Völkermord an Herero und Nama

Für Versöhnung braucht es viele
Demonstration gegen Kolonialismus

Stefan Boness/IPON/Süddeutsche Zeitung Photo

Gedenkmarsch zur Erinnerung an die afrikanischen Opfer von Versklavung, Kolonialismus und rassistischer Gewalt Ende Februar 2021 in Berlin.

DEU, Deutschland, Germany, Berlin, 27.02.2021 Demonstranten mit Faust und Karte der Kolonien in Afrika beim 15. Gedenkmarsch zur Erinnerung an die afrikanischen Opfer von Versklavung, Kolonialismus und rassistischer Gewalt vom Komitee fuer die Errichtung fuer ein afrikanisches Denkmal in Berlin und afrikanischer Vereine in Berlin. Forderung nach Anerkennung der Verbrechen gegen Schwarze Menschen und Menschen afrikanischer Herkunft unter Einfluss der Black Lives Matter Bewegung. Anlass ist Berliner Afrika-Konferenz. Mehr als 30 Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner wurden Opfer von Versklavung und kolonialen Verbrechen. Die von Deutschland an den Herero und Nama begangenen Voelkermorde in Namibia und die Kriegsverbrechen in Tansania im Maji- Maji-Krieg warten immer noch auf Anerkennung.

Die Interessen der Nachfahren der Opfer des Genozids an Herero und Nama kamen in den Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia zu kurz. Jetzt könnte es eine neue Chance geben.

Mehr als fünf Jahre hat Deutschland mit ­Namibia über ein Abkommen verhandelt, das den Völkermord an Herero und Nama im kolonialen Deutsch-Südwestafrika 1904-08 an­erkennt und eine Bitte um Vergebung mit Finanzhilfen verbindet. Schätzungsweise 80 000 Menschen sind Opfer des Genozids geworden. Im Mai 2021 gaben die Regierungen beider Länder die Einigung bekannt. Die namibische Opposition und besonders Vertreter:innen der Herero und Nama kritisierten, es seien nur handverlesene Repräsentant:innen ihrer Völker einbezogen worden, nicht aber diejenigen, die sich seit langem für eine deutsche Anerkennung der Verantwortung und einen Ausgleich engagierten. Außerdem seien keine Reparationen für Nachfahren der Opfer vereinbart. Die Kritik verdeutlicht, dass Versöhnung eine breite Beteiligung braucht und die Angehörigen der Opfer nicht übergangen werden dürfen.

Sabine Mannitz

 Sabine Mannitz ist Vorstandsmitglied im Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main. Sie erforscht unter anderem den staatlichen und gesellschaftlichen Umgang mit Diversität, erinnerungskulturelle Konflikte und wie man normativ Politik in soziale Praxis umsetzt.
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2004 hatte die damalige Bundesentwicklungsminis­terin Heidemarie Wieczorek-Zeul als erstes deutsches Regierungsmitglied "um Vergebung für unsere Schuld" gebeten und betont, Deutschland würde sich in der Entwicklungshilfe besonders für die einstige Kolonie engagieren. Von rechtlicher Anerkennung und Reparationen war keine Rede, so ist es geblieben. Während Nachfahren der Opfer finanzielle Reparation für sich als besonders Geschädigte erwarten, blieb Deutschland darauf bedacht, die Verbrechen anzuerkennen, ohne daraus Rechtsansprüche und finanzielle Pflichten abzuleiten.

Versöhnung mit finanzieller "Wiedergutmachung" zu verknüpfen, ist eine starke völkerrechtliche Gewohnheit. Zwar plädieren in der Kolonialforschung manche für "wiederherstellende Gerechtigkeit", etwa durch Investitionen in Bildung oder Infrastruktur. Aber auch dabei müssen die Nachfahren der Opfer eingebunden sein.

Von Beginn der Verhandlungen an kritisierten Vertreter:innen von Herero und Nama, dass die namibische Regierung sie nur selektiv einbeziehe. Statt diese Spaltungen in Nami­bia für sich zu nutzen, hätten die Deutschen auf einer inklusiven Strategie bestehen sollen. Das Parlament in Windhuk hat nun die Verabschiedung des Abkommens ausgesetzt: Der Chefunterhändler des Landes und zwei profilierte Kritiker starben nach Corona-Infektionen. Das ist tragisch, zugleich aber eine Chance, in neuen Konstellationen einen weitergehenden Ausgleich zu suchen.

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