären? Dann fragen Sie mal die russischen Soldaten, ob die sich selbst als Aggressoren sehen!

Vom Stellvertreterkrieg spricht man, wenn ein mächtiger Staat oder Staatenbündnis nicht seine eigenen Truppen in die Kämpfe schickt, sondern eine Kriegspartei mit Geld oder Waffen oder Feindaufklärung oder diplomatischen Druckmitteln unterstützt. Genau das macht die Nato in Bezug auf die Ukraine. Und zwar auf allen genannten Wegen.

Fritz Kurz

Antwort auf von Fritz Kurz (nicht registriert)

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Warum so kompliziert ? Die Hilfe des Westens für die Ukraine ist ganz einfach eine legitime Beistandsleistung für einen Staat, der sein naturgegebenes Recht auf Selbstverteidigung wahrnimmt.Über Anlaß und Grund dafür, dass die Ukraine dieses Recht wahrnehmen muß, sowie dafür, dass der Westen zur Beistandsleistung moralisch und politisch verpflichtet ist, braucht hier wohl nicht mehr gesprochen zu werden.

Sie bringen es erfreulich klar zur Sprache. Sie und die meisten lieben Zeitgenossen sind angesichts des Gemetzels namens Krieg allen Ernstes daran interessiert, ob hier auch rechtlich und moralisch alles sauber ist.

Wenn mir droht, die Wohnung, das Bein oder das Leben weggeblasen zu bekommen, dann will ich das nicht haben. Und mich nicht damit trösten lassen, dass die eine oder die andere Kriegspartei im Recht sei.

Ob ich durch einen völkerrechtlich sauberen Blattschuss oder durch einen rechtlich zu beanstandenden Waffengebrauch ins Jenseits befördert werde, ist mir egal. Wer sich dafür interessiert, hat schon den alles entscheidenden Fehler im Denken gemacht.

Fritz Kurz

Da stehen Sie mit Ihrer Meinung nicht allein - die Ukrainer wollen das alles bestimmt auch nicht haben. Seltsamerweise setzen sie sich dennoch zur Wehr;haben die auch alle einen Denkfehler ?
Aber das braucht Sie ja nicht zu kümmern. Sollte man Ihnen ein Gewehr in die Hand drücken wollen, dann finden sich bestimmt bei Google noch ein paar vorgestanzte Phrasen für die Gewissensprüfung nach GG Art. 4,3.

Wer das ebenso gefährliche wie alberne Konstrukt namens Gewissen benötigt, um Krieg und alles, was ihn vorbereitet, abzulehnen, hat in der Tat noch nichts verstanden. Ich benötige kein Gewissen, um festzustellen, dass es Staaten sind, die Kriege vorbereiten und führen. Es sind Staaten, die bei gewonnenem Krieg Nutzen daraus ziehen. Und ebenso kann auch der gänzlich Gewissenlose zur Kenntnis nehmen, dass der Normalmensch im Krieg nichts gewinnt, sondern vor die Hunde geht oder allenfalls davon kommt. Ganz gleich, für welche Kriegspartei er sich rasend begeistert hat.

Auch die Ukrainer haben sich das nicht klar gemacht, sondern genau wie die Russen und die Nato-Insassen den jeweils ortsüblichen staatsbürgerlichen Unsinn geglaubt und mitgemacht. Die Folgen flattern täglich über die Mattscheibe. Und weil alle Welt weiß, dass Putin die grobe [Verbalinjurie] ist, wird auch aus diesem Krieg nicht gelernt, was die selbstverständliche, tägliche Mitmacherei bei allem, was hoch und heilig ist, für Folgen für die Mitmachenden hat.

Fritz Kurz

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