Rassismus - "Als ob mein Deutschsein nicht echt wäre"
Ist hier jemand weiß? Oder schwarz? Die Farbe des Hintergrund orientiert sich an der Nase. Bilder aus dem Projekt "Humanae" der Künstlerin Angélica Dass
Angélica Dass
Alltagsrassismus
"Als ob mein Deutschsein nicht echt wäre"
Wie es ist, eine dunklere Hautfarbe zu haben als die meisten anderen Deutschen, das weiß Alice Hasters. "Alltagsrassismus" nennt sie das, was sie erlebt.
Tim Wegner
11.08.2020
11Min

chrismon: Warum fühlt sich die Frage "Wo kommen Sie her?" blöd für Sie an?

Alice Hasters: Weil ich mich dann fremd fühle, nicht zugehörig. Eigentlich steckt ­hinter dieser Frage das Denken, wer schwarz ist, kann nicht deutsch sein. Ich muss also rechtfertigen, warum ich hier bin.

Sie sind aber Deutsche.

Genau. Die Leute wollen ja gar nicht ­wissen, wo ich herkomme – nämlich aus Köln –, ­sondern die wollen wissen, wo meine Eltern herkommen. Also fragen sie weiter: "Wo kommst du WIRKLICH her?" Als ob mein Deutschsein nicht echt wäre. Wenn ich dann sage: "Meine Mutter kommt aus Philadelphia, mein Vater aus Düsseldorf", gibt es ganz unter­schiedliche Reaktionen. Enttäuschte nach dem Motto: "Das ist ja gar nicht so exotisch, wie ich gehofft habe." Aber auch beruhigte, da denken Leute offensichtlich: "Ach so, USA, das ist ein westliches Land, dann kann ich ja doch was mit dir anfangen." Ich merke an den Reaktionen, welche rassistischen Vor­stellungen mein ­Gegenüber hat.

Wie oft passiert Ihnen das?

Das ist schwer zu sagen. Manchmal ­mehrmals am Tag, manchmal wochenlang nicht. Kommt drauf an, wo ich bin, ob ich neue Menschen kennenlerne oder nicht. Klar ist: Diese Frage begleitet mich mein ganzes Leben lang.

Eigentlich ist das ja auch eine sehr persönliche Frage . . .

Ich frage doch Menschen, die ich gerade erst kennenlerne, nicht über ihre Eltern und die Familiengeschichte aus! Es kann ja auch sein, dass man damit direkt nach traumatischen Erlebnissen fragt, nach Flucht, nach getrennten Eltern. Außerdem sollte man beim Small Talk über Gemeinsamkeiten sprechen und nicht über Unterschiede.

Vielleicht sind die Leute einfach nur freundlich interessiert an Ihnen

Nein, es geht ihnen in dem Moment gar nicht um mich als Person, sondern um meine Herkunft. Wenn es sich im Gespräch organisch ergibt – weil ich zum Beispiel gerade von meinem Onkel in den USA erzähle –, dann kann man natürlich fragen. Meine Herkunft ist ja kein Geheimnis.

Alice HastersH. Henkensiefen

Alice Hasters

Alice Hasters, 31, schrieb das Buch "Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten" (Hanser, 17 Euro). Hasters ist Journalistin und arbeitet unter anderem für die "Tagesschau" und den Sender RBB.

Dann frage ich jetzt mal: Wie kam Ihre ­Mutter nach Deutschland?

Sie kam mit 17 nach Europa, nach ihrer Ballett­ausbildung in den USA, weil sie ein Engagement in der Kompanie von Maurice Béjart in Brüssel hatte. Danach tanzte sie zum Beispiel bei Pina Bausch in Wuppertal.

"Ich habe keine Ahnung, wo ich herkomme!"

Sind die Fragenden dann zufrieden?

Nein, USA reicht als Antwort oft nicht. Dann fragen sie: "Hast du noch Wurzeln ­anderswo?" Aber ich habe ­keine Ahnung, wo ich herkomme! Irgendwann vor ein paar ­Hun­dert ­Jahren kamen wir aus Afrika. Meine Vorfahren wurden entführt in die USA, nach Brasilien, in die ­Karibik und dort versklavt. Übrigens haben auch deutsche Kaufleute und Finanziers am Sklavenhandel verdient. Und niemand hat ordentlich dokumentiert, wo die Menschen herkamen, wie sie hießen, das war völlig egal, die wurden verkauft, verkauft, verkauft. Das ist ein Trauma in der schwarzen Bevölkerung in den USA, bis heute! Für die amerikanische Identität ist es sehr wichtig, sagen zu können: Meine Vorfahren kamen aus Irland, aus Deutschland, aus England . . . Diese Erzählung gibt es für schwarze Menschen nicht.

Zwölf Millionen Menschen aus Afrika sollen versklavt worden sein.

Ja, das ist die Schätzung. Manchmal verliere ich die Geduld, wenn Leute weiterfragen: "Gibt es da Wurzeln in Afrika?" Es ist eine brutale Geschichte, warum ich das nicht beantworten kann. Und dass die Leute das nicht auf dem Schirm haben, ärgert mich halt auch.

Wie viele schwarze Menschen leben in Deutschland?

Man schätzt 800 000 bis etwas mehr als eine Million. Man weiß es nicht, denn es werden nur Menschen mit und ­ohne Migrationshintergrund gezählt. Aber ein Migrations­hintergrund sagt nichts über die Haut­farbe. Meine ­Kinder werden in der Statistik nicht mehr als Menschen mit Migrations­hintergrund gezählt werden, weil ihre Eltern beide in Deutschland geboren sind – was aber nicht heißt, dass meine Kinder weiß sein ­werden.

"Schwarze Menschen als Souvenir"

Ich habe erstaunt gelesen, dass in Deutschland und ­Europa schon lange schwarze ­Menschen lebten.

Sehr lange schon in Italien und Spanien, es gab ja einen Austausch über das Mittelmeer hinweg. Einer der ersten bekannten schwarzen Menschen in Deutschland war der Philosoph Anton Wilhelm Amo, er war als Kind in Ghana versklavt und dann an den Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel "verschenkt" worden. Im 18. Jahrhundert galt es als schick, ­schwarze Menschen von Reisen mitzu­bringen, als ­Souvenir. Auch ein Urgroßvater von ­Alexander Puschkin, dem russischen National­dichter, soll ursprünglich ein afrikanischer Sklave ge­wesen sein, der dem Zaren als Kind geschenkt wurde.

Dann kamen nach dem Ersten Weltkrieg Kinder auf die Welt aus Beziehungen zwischen deutschen Frauen und französischen Kolonial­soldaten und nach dem Zweiten Weltkrieg Kinder mit Vätern, die bei der ­amerikanischen, französischen oder englischen Armee arbeiteten.

Und gleichzeitig gab es immer wieder Programme, um die schwarze Bevölkerung kleinzuhalten. In der NS-Zeit wurden ­schwarze Menschen in Deutschland sterilisiert, einige kamen ins KZ. Und in der Nachkriegszeit haben Jugend­ämter großen Druck ausgeübt auf Mütter, ihre schwarzen Kinder zur Adoption durch schwarze Ehepaare in den USA freizugeben – die Jugendämter waren damals ja noch automatisch Vormund von unehelichen Kindern. Kinder von afroamerikanischen ­Soldaten galten als Schande. In den USA leben Menschen, die deutsche Mütter hatten und heute mit Mühe ihre Wurzeln in Deutschland suchen.

Auch in der DDR lebten schwarze Kinder – da waren die Väter Studenten oder Vertrags­arbeiter aus "sozialistischen Bruderstaaten", also etwa aus Angola oder Mosambik.

Und auch diese Leute wurden wieder weggeschickt. Das heißt: Hätte es diese Programme nicht gegeben, hätten wir in Deutschland viel mehr schwarze Menschen . . .

. . . die Deutsch sogar als Muttersprache ­haben. Sie aber werden oft auf Englisch angesprochen.

Das passiert mir total oft. Ich antworte dann auf Deutsch, aber die Leute sprechen weiter Englisch. Ich glaube, die verstehen mich dann gar nicht, weil sie so sehr davon ausgehen, dass ich Englisch spreche. Einmal ging ich im Zug auf die Toilette. Das Licht war kaputt, ich behalf mich mit meiner Handytaschenlampe. Der grauhaarigen Frau, die vor der Toilette wartete, sagte ich: "Das Licht ist kaputt, am besten gehen Sie auf eine andere Toilette." Sie riss die Augen auf. "What? Se Toilät?", fragte sie aufgeregt mit stark deutschem Akzent. Ich sagte langsam: "Sprechen Sie Deutsch?" Sie nickte. "Okay, merken Sie, dass ich auch Deutsch mit Ihnen spreche?" Sie schaute verdutzt, erst jetzt konnte sie mich hören und als Person wahrnehmen.

Vielleicht meinen die Leute das höflich, wenn sie Sie auf Englisch ansprechen?

Ich finde es nicht unhöflich, in einem Land in der je­weiligen Landessprache angesprochen zu werden. Wenn einen dann jemand verunsichert anschaut, kann man ­immer noch umswitchen.

Warum es keine Rassen gibt (auch wenn man bei Hunden von "Rassen" spricht), lesen Sie hier.

Manche Leute sagen: Ich sehe keine Hautfarben, für mich sind alle Menschen gleich.

Die reden sich raus. Ihnen ist nicht klar, dass sie von klein auf rassistische Denk- und Gefühls­muster verinnerlicht haben. Ich merke das an ihren kleinen Handlungen im Alltag – wenn Menschen mich auf Englisch an­sprechen, nach meinen "Wurzeln" fragen, ­anders reagieren, sobald ich den Raum betrete. Leute, die behaupten, keine Hautfarben zu sehen, sehen dann auch den Rassismus nicht, der mir wider­fährt. Dann können sie mich auch nicht schützen.

"Der Verkäufer hielt mich für eine Diebin"

Viele denken, Rassismus sei nur offener Hass und Gewalt, und das gebe es seit 1945 in Deutschland nur noch vereinzelt, bei Rechtsradikalen. Sie aber sagen, Rassismus beginnt schon viel früher – als Alltagsrassismus.

Ich war 13 und mit einer Freundin und ­ihrer Familie auf Mallorca, einmal gingen wir auf den Markt, da gab es auch viele ­deutsche Verkaufsstände. Wir machten halt an einem Schmuckstand und inspizierten still die ­einzelnen Stücke, als mich der deutsche Verkäufer auf Englisch anbrüllte, ich solle ab­hauen. Er hielt mich für eine Diebin. Die Worte blieben mir im Hals stecken. Erst als meine weiße Freundin signalisierte, dass wir zusammengehörten, und auf Deutsch er­klärte, dass ich mich nur umgeschaut ­hätte, be­ruhigte er sich und sagte so was wie: "Ach so." Das macht was mit einem! Weil ich immer das Gefühl habe, irgendwas stimmt nicht mit mir. Ich versuche, mich genau so zu verhalten wie alle anderen, aber mein Verhalten wird anders interpretiert, weil ich schwarz bin.

Was machen Sie dann?

Es beeinflusst mein Verhalten. In großen Kaufhäusern zum Beispiel würde ich mich nie trauen, mit einer Ware länger durch den Raum zu laufen. Ich gehe schnell zur Kasse. Wenn ich als Jugendliche vor Kosmetik­artikeln stand, hatte ich den deutlichen Eindruck, die Leute beob­achten mich genau, weil sie denken: Hey, die Schwarze klaut doch bestimmt gleich die halbe Kosmetik weg. Ganz viele weiße Freunde und Freundinnen von mir haben in ihrer Jugend mal was geklaut – das hätte ich mich nie ­getraut, niemals!

"Sind Sie sicher, dass Sie hier richtig sind?"

Machen Sie andere Erfahrungen, wenn Sie mit einem weißen Freund, einer weißen Freundin unterwegs sind?

Die Welt kommt mir dann freundlicher vor. Ich merke das zum Beispiel im Museum, im Theater, in Hotels. Sonst erlebe ich oft so ein nonverbales "Sind Sie sicher, dass Sie hier ­richtig sind?". Diese kleinen Momente – ich nenne sie Mikro-Aggressionen – wirken wie Mücken­stiche. Im Einzelnen ist das auszuhalten, aber in der Summe wird der Schmerz unerträglich. Alte Frauen haben Angst vor mir und halten mich für eine Diebin. Ich ­habe ­immer dieses Bild vor Augen: Die nervöse alte Frau, die die Handtasche umklammert, wenn ich mich in der Bahn neben sie setze. Und sobald sie sieht, dass ein anderer Sitzplatz frei wird, setzt sie sich um.

Oh!

Ja! Einmal wurde in der S-Bahn ein Platz in einem Vierersitz frei, ich wollte mich hin­setzen, da springt eine alte Frau auf und blockiert den Zutritt zu dem Vierersitz, sie bleibt stehen und schwankt die ganze Fahrt rum, alle schauen sie an – sie wollte auf gar keinen Fall, dass ich mich da hinsetze. Da weiß man dann auch nicht, was man machen soll.

Ich setze mich in Bussen und Bahnen extra neben Fahrgäste mit anderer Hautfarbe.

Das habe ich schon öfter gehört. Ich hatte mal eine Diskussion mit einer türkeistämmigen Frau, die sich darüber aufgeregt hat: "Das ist doch keine Charity-Aktion, neben mir zu ­sitzen!" Das kann ich auch verstehen, aber ich denke, vielleicht braucht man diese Art von Überkorrektur. Wenn weiße Menschen ihr rassistisches Verhalten verlernen wollen, ­machen sie erst einmal das genaue Gegenteil. Das mag vielleicht notwendig sein, aber ich fühle mich immer ­komisch dabei. Ich meine, soll ich jetzt "Danke" sagen?

Bloß nicht!

Wahrscheinlich sind diese kleinen Signale wichtig. Es fühlt sich zwar unangenehm an und noch nicht ganz ­richtig, aber es muss diese Überkorrekturen wohl eine Weile lang geben. Bis der Rassismus aus den Köpfen und den Institutionen raus ist.

"Nie, nie, nie das N-Wort sagen!"

Früher haben Sie viel runtergeschluckt. Heute wehren Sie sich. Wie sieht das aus?

Ein Beispiel: Ein warmer Abend in Berlin – vor Corona –, die Leute sitzen draußen, trinken ­Alkohol. Ich unterhalte mich und merke plötzlich, wie jemand hinter mir laut und ausführlich darüber redet, wie doof er das findet, dass er das N-Wort nicht mehr sagen darf. Ich drehte mich um und sagte: "ENTSCHULDIGUNG! Das kann ich so nicht ­stehen ­lassen. Nie, nie, nie, nie, nie kannst du mich so ­nennen, das wäre respektlos." Ich weiß, dass das bei so kurzen Begegnungen oft ein verlorener Kampf ist. Aber ich möchte nicht mehr die Einzige sein, die nach Hause geht und sich unwohl fühlt, während alle anderen die Situation wieder vergessen haben. Ich will denen wenigstens einen kleinen Denkzettel mitgeben.

Wenn Sie sagen "Das war aber jetzt rassis­tisch", reagieren die Leute meist beleidigt, wütend, manche weinen sogar . . .

Ja!

"Am Ende soll ich mich entschuldigen"

. . . und am Ende müssen Sie sich entschuldigen. Wirklich wahr?

Man muss sich das so vorstellen: Alle ­Leute verstehen sich gerade total gut, es ist ein nettes Gespräch – und dann sagt jemand was Rassistisches. Zum Beispiel, dass mein Haar aussieht, als hätte ich in die Steckdose gefasst. Und ich sag: "Das geht gar nicht." Und dann – das ist die Scham, die aufkommt – fühlt sich die Person total angegriffen: "Du sagst, ich bin rassistisch? Das unterstellst du MIR? Ich habe soundso viele schwarze Freunde, ich hab das und das gemacht, ich war auch mal in Marokko und wurde komisch angeguckt. Das kannst du mir nicht sagen! Nein, nein, nein. Du kannst mich nicht in diese Ecke stellen." All das schießt mir dann entgegen, da wird richtig gegengehalten. Das kann sich so hochspielen, dass Leute anfangen zu weinen: "Das ist so unfair, dass du das sagst, ich finde das so scheiße, ich geb mir doch solche Mühe!" Dann wird von mir verlangt, dass ich sage: "Entschuldigung, ich weiß ja, dass du ein guter Mensch bist."

Die Leute hören: "Du bist ein Nazi." Das haben Sie aber nicht gesagt.

Es dringt gar nicht durch, was ich wirklich sagte: "Das, was du eben gesagt hast, ist rassis­tisch." Ich unterstelle den Leuten nicht eine böswillige Ideologie, die sie mit Absicht verbreiten. Sondern ich weise sie auf eine rassis­tische ­Sozialisierung hin, die sie an dieser ­Stelle noch nicht ­reflektiert haben. Das ist wie bei der Sexismusdebatte. Vor nicht allzu ­langer Zeit haben Leute gedacht, nur Vergewaltiger sind Sexisten. Und alles andere ist nicht sexistisch. Mittlerweile verstehen viele, dass man sexistisch handeln und denken kann, ohne dass man davon überzeugt ist, dass Frauen weniger wert sind als Männer. Weil man mit Sexismus aufgewachsen ist.

"Ich hab es nicht so gemeint, es war nicht mit Absicht" – das ist wohl eine typische Reaktion. Aber wenn ich jemanden mit dem Auto anfahre, ist der verletzt, auch wenn ich es nicht so "gemeint" habe.

Genau. Es geht nicht darum, wie man es meint. Es geht darum, was es auslöst. Das N-Wort ist in der Zeit der Kolonialisierung und der sogenannten Rassenlehre entstanden. Es hatte immer eine abwertende Bedeutung. Deswegen verletzt es mich. Aber abgesehen von meinen Gefühlen: Wir haben uns ­darauf geeinigt, dass wir gegen Rassismus sein ­wollen, das steht im Grundgesetz.

"Ich bin eigentlich andauernd wütend"

Sind Sie manchmal wütend?

Ich bin eigentlich andauernd wütend. Die Wut äußert sich bei mir meist nicht als ­aggressives Verhalten. Aber es gibt vieles, über das ich ­wütend bin, ich habe gezwungener­maßen ­einen Umgang gefunden, damit zu leben. Ich ­habe meinen Frieden mit der Wut ge­schlossen, soweit das möglich ist.

Angenommen, ich sag jetzt was über Ihre Haare, und Sie antworten: Frau Holch, das ist rassistisch. Dann würde ich rot, würde mich entschuldigen und Sie womöglich ­bitten, es mir noch mal zu erklären. Wäre das okay?

Ich würde mich freuen, wenn es sofort eine gewisse Einsicht gäbe. Man kann halt aus einer blöden Situation nur eine nicht ganz so blöde Situation machen. Es ist natürlich unfair, dass am Ende ich mich wieder erklären muss: dass ich mich zur Exotin gemacht fühle, wenn Leute immer über meine Haare reden. Und wieder bin ich in der Situation, mich selber und ­meine Menschlichkeit erklären zu müssen. Das ist ­eine erniedrigende Aufgabe.

Deshalb haben Sie jetzt dieses Buch geschrieben – als Grundkurs in Antirassismus?

Ich habe dieses Buch geschrieben, damit sich andere schwarze Menschen nicht erklären müssen, damit sie darauf verweisen können und sagen können: Ich mache das nicht, es gibt genug Wissen. Denn es ist Lebensqualität und Zeit, die einem abgezwackt wird als nichtweißem Menschen. Da ist es vielleicht auch eine Art Befreiung, weiße Menschen mal vor den Kopf zu stoßen, auch wenn die das dann nicht konstruktiv finden. Mir sagen andere schwarze Menschen: "Ich möchte nicht so ein Erklärbär sein wie du, Alice." Dann denk ich: Ja, musst du nicht, ich hab es halt zu meiner Arbeit gemacht und mache das, ­damit andere Menschen es nicht tun müssen.

Infobox

Angélica Dass und das "Humanae"-Projekt

Die Fotografin ­Angélica Dass, 1979 in Brasilien geboren, ­studierte in Spanien Fotografie und lebt heute in Madrid.

Für die Fotos bestimmt sie den Hautton anhand des Pantone-­Farb­schemas und färbt den ­Hintergrund in der gleichen Farbe ein. Über 4000 Menschen hat Angélica Dass ­bereits foto­grafiert – junge und alte, taube und ­blinde, Menschen in Favelas und Multimillionäre. Infos zum Fotoprojekt von Angélica Dass.

In diesem bewegenden Video erzählt die ­Fotografin selbst (auf Englisch).

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Die URSACHE aller Probleme/Symptome unseres "Zusammenlebens", ist der nun "freiheitliche" WETTBEWERB um systemrationalen Kommunikationsmüll.

"... ist Journalistin und arbeitet unter anderem für die Tagesschau und den Sender RBB." - ???

- Mein Verständnis von Menschlichkeit ist immer besonders angegriffen, wenn "Gespräche" mit den Worten beginnen: "Und was machst du / machen sie beruflich?!

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Ist Unterscheidung normal? Sind Vorurteile normal?
Wer das leugnet ist nicht normal! Wenn man was sieht, liest, hört oder empfindet bildet man sich ein Urteil. Dieses „Vorurteil“ bedarf zur Richtigstellung (auch der subjektiven!) der Bestätigung. Dafür fehlt aber nahezu immer die Gelegenheit. Jedes Urteil, jede Betrachtung ist relativ. Ein Farbiger unter lauten Weißen ist eine Ausnahme. Sie führt zu seiner besonderen Beachtung, Ob er will oder nicht. Den Weißen in Afrika ergeht es nicht anders. Auch unter lauter Schwarzen werde ich rassistisch betrachtet, bewertet und behandelt. Wer bis 11 zählen kann, während alle anderen nur bis 10 zählen können, ist immer als ein Besserwisser markiert. Unterschiede führen zuverlässig zu einer Bewertung. Das muß ausgehalten werden. Selbst wenn die voreiligen Rückschlüsse ungerecht sind, weil für das Richtige nicht die Zeit, die Gelegenheit und das Wissen ausreicht. So sind sie nun einmal, wir Menschen. Und ob es im Tierreicht auch Vorurteile gibt, ist unbekannt.

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Dem Leserbrief von Ockenga stimme ich voll und ganz zu.
Warum man bei der Frage "Woher kommst Du?" gekränkt sein muß, erschließt sich mir nicht. Wenn jemand anders aussieht, als die meisten Deutschen, oder mit einem anderen Dialekt/einem Akzent spricht oder fremdartig gekleidet ist, gehe ich erst mal davon aus, daß es kein Mitbürger aus meiner näheren Umgebung ist. Mit der Frage "Woher kommst Du?" zeige ich aber Interesse an der Person und möchte mit ihr in Kontakt treten. Wieso kann man auf diese Frage nicht einfach antworten: "Ich komme aus Düsseldorf, aber meine Eltern/Großeltern kommen aus XY.
Wer auf diese harmlose Frage arrogant oder unverschämt antwortet, muß sich nicht wundern, wenn Vorurteile erst recht geschürt werden.

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Sehr geehrte Damen und Herren,
o.g.Artikel habe ich gelesen, ich verstehe gar nicht, was sie damit meint,
wenn ich als weiße Frau in Afrika leben würde, kämen doch auch solche
Fragen, was ist daran Rassismus ? verstehe ich nicht, vielleicht kann
man mir es mal näher erklären, oder habe ich hier einen Denkfehler ?
Ich selber würde solche Fragen nie stellen, mir ist es völlig egal
woher ein Mensch kommt, wichtig ist, wie er sich verhält zu dem Land,
wo er lebt.
ich würde mit freuen, wenn Sie diese Sätze auch in Ihrer nächsten
Ausgabe mit veröffentlichen würden.
freundlich grüßend
Frau Bergmann

Liebe Frau Bergmann,
da haben Sie recht: Wenn Sie als weiße Frau in bestimmten Länden in Afrika leben würden, in denen sonst nur wenige Weiße leben, würde man Sie wohl fragen, woher Sie kommen. Aber man würde Ihnen nicht bei jeder Gelegenheit unterstellen, dass Sie eine Diebin sind und ohnehin nur Schlechtes im Sinn haben. Vermutlich würde auch niemand Sie angiften und sagen, dass Sie dahin gehen sollen, woher Sie gekommen sind. Es würde nicht "von oben nach unten" gefragt. Das ist ein großer Unterschied.
Und schön, dass es Ihnen erst einmal egal ist, woher ein Mensch kommt.
Herzliche Grüße, Christine Holch, Chefreporterin chrismon
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Liebe Redaktion,
ich bin ein großer Freund von Chrismon, aber die letzte Ausgabe hat mich enttäuscht.
Warum muss denn nun auch in Ihrer Zeitschrift die Rassismus-Keule hervorgeholt werden ?
In dem Gespräch mit Alice Hasters hätte ich mir gewünscht , dass Christine Holch auch erfragt hätte, was die Alternative zu der Frage ist : wo kommt ihre Familie , wo kommen Ihre Großeltern , Ihre Eltern her ? Und was ist an der Frage eigentlich so schlimm ?
Wir sind inzwischen ein Einwanderungsland. Da signalisiert so eine Frage Interesse und nicht Ausgrenzung , schon gar nicht die Unterstellung , das „Deutschsein wäre nicht echt“. Ich erinnere mich an viele interessante, spannende , tiefgründige Gespräche mit Migranten, denn fast hinter jedem steht ein Stück Weltgeschichte : Iraner, deren Familie vor den Ayatollahs, Eritreer und Syrer, die vor Bürgerkrieg und Krieg, Somalier, die vor Hoffnungslosigkeit und Not geflohen sind, Russlanddeutsche, die der Entwicklung in Russland misstrauten.
Mich hat immer interessiert: wie war der Neuanfang hier ? Was ist schlecht, was gut gelaufen, was kann besser gemacht werden ?
Sollen nun all diese Gespräche nicht mehr möglich sein, weil ich Angst haben muss, allein meiner Frage wegen des „Rassismus“ bezichtigt zu werden ? Wird das Interesse an Migranten und deren Geschichte nun zu „Alltagsrassismus“ umgedeutet ? Sehr schade !
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rita Knobel-Ulrich

Antwort auf von Dr. Rita Knobe… (nicht registriert)

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Liebe Frau Knobel-Ulrich,
danke für Ihre kritische Zuschrift. Ich kann es nachvollziehen, dass Sie befürchten, all die interessanten Gespräche, die Sie geführt haben, könnten nicht mehr möglich sein, weil unter Rassismus-Verdacht stehend. Und gleichzeitig traue ich Ihnen zu, dass Sie mit Feingefühl erkennen, ob die Frage nach der Herkunft angemessen ist oder nicht. Menschen, die mühsam Deutsch sprechen, kommen meist tatsächlich woanders her und könnten die Frage nach der Herkunft als Interesse auffassen. Doch Menschen wie die Deutsche Alice Hasters - und sie gibt nur über sich selbst und ihre Gefühle Auskunft in diesem Interview -, finden es peinvoll, wenn sie nach ihrer Herkunft gefragt werden und zwar als erstes, und wenn dann noch die Auskunft (Köln!) nicht akzeptiert wird. Und DAS kann ich ebenfalls nachvollziehen.
Eigentlich ist es doch ganz einfach: Man fragt nicht als erstes danach (man fragt ja auch keine sehr groß gewachsenen Menschen als erstes nach diesem Merkmal, das sie so herausstechen lässt wie eine andere Hautfarbe es tut), und man akzeptiert die Antwort, die jemand geben möchte über sich und seine Familie und bohrt nicht insistierend nach. Und schon gar nicht widerspricht man, wie es viele Deutsche mit dunkler Hautfarbe erleben: "Nein, Sie können nicht aus Hamburg stammen!"
Das machen Sie sicher alles nicht. Insofern: Bleiben Sie doch einfach bei Ihrer Umgangsweise.
Herzliche Grüße, Christine Holch, Chefreporterin, chrismon, das evangelische Magazin
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Ein Super Beitrag von Chrismon. Wie nahe Sie damit am Puls der Einwanderungsgesellschaft sind. Ich verstehe es, dass sich manche Lesende etwas verstört fühlen können. Man lernt halt nie aus, aber wird doch damit umgehen können! Danke, dass Sie zu meiner Sensibilisierung für ein gutes Umgehen miteinander beigetragen haben.

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Danke an Alice Hasters und Christine Holch für das spannende Interview. Durchaus lohnend, nicht gleich in die Abwehrhaltung zu gehen und den Text zu Ende zu lesen. Mir ist deutlich vor Augen geführt worden, wie wichtig es ist, sich mit der deutschen Kolonialgeschichte und den daraus resultierenden historischen Entwicklungen zu beschäftigen, die bis heute wirksam sind. Danke auch für die vielen wichtigen Hinweise für eine Sensibilisierung gegenüber den Verwerfungen, zu denen Rassismus führt.

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Ich kann hinter der Frage nichts Verwerfliches finden. Wenn ich als junger Mensch in einem unserer Nachbardörfer war und meine Sprache verriet mich als Fremder, wollten die Leute wissen, woher ich komme. Wenn ich in einem fremden Land unterwegs bin, fragen mich die Taxifahrer, woher ich käme. Als die ersten Flüchtlinge nach dem Krieg zu uns kamen, wollte man sie einordnen nach ihrer Herkunft, auch später, als sie schon lange hier lebten, aber der Zungenschlag noch anders war. Ob nun Sprache, Kleidung, Hautfarbe: stets entsteht diese Frage, die zunächst doch nur menschlich ist: das Bedürfnis einzuordnen ist nicht rassistisch!

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mit großem Interesse lese ich ihre Zeitung Chrimon.
Die Artikel über Rassismus sind immer wieder wichtig ,man kann gar nicht genug darüber schreiben.
Mir fällt auf,dass sich hauptsächlich Menschen die aus anderen Ländern kommen u. ausländisch aussehen,davon betroffen fühlen.
Ich bin eine deutsche Frau ,bin 75 Jahre alt habe erwachsene Kinder bin verheiratet.
In meinem Heimatort leben viele Menschen verschiedenster Kultur friedlich beieinander.
In einer Fußgängerzohne wo Fahrradfahren untersagt ist, wurde ich von einem Schüler angefahren und ich wagte höflich darauf hinzuweisen .
Daraufhin sagte dieser türkische Junge zu mir HALTS MAUL DU DEUTSCHE SCHLAMPE
Auch das ist Rassismus von Ausländern an uns. Gerne werden Deutsche auch als NAZIES beschimpft .
mit freundlichen Grüßen
Hannelore Grimm

Ja Aggression, ist neben Neurosen und Psychosen das Hauptsymptom des nun "freiheitlichen" Wettbewerbs ums "goldene Kalb", doch zur Ursache kommen wir aus Gründen der liebgewonnenen Systemrationalität nicht, lieber zelebrieren wir den "Tanz um den heißen Brei", indem wir die Schuld- und Sündenbocksuche mit allerlei PSEUDOMORAL bemühen.

Liebe Frau Grimm,
das tut mir sehr leid, dass Sie so eine Erfahrung machen mussten!
Seien Sie gegrüßt
Christine Holch, Chefreporterin chrismon
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Sehr geehrte Damen und Herren,
mit großem Interesse habe ich das Interview mit Alice Hasters gelesen und es hat mich nachdenklich gemacht, da mir manche Dinge bisher gar nicht bewusst waren.
Die Frage: „Wo kommen Sie her?“ könnte von mir sein, da ich mich sehr für fremde Länder interessiere.
Ich kann ja in diesem Moment nicht wissen, dass eine Deutsche/ein Deutscher vor mir steht.
Es schockiert mich ein Wenig, dass ich damit den gefragten Menschen unangenehm berühren könnte.
Das Äußere eines Menschen lässt uns manchmal glauben, dass er aus einem anderen Land kommt oder stammt, weil er nicht so aussieht, wie die breite Masse des Landes, in dem er lebt.
Deshalb finde ich die Frage nicht verwerflich und sie deutet meiner Meinung nach auch keineswegs auf rassistische Hintergedanken hin, sondern eher auf Interesse an anderen Menschen.
Eine mögliche Antwort wäre: „Ich bin Deutsche und komme aus Köln. Falls Sie jedoch meine Vorfahren meinen, da weiß ich leider nicht, woher diese stammen.“
Das braucht dann keiner als Rechtfertigung zu empfinden, sondern einfach nur als Klärung der Tatsache.
Auf diese Weise wäre der Gefragte nicht unangenehm berührt und der Frager würde sich nicht unterschwellig rassistisch vorkommen.
Möglicherweise kann sogar ein sehr nettes Gespräch daraus hervorgehen und es entsteht ein bisschen mehr Wohlbefinden für beide Gesprächsteilnehmer .
Viele Grüße
Kordula Karn

Zu sagen:"Ist doch nicht so schlimm, wenn man nach seiner Herkunft gefragt wird" ist für einen Weißen natürlich kein Problem. Er wird schließlich nie aufgrund seiner Hautfarbe schickaniert, verdächtigt, kontrolliert, ausgrenzt... Weiße Menschen leben in einer Parallelwelt, in der vieles völlig selbstverständlich ist, zb. am Flughafen kommt man häufig ohne große Kontrollen durch, man wird überall auf der Welt respektiert und bekommt immer einen Tisch im Restaurant, ein Hotelzimmer usw. Ich selbst bin Blond und blauäugig und ich erlebe das häufig. Meine dunkelhäutige Freunde werden dagegen komplett anders behandelt. Ständig von der Polizei kontrolliert, böse angeschaut, Türsteher lassen sie nicht in Clubs usw. Da ist viel Wut und viel Schmerz und es ist durch und durch ungerecht. Ist es eigentlich nicht egal woher man kommt? Das gleiche gilt auch für das Geschlecht, Alter, Religion, sexuelle Orientierung usw. Über solche Dinge muss man erst gar nicht sprechen. Erst wenn die Gesellschaft sich von diesen Kategorien und Schemata befreit, wird die Gesellschaft sich auf wichtigeres besinnen, wie Solidarität, Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit.

Liebe Frau Karn,
danke für Ihre Zuschrift. So wie Sie habe ich bis zum Interview mit Frau Hasters auch gedacht: Man fragt freundlich-höflich nach der Herkunft und bekommt dann eine freundlich-höfliche Antwort. Aber dann habe ich mir mit einiger Konzentration versucht vorzustellen, ICH hätte eine dunkle Hautfarbe und gehe die Wege, die ich eben so gehe (z.B. Supermarkt, U-Bahn, Museum etc.) oder bin tätig, wie ich halt tätig bin, meinetwegen in einer Diskussionveranstaltung. Und dann soll ich fremden Leuten dauernd eine Kurzbiographie von mir bzw. von meinen Eltern liefern? Nur weil ich eine andere Hautfarbe hab? Was geht das die anderen Leute eigentlich an? Anderes Beispiel: Vielleicht habe ich eine Beinprothese - da würde ich mir verbitten, dass mich Leute als Allererstes immer fragen "Wie ist das denn passiert?"
Kurzum, das Interesse an anderen Menschen/ die Neugier, ist nicht immer harmlos, sie kann verletzen. Wenn man denn dann schon in Kontakt ist, weil man über GEMEINSAMES ins Gespräch gekommen ist, dann könnte die Frage nach der Familie okay sein. Frau Hasters zum Beispiel macht daraus ja kein Geheimnis.
Herzliche Grüße,Christine Holch, Chefreporterin chrismon
 

Guten Tag Frau Holch,
leider muss man in Ihrem Rundumschlag auch feststellen, daß sie die nachvollziehbare Ursache der immer wieder eskalierenden Bewusstseinsschwäche der Menschen ausklammern, so wie das Populisten im "Tanz um den heißen Brei des goldenen Kalbes" eben tun, oder weil sie eben auch nur eine Journalistin in Verpflichtung zu "Neutralität" zur herkömmlich-gewohnten Bewusstseinsbetäubung der zeitgeistlich-reformistischen Hierarchie des ... sind!?

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Ich bin Deutscher und habe ein Jahr in Südamerika gelebt und gearbeitet. Von den Leuten auch insbesondere den Inkas kam häufig als erste Frage auf Spanisch, aus welchem Land ich denn komme. Mir ist dabei nie in den Sinn gekommen, dass man mich damit abwerten oder diskrimieren möchte bzw. dass das zu privat ist. Die waren einfach richtig neugierig. Man denke hier gleichzeitig an das spanische Erbe aus der Kolonialzeit. Die könnten wahrlich verärgert sein über die Weißen. Der erste Satz in Ihrem Interview zeugt nicht gerade von Selbstbewusstsein der Autorin, sondern unterstellt meiner Meinung nach sofort das Negative in der Frage nach dem wo man herkommt. Warum nicht locker bleiben und stabil seine Herkunft beschreiben. Und dazu stehen, aufrecht. Andauernde Wut wie im Interview gesagt ist da meiner Meinung nicht hilfreich. Stellt sich für mich natürlich dann die Frage, welchen Wert dann dieses Buch am Ende hat.

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Es geht um die Verletzungen/Verletzlichkeit, die Menschen im "Zusammenleben" des "gesunden" Konkurrenzdenkens im nun "freiheitlichen" Wettbewerb erfahren/erlitten haben, Menschen die gekommen sind um zu bleiben / die nicht nicht nur zu Besuch sind - das ist doch nicht so schwer zu erkennen!?

Ich kann mir sogar vorstellen, daß die Frau Hasters das Buch nur stellvertretend geschrieben hat.

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Sehr geehrte Frau Holch, sehr geehrte Frau Hasters,
vielen Dank für diesen Artikel, das Thema ist virulent und das ist gut.
Mein Deutschsein ist auch echt (irgendwo bei Pantone 57-6 C), so echt, dass ich schon als Kind früh häkchengekrümmter Rassist bin (ich hoffe, dieser Grad von Echtheit fehlt Ihnen). Mein Haar in HJ-Frisur vom Frisör gegenüber kurzgeschoren, Lederhose, Diener machen, Kinder mit nem Willen kriegen was auf die Brillen, das war meine Kindheit der späten 50er, frühen Sechziger, vor den Beatles. Es ist dabei nicht so, dass ich im Denken rassistisch bin, dazu habe ich zuviel gelernt, in Kirche und Schule, in Studium und Beruf, rein kognitiv bin ich ein Liberaler, Menschenrechte sind mir selbstverständlich, Diskriminierung lehne ich ab, egal ob als Frauen, Männer, Schwarze, Weiße, Farbige, Juden, Moslems, oder auf welche auf andere Weise als minderwertig klassifiziert.
Und doch leben in mir Vorurteile. Sie schlichen sich früh ein, offen gesagt wurde nichts, man war anständiger Demokrat, aber unter der Hand (an der Kaffeetafel leise ins Nachbarohr geraunt: damals, als der Jude rausmusste) wusste jeder Bescheid, hatten alle das Geheimnis, (glühende) Nazis gewesen zu sein, irgendwo für Wissende sichtbar als Zeichen, mir als Kind ist es sozusagen eingewachsen, unbemerkt, unerkannt, aber wirksam. Erstmals fiel mir das auf, als ich Juden nicht nur als schulmäßige Pejorativ-Opfer, sondern als lebendige Menschen traf. Was da alles an kindlicher Vorgeschichte aus dem Unbewussten nach vorn drängte, war beeindruckend. Mit Muslimen ging es weiter, Schwarze folgten. Es steckt sehr viel in mir, dass mich erschreckt, dumpfe Gefühle steigen auf. Gegenverhalten ist dann erstmal Philo-Verhalten, ähnlich dem bekannten Phänomen des Philosemitismus, auch nicht gerade erfreulich. Es ist immer wieder anstrengend, das eigene rassistische Innere zu erfühlen, zu durchdenken und durchzuarbeiten, Befreiung ist möglich, aber schwierig und langwierig. Jede Begegnung erzeugt Befangenheit, Nazikindfremdschämen, was darf ich jetzt, lächeln, wegsehen, hinsehen, was sagen, nichts sagen, Hilflosigkeit des Anteils in mir, der den Rassismus loswerden will.
Sicher hilft es, das Thema offen anzusprechen, sicher ist es aber auch nicht leicht, den unbewussten Widerstand aller "echten" Deutschen auszuhalten, die Ihnen (und auch mir) begegnen, die Abwehr schlägt sofort zu, Therapie wäre vielleicht für manche sinnvoll, hilfreich wäre auf jeden Fall der Abwehr gegenstehende Offenheit.
Während meine Generation noch direkt von Nazis umzingelt war, haben es die Generationen ab Mitte der 60er schwerer, hier waren es die weiter entfernten Großeltern, altersmilde, von denen jedes Kind "wusste", das Opa und Oma keine Nazis waren, alle Deutschen waren für sie, egal ob als Soldaten, Handwerker, Hausfrauen, Fabrikbesitzer oder Arbeiter, "selbstverständlich" im Widerstand, mindestens aber haben sie "nichts gewusst" und erst recht "nichts getan", was den Enkeln hätte peinlich sein müssen. Außer den Nazis natürlich, aber die kamen ja aus dem Weltall. Bei den Urenkelinnen der Urgroßeltern ist das inzwischen verstärkt so. Sie fühlen sich daher besonders angegriffen.
Und doch gibt es - wie aus dem scheinbaren Nichts - wieder Nazis.
Und damit komme ich zu einem Problem: "Say it out loud, I'm black and I'm proud" ist ok, solange es nicht Stolz ist, der sich genau daraus ergibt, schwarz zu sein. Denn das wäre nichts anderes, als "identitäre" Politik von der anderen Seite, der Stolz darauf, weiß zu sein. Es entsteht eine Gegenwelt, die sich auf dieselbe Weise abgrenzt, wie es die Rassisten tun, Hautfarbe wird zum Wesensmerkmal mit umgekehrtem Vorzeichen.
Da weder Rasse noch Hautfarbe oder andere äußerliche Merkmale Wesenskern bildend sind (sonst hätte der Rassismus doch noch um die Ecke herum recht bekommen), muss einigendes Drittes gefunden werden, wenn Rassismus überwunden werden soll, über alle "Farben" hinweg. Die Geschichte hat gezeigt, dass Hautfarbe kein sicheres Zeichen für friedliches Verhalten ist. Schwarze wie Weiße wie Christen, Juden und Moslems waren Sklavenhändler, Schwarze wie Weiße wie Christen, Juden und Moslems waren Sklaven (über Asien lässt sich ähnliches finden, das lasse ich hier aber aus). Auch vor Völkermord als eigene Tat an anderen ist keine dieser "Gruppen" sicher (Juden sind da historisch ausgenommen, soweit ich weiß, waren sie bisher in außerbiblischen Zeiten Opfer).
Das Selbstbewusstsein als Angehöriger einer Pseudogruppe (Antirassen"rasse") sollte daher nicht in Abgrenzung gegenüber den anderen (Anti)Rassengruppen bestehen, sondern in Anerkennung des Selbstseins in der Suche nach dem gemeinsamen Dritten. Auf einfachster Ebene sollte z.B. niemand einer weißen Frau das Tragen von krausem Haar als Kulturraub verbieten (im Gegenzug niemand einem schwarzem Afrikaner das Tragen eines Anzugs aus denselben Gründen, sie tragen sie selbstverständlich wie andere, auch wenn dies Kleidungsstücke aus anderem Kulturkreis (schlimmstenfalls dem der Unterdrücker) entstammen). Es sollte auch niemanden wegen seiner Hautfarbe oder Herkunft verboten werden, sich zu den Lebensverhältnissen anderer zu äußern, es dürfen z.B. auch Nicht-Mexikaner über deren Leid schreiben, ohne dafür wegen Ihrer Hautfarbe angeprangert zu werden. Gern aber dürfen natürlich falsche Argumente oder Tatsachenverfälschungen kritisiert werden.
Will man das Machtgefälle des Rassismus überwinden, scheint es mir nicht sinnvoll, hier einfach nur ein Gegengefälle zu schaffen, das trennt und führt nicht zusammen. Damit will ich persönliche Abgrenzung, die der Selbstfindung dient, nicht ausgrenzen, es sollte sich aber nicht zu neuen Rassemerkmalen verdichten.
Hilft das Ihrem Leid? Nein. Hilft das Ihrer Wut? Nein, eher vielleicht sogar das Gegenteil. Macht es Begegnungen leichter? Eher nicht, die Spannung bleibt. Gibt es ein Machtgefälle? Ja. Rassisten sind klar im Vorteil, Identitätspolitik führt zu Trennung derjenigen, die sich, statt sich zu vereinen, klitzeklein abgrenzen untereinander, stärkt die Rassisten weltweit, egal, ob USA, Niederlande, Frankreich, Polen, Italien, Österreich, Türkei, Russland, Deutschland etc. Da wir (zumindest kann man das nachlesen) alle Rassisten sind, sind wir leider dafür auch empfänglich, man siehts an Wahlerfolgen.
Was tun? Weitermachen. Gegen den Strom. Das alle Verbindende suchen, das Trennenende teilweise anerkennen, teilweise überwinden. Es wird nicht leichter, wir haben so viele Probleme, die sich alle nicht einfach auflösen, teilweise einander widersprechen. Klimawandel, Verlust von Zuhause, Finanzkapitalismuskrise, Verlust der Mitte bei Wahlen, Polarisierung, Rassismus. Der ist schon so lange da, es wird ebenso dann wohl auch lange dauern, bis er überwunden ist. Nur: Bitte nicht jede(r) für sich allein in seinem Antirassenrassenschneckenhaus, sondern gemeinsam. Das tut weh, es bleibt soviel, das nervt, selbst Weiße wie mich, wie schwer muss es dann für Sie sein!
Viel Erfolg wünsche ich Ihnen allen anderen und mir!
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Schütze

Sehr geehrter Herr Schütze,
haben Sie vielen Dank für Ihren anregenden und ehrlichen Leserbrief. Ja, es ist mühsam, das mit den eingewachsenen Vorurteilen. (Mein Opa war übrigens tatsächlich Nazi, wie ich herausgefunden habe.)
Herzliche Grüße, Christine Holch

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Liebes Chrismon-Team,
das Gespräch mit Alice Hasters, wie überhaupt das Thema "Rassismus", beschäftigt mich sehr. Wie kann man damit umgehen, wie kann man sich verhalten? Es gibt sicher verschiedene Motive, wenn man nach der Herkunft fragt. Neugier? Interesse an der Herkunft, an der Kultur, am Anderssein? Hoffnung auf ein Märchen aus 1000 und einer Nacht? Nicht immer wird es Aggression sein nach dem Motto, was machst Du überhaupt hier? Du klaust uns die jobs, Du frisst uns alles weg! Es geht übrigens genauso anderen Menschen mit europäischen Namen, die z.B. aus Spanien, Italien oder Griechenland kommen. Sie haben ebenso Probleme, eine Wohnung oder eine Arbeit zu finden. Es liegt also an einer Grundhaltung der Deutschen, die es zu ändern gilt. Es wird aber in anderen Ländern genauso sein. Übrigens sind die Polen, die im 19. Jhrh. zu uns kamen, um bei uns zu arbeiten, völlig "integriert". Da fragt keiner mehr, woher sie kommen und was sie eigentlich hier tun.
Leider ist es inzwischen so, dass man selbst schon gar nicht mehr fragen mag. Was wird man für eine Antwort erhalten? Wir haben im Biergarten eine sehr nette Bedienung, offensichtlich mit Migrationshintergrund, aber fließend deutsch sprechend. Es interessierte uns schon, woher sie kommt und wie sie hier ihr Leben gestaltet. Man hat Scheu, aber schließlich fragten wir sie. Sie ist vor fünf Jahren aus Irak gekommen und studiert hier jetzt. Vielleicht hat sie durch den längeren Kontakt im Biergarten bemerkt, wir begrüßen uns, dass wir wirklich aus Interesse fragen. Übrigens hat sie deutsch erst hier gelernt. Nicht nur derjenige, der scheinbar aus dem Ausland kommt, hat Probleme, sondern jeder, der irgendwie anders ist. Zu dick, zu klein, behindert, laut, albern. Diese Menschen werden eher aggressiv angegangen - man muss nur an sich selbst denken, wie die Vorurteile nur so sprudeln. Und wie ist es mit Transsexuellen? Da gibt es ja einen erschütternden Bericht im selben Chrismon-Heft. Auch hier begegnet man mit Vorurteilen. Sie kommen automatisch. Wichtig ist aber, wie man damit umgeht. Die Beispiele lassen sich beliebig verlängern. Wenn Männer Hand in Hand miteinander in der Öffentlichkeit gehen - das geht doch nicht, übrigens war es früher bei älteren Paaren auch nicht möglich - bei Frauen kümmert sich keiner darum, naja, es sind ja nur Frauen - die kann man ohnehin nicht für voll nehmen. Wie schwer haben es Frauen in Top-Positionen, sie müssen besser sein als Männer. Können sie es überhaupt, sollten sie nicht besser etwas anderes tun? Ich war früher im Vertrieb tätig und hatte oft eine Kollegin von der Vertragsabteilung dabei, wenn es zu einem Abschluss kam. Sie wurde gelegentlich vom Inhaber des Unternehmens mit "Mädele" angesprochen. Ob sie sich geärgert hat? Ich weiß es nicht, ich war so irritiert, dass ich sie nicht gefragt habe. Sie hat es aber auch nicht zum Thema gemacht. Ein erschütterndes Beispiel ist es, als nach dem 2. Weltkrieg an die 14 Millionen deutsche Flüchtlinge aus dem Osten kamen. Man hat sie verachtet - das Flüchtlingspack. Es ist gut, wenn diese Themen, z.B. auch der wieder aufflammende Antisemitismus, endlich aktiv in Angriff genommen werden. Das Volk scheint einen "Bumann" zu gebrauchen, um seinen Frust loszuwerden und von sich selbst abzulenken. Wie kann, wie soll man sich verhalten? Vor noch etwa zehn Jahren habe ich gesagt, es gibt drei Themen für Angriffe auf eine bestimmte Menschengruppe. Damals waren es die Türken, auf die man gehetzt hat. Die zweite Gruppe sind die "Juden" - doch war es damals noch nicht opportun und die dritte Gruppe die Homosexuellen.
Diese Ausführungen sind natürlich keine Lösung, vielleicht aber ein Denkanstoß. Natürlich können Sie sie weitergeben, z.B. auch an Frau Hasters.
Herzliche Grüße und dieses Mal "weiter so".

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Sehr geehrte Damen und Herrn ,
ich finde es schade, wenn Kontaktaufnahmen so negativ erlebt werden wie eben in diesem Interview beschrieben. Die Hautfarbe ist tatsächlich kein wesentliches Merkmal der Persönlichkeit . Aber sie ist nun mal ein auffallendes Merkmal, das spontan Neugier, Scheu, Ablehnung, Fremdheit hervorrufen kann. (Schlimmeres möchte ich hier ausklammern)
Ein Vorschlag zum besseren Verständnis fällt mir ein. Frau Hasters könnte ja genauso zurückfragen :"Wo kommen Sie her?"
"Was ist die Herkunft Ihrer Vorfahren?" Das kann schlecht ausgehen, aber es kann auch gut ausgehen, nämlich in einen Dialog.
Mit freundlichen Grüßen,
Marlis Blatt-Homrich

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Sehr geehrte Damen und Herren,
die Erfahrungen der Autorin Alice Hesters, wie sie im Interview mit Christine Holch beschrieben werden, machen nachdenklich und das Buch von Frau Hasters ist es wert, dass man sich damit auseinandersetzt. Ein Auszug aus dem Buch (die rosa Blöcke sind jawohl Auszüge aus dem Buch) erschreckt mich allerdings - Zitat:" ... denn bei Wildtieren existieren keine Rassen, sondern nur Arten, etwa der Indische oder der Afrikanische Elefant." Dieser Zusatz kommt in der Jenaer Erklärung nicht vor und wäre auch von den Autoren nie so geschrieben worden. Dieser unwissenschaftliche Zusatz, der wohl von Frau Hesters eingesetzt wurde, wurde leider vom Lektorat nicht gestrichen und auch von der Chrismon-Redaktion nicht als "fake" erkannt. Schade.
mit freundlichen Grüßen
Dieter Sauer

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"Wo kommst du her?" sicherlich eine ambivalente Frage, die oft genug im biblischen Kontext steht. Diese Frage von den Interviewpartnern Alice Hasters und Sami Omar als rassistisch anzusehen, halte ich für sehr riskant. Zum einen wird ein solcher Fragesteller, der keinen rechtslastigen Hintergedanken damit verbindet, ungeprüft in die rechte Ecke verbannt. Andererseits sehen sich die Rechts - Nationalen darin bestärkt, das Andersartige bei uns nichts zu suchen haben. Wer durch Äußerlichkeiten, egal welcher Art, Fragen auslöst, sollte diese erstmal als wohlwollende Neugier deuten. Für eine kritisch ablehnende Reaktion, bis hin zur Klage, bleibt in unserem Rechtsstaat immer noch Zeit.
Freundliche Grüße
Werner Valkieser

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Sehr geehrte Damen und Herren,
ich komme aus Syrien und lebe seit 62 Jahren in Deutschland. Wir Ausländer, mit deutscher Staatsangehörigkeit oder ohne, sollen nicht immer rassistische Motive vermuten, wenn eine Person (Deutsche oder Andere) uns fragt wo wir herkommen, oder unsere deutschen Sprachkenntnisse kommentiert. Rassisten gibt es natürlich auch. Wir Ausländer sollen solche Fragen und Kommentare in erster Linie als ein Zeichen des Interesses an die gefragte Person interpretieren. Genauso wie wir fordern, nicht hinter jedem Ausländer einen potenziellen Kriminellen zu vermuten, können wir auch nicht bei solchen Fragen den annähernd 80 Millionen ethnischen Deutschen rassistische Motive unterstellen. Insofern ist so eine Frage nicht „blöd oder beleidigend“ und eine entsprechende Antwort wäre angebrachter.
Mit freundlichem Gruß
Jean Jano

Wenn Sie Ausländer mit deutscher Staatsbürgerschaft sind, dann wünsche ich Ihnen viel Spaß. Es gibt aber auch Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft, die sich nicht zu Ausländern zählen wollen, weil sie im rechtlichen Sinne es auch nicht sind. Ich denke, jeder Mensch hat das Recht, sich selbst zu definieren und sich nicht von anderen definieren und bewerten zu lassen. Ich sehe das Problem bei den Bio-Deutschen. Man hat die Staatsangehörigkeit mit der Nationalität gleich gesetzt. Es gibt Länder, da bedeutet "Nationalität" die ethnische Abstammung. In Deutschland ist es verboten aus scheinheiligen Gründen. Hier heißt es deutscher Staatsbürger=Deutscher. Und genau damit kommt weder der Staat selbst noch seine Bevölkerung zurecht. Statt zu sagen " Ihr seid keine Deutschen, sondern heißt von vornherein und ganz offiziell z.B. Brasilianer mit deutschem Pass, wurde der Migrationshintergrund erfunden. Ich glaube, wenn Menschen von vornherein wüßten, dass sie bloß Polen, Albaner etc. mit deutschem Pass sind, hätten sie damit weniger Probleme. Aber nein, sie werden zu Deutschen gemacht, was ja auch eine Zugehörigkeit erzeugt ( bei vielen), und dann sagt man : " Aber du bist doch kein richtiger Deutscher!". Leute, entscheidet Euch! Entweder soll es mit diesem Deutschsein für immer aufhören, oder es darf eben keine falschen Deutschen, Deutschen mit Migrationshintergrund etc. mehr geben.

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Liebe chrismon-Redaktion!
Die Lektüre des Interviews mit Alice Hasters im September-Heft von chrismon hinterlässt in mir Ratlosigkeit, Trauer und Zorn.
Zornig macht mich, wie nonchalant Frau Hasters Ansprüche an ihre Mitmenschen stellt, ohne selbst auch nur den Versuch zu unternehmen, dieselben Ansprüche zu erfüllen. Jesu Weisung in der Bergpredigt, andere so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden will, kennt oder akzeptiert sie offensichtlich nicht. Bei anderen dekretiert sie, es komme nicht darauf an, wie etwas gemeint sei, sondern was es bei ihr auslöse. Wenn sie selbst aber ihre Gesprächspartner verletzt, zum Beispiel mit dem massiven Vorwurf rassistischen Verhaltens, weist sie jede Verantwortung dafür, was sie damit bei ihnen auslöst, von sich.
Dann zählt nur noch, wie sie es gesagt und gemeint haben will.

Ratlos macht es mich, weil kein Ansatz erkennbar ist, wie Frau Hasters zu helfen oder menschlich mit ihr auszukommen wäre. Sie hat sich häuslich eingerichtet in ihrer deklarierten permanenten Wut, die sie daran hindert, ihre Mitmenschen als Menschen wahrzunehmen. Mich jedenfalls wirft sie mit ihren Äußerungen weit hinter das bereits Erreichte im Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft oder unterschiedlichen Aussehens zurück, weg vom aufgeschlossenen und wertschätzenden Umgang miteinander und zurück zu gegenseitigem Misstrauen, Vorwürfen und Abwertungen.

Das dominierende Gefühl nach der Lektüre ist aber Trauer darüber, wie ein Mensch sich sein eigenes Unglück schafft und es nicht einmal merkt, weil sie so damit beschäftigt ist, die Schuld bei anderen zu suchen.
Frau Hasters verlangt von ihren Mitmenschen, sich ständig Gedanken darüber zu machen, was sie mit ihrem Verhalten bei ihr auslösen, und beklagt sich dann, dass Menschen anders reagieren, wenn sie den Raum betritt. Sie verprellt und beleidigt die, die sich alle Mühe geben, rassistisches Verhalten zu vermeiden, indem sie sie in einen Topf wirft mit unsäglichem Benehmen wie dem der alten Frau, die sie in der Bahn daran hindert, einen Sitzplatz einzunehmen, und ist offensichtlich nicht glücklich, dass sich viele dann verletzt zurückziehen. Sie generiert Schuldgefühle durch unerfüllbare Anforderungen und ist dann bedrückt von dem Resultat, dass die Opfer dieser Schuldgefühle ihr mit Befangenheit begegnen oder mit Abwehrverhalten reagieren. Sie kritisiert, dass nicht erfasst wird, wieviele "schwarze" Menschen in Deutschland leben, und perpetuiert damit selbst die Einteilung in "schwarz" und "weiß", unter der sie dann wieder leidet. Sie hat für sich selbst beschlossen, dass es "den Leuten" grundsätzlich gar nicht um ihre Person gehe, und erstickt dadurch vorhandenes echtes Interesse an ihrer Person, das sie dann wieder vermisst. Sie ist fest entschlossen, ihre gesamte Umwelt als als latent oder manifest rassistisch wahrzunehmen, und erzeugt dadurch eine klassische self-fulfilling prophecy. Man könnte das Interview überschreiben mit "Anleitung zum Unglücklichsein", wenn das nicht bereits als Buchtitel vergeben wäre.
Freundliche Grüße
Tilman Schmidt

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Beim Lesen des Interviews mit Alice Hasters zum Thema Rassismus drängt sich der Gedanke auf, dass Frau Hasters selber Probleme mit ihrer afrikanischen Herkunft hat und sie möchte, dass ihre Hautfarbe vornehm übersehen wird wie etwa eine große Warze auf der Nase. Das ist schade!
Mir fiel spontan ein Interview ein, das vor einiger Zeit im Fernsehen mit Gisèle Bündchen, dem brasilianischen Model, geführt wurde. Frau Bündchen wurde auf Grund ihres Nachnamens nach ihrer deutschen Herkunft befragt.
Sie reagierte gar nicht beleidigt und bestand nicht darauf, dass sie doch Brasilianerin sei und damit basta. Nein, sie lachte vergnügt und sagte, dass ihre Familie doch schon in der 5. Generation in Brasilien lebe, es aber durchaus möglich sei, dass sich doch noch irgendwelche angeblich deutschen Eigenschaften bei ihr bemerkbar machten (Pünktlichkeit o.ä).
Diese Unbefangenheit und Selbstsicherheit ist Frau Hasters zu wünschen!

Hallo Frau Hess, Alice Hasters ist nicht "afrikanischer Herkunft". Sie ist deutsch. Meine Vorfahren kamen auch irgendwann vom afrikanischen Kontinent. Und spätere Vorfahren kamen während der Völkerwanderung oder später aus dem slawischen Raum. Bin ich deshalb afrikanischer oder russischer Herkunft? Den Vergleich, den Sie zwischen einer dunklen Hautfarbe und einer großen Warze auf der Nase ziehen, finde ich gut. Denn so viel Anstand ist dann doch zu erwarten, dass man jemanden mit auffälliger Warze nicht dauernd darauf anspricht, oder?
Herzliche Grüße, Christine Holch, Chefreporterin chrismon

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Liebes Chrismon-Team,
ich lese Ihr Magazin seit Jahren mit großer Begeisterung. Vielen Dank dafür! Das Thema Rassismus und das Interview mit Alice Hasters fand ich besonders gut, wichtig und zeitgemäß. Als ich hierzu in der aktuellen Ausgabe die Leserbriefe gelesen habe, war ich von Brief zu Brief bestürzter, hilfloser, wütender. Haben sich wirklich nur Menschen gemeldet, die der Meinung sind, wenn man ausgegrenzt, verächtlich behandelt und diskriminiert wird, solle man "sich nicht so anstellen"?
Wenn man im Urlaub in Asien als Europäer auffällt, mag das eine lustige Annekdote sein, die zum Urlaubsgefühl und dem Reiz der Fremde beiträgt. Wenn man im eigenen Land immer "die Fremde" ist, ist das nicht lustig, sondern verletzend. Ist das so schwer zu verstehen, weil wir Nicht-Diskriminierten uns auch an die eigene Nase fassen und umdenken müssen?
Ja, es tut weh, festzustellen, dass man etwas falsch gemacht und andere damit verletzt hat. Natürlich ist die Frage "wie war dein Start in Deutschland" oder "wo kommen Sie denn her" nicht per se verboten. Es kommt aber auf den Kontext an! Wenn es sich in einem Gespräch auf Augenhöhe so ergibt und passt, kann es zu einem sehr intensiven, verbindenden Gespräch führen, das weiter wirkt. Aber davon auszugehen, dass man etwas Gutes tut, wenn man den gebrochen deutsch Sprechenden (oder den fließend deutsch Sprechenden mit dunklerer Haut) ohne entsprechende athmosphärische Einladung nach seinem Start in Deutschland oder seiner Flucht- oder sonstigen Familiengeschichte fragt, ist das unpassend und übergriffig! Das bedeutet natürlich nicht, dass man mit Menschen mit vermeindlichenm "Migrationshintergrund" gar nicht sprechen sollte, weil man ja ggf. etwas falsch machen könnte. Aber es bedeutet, dass man sich bewusst sein muss, dass man etwas falsch machen kann! Es gehört zur Kommunikation auf Augenhöhe, dass auch der Gesprächspartner das Recht hat, meine (nett gemeinten oder auch neugierigen) Fragen als unpassend oder verletzend abzulehnen. Das hat etwas mit Achtung und Würde zu tun! Es macht mich traurig und wütend, wie weit wir davon noch entfernt zu sein scheinen. Rassismus ist eben nicht nur in Amerika ein Problem...
Ich bin wirklich froh, dass Sie solche Themen immer wieder aufgreifen.Danke!
Viele Grüße und in dem Zusammenhang auch herzlichen Glückwunsch zum 20.
Geburtstag! ;-)
Leila Freiburg

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Alice Hasters Worte waren für mich nachvollziehbar. Ich bewundere ihre Geduld beim Erklären und ihren Einsatz gegen die Missstände, von denen Sie erzählt. Die Reaktion "Dann kann ich wohl niemanden mehr zu seinem Migrationshintergrund befragen" ist ein Strohmann-Argument, das den Anspruch, von neugierigen Fremden nicht auf einen vermuteten Migrationshintergrund reduziert zu werden, verzerrt, indem behauptet wird, es handle sich um ein generelles Tabuthema. Ich weiß nicht, in welchem Rahmen die Gespräche von Rita Knobel-Ulrich stattfanden. Ihr Brief suggeriert, dass sie Migration mit Elend, Krieg und politischer Instabilität verbindet - ein einseitiges Bild. Meine Erfahrung ist: Wenn man mit Menschen redet, die über ihren Migrationshintergrund sprechen möchten, leiten diese selbst zum Thema hin. Sicherlich sind dann auch Fragen willkommen. Paradox erscheint mir die Auflistung jahrelanger Erfahrung mit unangenehmen Kommentare zum Thema Körpergröße von Christel Riedel. Das klingt nach berechtigter Verärgerung, doch es folgt das Resümee, man lerne, mit der eigenen Auffälligkeit umzugehen. Warum sollte man das? Ist es nicht erstrebenswert, in einer Gesellschaft zu leben, in der ungezügelte Neugier und unüberlegter Jux nicht über dem Wohlbefinden anderer stehen? Wer glaubt, dann stürben Konversation und Humor aus, ist zu bedauern.
Laura Schwinger,

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