Mühsam: Neue Freundinnen finden
"In Hamburg ist man wohl immer auf der Suche nach Freundschaften", sagt Olga Schulde, 40
Stefan Volk
Leben in der Großstadt
Mühsam: Neue Freundinnen finden
In einer Großstadt zu leben, das war immer ihr Traum. Jetzt ist Olga Schulde da. Fehlen nur noch enge Freundschaften. Ganz schön schwierig. Einiges hat sie schon ausprobiert
Tim Wegner
29.12.2020
3Min

Olga Schulde, Jahrgang 1980:

Seit ich 17 war, wollte ich immer in einer Großstadt leben. Allein schon wegen der öffentlichen Verkehrsmittel. In Minden in Ostwestfalen-­Lippe, wo ich aufgewachsen bin, fuhr einmal die ­Stunde ein Bus, abends um acht war Schluss. In der Großstadt weiß auch nicht jeder Nachbar alles über einen. Aber irgendwie hat es nie gepasst.

Dann lernte ich über eine Singlebörse einen Mann aus Hamburg kennen. Nach eineinhalb Jahren Fernbeziehung zogen wir in Hamburg zusammen. Wir haben beide ­eine Tochter, aber unsere Erziehungsstile waren zu unterschiedlich, vieles passte dann doch nicht. Nach drei Monaten zog ich wieder aus.

Als ich dann meine neue Wohnung in Hamburg eingerichtet und einen besseren Arbeitsplatz gefunden hatte – ich bin in der Teamleitung einer Immobilienverwaltung des DRK –, dachte ich: Jetzt wäre es schön, ein paar soziale Kontakte zu haben. Weil ich es liebe zu singen, trat ich in den Projektchor der Elbphilharmonie ein. Toller Sound! Aber die, die schon länger dabei waren, waren eine eingeschworene Gruppe, es war kein Dazwischenkommen.

Warum nicht über nebenan.de suchen?

Ich las schon länger auf der Nachbarschaftsplattform ­nebenan.de mit, was andere so schreiben: Ich suche meine Katze, Kinderbett zu verschenken. Vielleicht könnte man darüber auch Freunde suchen, warum eigentlich nicht? Ich schrieb, dass ich mir Freundschaften wünsche, mit denen man ins Kino, Theater, Restaurant geht oder auch mal zu Hause gemeinsam einen Abend verbringt.

Es meldeten sich drei Leute: einer, der mit mir daten wollte, den sperrte ich; und eine Frau und ein Mann aus der Nachbarschaft. Der Mann hatte auch gerade einen Neustart hingelegt, wir waren beide an positiver Persönlichkeitsentwicklung interessiert, er nahm mich zu Vorträgen mit. Und mit der Frau, auch sie alleinerziehend, war ich zum Beispiel im Museum, Kunst anschauen fanden wir beide gut. Ich war superzufrieden mit der Resonanz von zwei Leuten, mit denen ich auf einer Wellenlänge bin. Mit beiden besteht bis heute Kontakt. Keine enge Freundschaft, aber schon eine, wo man mal was zusammen macht.

Dann lernte ich noch eine weitere Frau kennen, über die Freunde-finden-App "Meet5". Das war ganz schräg. Wir waren auf ein Kaffeetrinken verabredet, sechs Frauen. Zwei sagten kurz vorher ab, eine verabschiedete sich schnell, da waren wir nur noch zu dritt. Mit der einen Frau bin ich immer noch befreundet. Wir suchten zusammen weiter, inzwischen sind wir sechs Frauen. Eine nahm ich in die Oper mit, da war sie noch nie, sie war begeistert.

Eine enge Freundschaft hat sich für mich bisher leider nicht ergeben. Wo man anruft, um zu hören, wie es der anderen geht oder wo man erzählen kann, wenn es einem gerade nicht so gut geht. Natürlich habe ich auch an mir gezweifelt – habe ich zu hohe Erwartungen? Bin ich selbst das Problem? Ziehe ich die falschen Menschen an?

Man wird anspruchsvoller

Aber in Hamburg ist man wohl immer auf der Suche nach Freundschaften. Das haben mir viele Leute ­berichtet. Es ist selten langfristig. Wenn jemand wegzieht, was ­häufig vorkommt, oder wenn ein Partner ins Spiel kommt, ist die Freundschaft meist beendet. In der Facebook-­Gruppe "Neue Mädels in Hamburg" posten fast jeden Tag auch Frauen, die schon ewig in Hamburg leben: Ich möchte gerne enge Freundschaften knüpfen, irgendwie ist alles immer nur so oberflächlich.

Vielleicht liegt das daran, dass viele denken, es gibt genügend andere Menschen, und man könnte ja was verpassen? Es haben auch alle arbeitsmäßig Erfolg zu haben. Viele sind noch dazu alleinerziehend – Zeit ist kostbar, man wird anspruchsvoller, man sortiert genauer.

In Minden hatte ich meine Freunde schon lang, meine beste Freundin sogar seit der Kindheit. Und ich hatte Kolle­ginnen, mit denen man tief über Probleme reden konnte. Diese alten Freundschaften sind jetzt verloren. Nur noch zu einer sehr guten Freundin habe ich regelmäßig Kontakt. In Hamburg habe ich nur Freizeitfreundschaften. Selbst die sind hart erkämpft. Ich bin dankbar dafür.
Wobei es für mich mittlerweile leichter geworden ist: Meine kleine Schwester fand Hamburg so toll, jetzt ­studiert sie hier. Wir hatten schon immer ein enges Verhältnis, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind. Sie ist meine engste Vertraute. Ja, tatsächlich, es ist so.

Protokoll: Christine Holch

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Sehr geehrte Damen und Herren,
mir sprach der obige Artikel aus dem Herzen. Ich war auch mal drei Jahre in Hamburg und kannte am letzten Tag - übertrieben gesagt - so viele Leute wie am ersten. Ich bin sogar in einen deutsch-englischen Verein eingetreten, aber das hat auch nicht viel genutzt. Später bin ich dann nach Düsseldorf gegangen", und wenn man sich auf die lockere Art der Rheinländer einstellt und nicht jedes Wort auf die Goldwaage legt, funktioniert das ganz gut. Wie ein Sprecher im Fernsehen mal sagte:
"Versprechen und dann auch noch halten, das ist für einen Rheinländer zu viel."

Mir sagte auch mal jemand, als ich ein bißchen auf die Rheinländer
schimpfte: "Sie können nicht Hamburger, nicht Münchner, nicht Kölner werden, aber Sie können Düsseldorfer werden". Und das stimmt.
Ich will damit nur sagen, daß es schwierig ist, in Hamburg Freunde zu finden, wenn man dort nicht zur Schule gegangen ist und aufgewachsen ist.
Mit freundlichem Gruß
Barbara Uhde

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