Illustration Arnd Brummer
Anja Stiehler
Menschsein in Grenzen
Auch wenn wir Corona noch nicht im Griff haben, erleben wir Hoffnung.
Lena Uphoff
29.04.2020

"Sie sind positiv", wurde mir vor ein paar Wochen tele­fonisch vom Gesundheitsamt mitgeteilt. Mir war sofort klar, dass es sich um das Ergebnis meines Corona-Tests handelte und nicht um ein Kompliment. Bei einer schönen Geburtstagsfeier mit zahlreichen Gästen hatte ­ ich mich angesteckt. Und zwar bei der Gastgeberin selbst. Wie zigtausend andere Menschen hatte ich nun eine sogenannte Quarantäne zu durchleben. Ich durfte mehr als zwei Wochen lang unsere Wohnung nicht verlassen. Der morgendliche Gang zum Bäcker war ebenso passé wie spontane Treffen mit Freunden.

Lena Uphoff

Arnd Brummer

Arnd Brummer, geboren 1957, ist Journalist und Autor. Bis März 2022 war er geschäftsführender Herausgeber von chrismon. Von der ersten Ausgabe des Magazins im Oktober 2000 bis Ende 2017 wirkte er als Chefredakteur. Nach einem Tageszeitungsvolontariat beim "Schwarzwälder Boten" arbeitete er als Kultur- und Politikredakteur bei mehreren Tageszeitungen, leitete eine Radiostation und berichtete aus der damaligen Bundeshauptstadt Bonn als Korrespondent über Außen-, Verteidigungs- und Gesellschaftspolitik. Seit seinem Wechsel in die Chefredaktion des "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatts", dem Vorgänger von chrismon im Jahr 1991, widmet er sich zudem grundsätzlichen Fragen zum Verhältnis Kirche-Staat sowie Kirche-Gesellschaft. Seine besondere Aufmerksamkeit gilt kulturwissenschaftlichen und religionssoziologischen Themen. Brummer schrieb ein Buch über die Reform des Gesundheitswesens und ist Herausgeber mehrerer Bücher zur Reform von Kirche und Diakonie.

Das Positive: Mein Nachbar ging für mich zur Apotheke und das kleine Lädchen in unserer Gemeinde lieferte die gewünschten Lebensmittel bis zur Haustür. Das Negative: Mir blieb nur Lesen, Telefonieren, Fernsehen. Und Letzteres überhäufte unsere Gesellschaft in diesen Wochen mit einer unendlichen Kette von Experten aus Medizin, Wissenschaft und Politik. Deren Erklärungsmuster unterschieden sich zwar fachlich. Ihre ­psychosoziale Grundtonart war jedoch fast immer die gleiche: Wir ­stehen weltweit vor einem neuen, uns wenig bekannten Problem.

Wir ­werden aber versuchen, die Deutung in der Welt der Moderne nicht mit dem Hinweis auf ein Ungeheuer oder eine göttliche Strafe zu banalisieren. Dass die Wortmeldungen der Analy­tiker dennoch nicht beruhigend und entlastend ankamen, hat einen schlichten Grund: Das Coronavirus hat unser über Jahrzehnte aufgebautes Selbstbewusstsein erschüttert, gelebte Modernität könne innerhalb kürzester Zeit jedes Problem lösen.

Während ich zwischen den diversen TV-Programmen herumklickte, ging mir der Song von Udo Jürgens durch den Kopf. Und ich fing an zu summen: "Wir haben alles im Griff auf dem ­sinkenden Schiff! Volle Kraft voraus auf das nächstbeste Riff!" Nein, wir haben es nicht im Griff! Zumindest: noch nicht! Diese Einsicht in die Begrenztheit menschlichen Handelns auch in Zeiten der ständi­gen Updates unserer Technologien erfüllte mich mit Trost. Und der überall spürbare Impuls wärmte mir das Herz, gerade in Zeiten der Schwäche und Ratlosigkeit miteinander Glaube, Hoffnung und Liebe zu leben.

"Hinterm Horizont geht’s weiter"

Die Corona-Symptome blieben milde und verließen mich nach einer Woche wieder. Ich rief mein "Danke!" zum Himmel sowie den Wunsch, es möge anderen Infizierten ebenso ergehen. Wir Menschen sind Individuen. Die Pandemie machte mir jedoch klar, dass meine Nächsten ebenso in China, Italien oder Brasilien zu Hause sind wie in unserer Gemeinde.

Dass ich nun für ein oder zwei ­Jahre immun gegen das Virus bin, lässt mich durchatmen. Ebenso sehr freut mich, dass ich nicht mehr ­an­steckend bin. Dies habe ich telefonisch auch allen Freunden und ­Bekannten mitgeteilt und sie sodann zu geselligen Zusammenkünften in diesem ­Sommer aufgefordert. Und dann rannte mir der Songtext eines anderen Udo, nämlich Lindenberg, durchs Hirn: "Hinterm Horizont geht’s weiter, ein neuer Tag! Hinterm Horizont immer weiter, zusammen sind wir stark!" Das wünsche ich allen, ob positiv oder nicht.

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Sehr geehrter Herr Brummer,
“Menschsein in Grenzen. Auch wenn wir Corona noch nicht im Griff haben, ...”
Falscher Ansatz. Setzen. Oder noch mal Theologie studieren?
Als Christ werden Sie wissen, dass unserem Menschsein, Gott sei es gedankt, Grenzen gesetzt sind. Mit oder ohne Corona-Krise wissen wir das, es gehört zu unserer Bescheidenheit und zur Demut vor Gott. Und wenn Sie das mit den Grenzen vergessen haben, dann können Sie es ja beim wunderbaren Jean Ziegler in der gleichen Ausgabe von Chrismon noch einmal nachlesen. “Corona noch nicht im Griff”, das ist Hybris, in schale Hoffnung eingewickelt. Keine der täglichen Bedrohungen unseres Lebens, keine tödlichen Krankheit, denen Menschen ausgesetzt sind, werden wir im tiefsten Sinne “im Griff” haben. Und das ist gut so, denn es weist uns immer wieder unseren Platz zu, als einem unter anderen Säugetieren auf dieser schönen Welt. Allerdings sind wir begnadet mit der Fähigkeit zu Einsicht und Weisheit und zum Glauben. Einsicht und Weisheit wünsche ich Ihnen heute, aus gegebenem Anlass, siehe oben.
Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Ahrberg

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Sehr geehrte Damen und Herren!
Vielleicht will ich mich gar nicht mit dem Coronavirus abfinden, vielleicht! Was mir eigentlich mehr Sorge bereitet, das ist dieser grenzenlose "hysterische Hype", der um dieses und mit diesem Virus gemacht wird. Ein Hype, den unsere Volksvertreter und unser sogenanntes Expertengremium verursacht, und ins Rollen gebracht haben, und den sie, so befürchte ich, gar nicht mehr stoppen wollen oder können. Jede Andersdenkende im Lande wird indes als ein Verschwörungstheoretiker oder/und, als ein Rechtsradikaler verteufelt. Viren gab und gibt es schon immer auf Erden, aber "diese Pandemie ist", so tönte selbst unsere Kanzlerin Angela Merkel einmal, "eine demokratische Zumutung"!
Ihr Klaus P. Jaworek

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Sehr geehrte Damen und Herren!
Die Corona-Krise hat uns voll im Griff, stellt uns vor enorme Herausforderungen, bringt viele an die Grenzen ihrer psychischen und physischen Belastbarkeit. So sehen viele ihre Existenz bedroht, sorgen sich um ihre Gesundheit und die ihrer Angehörigen, sind überfordert mit der Vereinbarkeit von homeschooling und Berufstätigkeit, sehnen sich nach sozialen Kontakten, vermissen Reisen, Veranstaltungen, offene Kirchen mit Gottesdiensten etc.
Durch seinen Erfahrungsbericht macht uns Arnd Brummer nicht nur „Menschsein in Grenzen“ bewusst. Er trägt auch dazu bei, Menschen in Krisen zu ermutigen und sie zu motivieren, zusammenzuhalten nach dem Motto: „Gemeinsam sind wir stark.“
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Gottbrath

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