Der geschönte Lebenslauf
Der geschönte Lebenslauf
Kati Szilagyi
Der geschönte Lebenslauf
Stefanie Schardien, Pfarrerin in Fürth und "Wort zum Sonntag"-Sprecherin, beantwortet für chrismon jeden Monat kniffelige Lebensfragen.
Stefanie SchardienARD/BR/Markus Konvalin
24.03.2022

Sabine, 53, aus Oldenburg fragt:

Ich kümmere mich ehrenamtlich um ­einen Geflüchteten aus Syrien. Er arbeitet für eine Security-Firma, ­wäre aber viel ­lieber Kameramann. Ich helfe ihm, Kontakte zu knüpfen, damit er vielleicht noch einen Abschluss machen kann. Neulich waren wir spazieren und trafen jemanden, den er aus seinem Sprachkurs kennt – und er erzählte ihm stolz, er sei nun Kamera­mann, es laufe gut. Und der andere staunte und war neidisch, weil bei ihm nix klappt. Da stand mir der Mund offen. Wie soll ich mich denn nun verhalten?

Stefanie Schardien antwortet:

Es reichen küchenpsychologi­sche Grundkenntnisse, um das Ver­halten Ihres Bekannten nicht unbedingt sympathisch zu finden, aber zumindest nachvollziehen zu können. Er will seinem Sprachkurskollegen und vielleicht auch irgendwie sich selbst weis­machen: Siehste! So schwierig alles sein mag – ich schaffe das in ­meiner neuen Heimat! Ver­mutlich interessieren Sie sich auch darum weniger für das ethisch freilich trotzdem fragwürdige Agieren Ihres Bekannten als für Ihr eigenes passives Verhalten. Also: Hat Ihr Schweigen zur Hoch­stapelei die Lüge verdoppelt und dem Sprachkurs­kollegen ge­schadet? Oder haben Sie Ihren Anstand bewiesen, indem Sie ­Ihren Bekannten nicht ver­raten wollten und ihm so Gutes getan haben? Eine echte Zwickmühle, denn beides stimmt.

Stefanie SchardienARD/BR/Markus Konvalin

Stefanie Schardien

Die Theologin Stefanie Schardien, geboren 1976, ist Theologische Geschäftsführerin des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik, wo auch chrismon erscheint.

Nun aber können Sie selbst aktiv werden, um den bisherigen Schaden möglicherweise zu be­he­ben und vor allem, um weiteren Schaden abzuwenden. Sprechen Sie ihn beim nächs­ten Treffen auf die Lüge an. Machen Sie ihm klar: 1. Sie mögen keine Lügen und ­werden nicht nochmals zu seiner Hochstapelei schweigen. 2. Er sollte seinem Sprachkurs­kolle­gen die wahre Geschichte er­zählen, weil er darauf stolz sein kann. ­3. Kameramänner lügen nie. Ehren­sache.

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