Worin sind Christen sich überhaupt einig?
Lisa Rienermann
Worin sind Christen sich überhaupt einig?
Christlicher Glaube ist vielfältig bis zur Zerreißprobe. Aber ein paar Grundsätze sind unumstößlich. Für alle.
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
20.12.2019

Vorgelesen: Religion für Einsteiger "Worin sind Christen sich überhaupt einig?"

Für die einen ist Weihnachten vorbei, viele orthodoxe Christen warten noch drauf; Christen haben verschiedene Kalender. Auch ihre Lehren und Moralvorstellungen unterscheiden sich. Nicht einmal alle glauben, dass Gott dreieinig ist: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Nicht jeder erkennt jede Taufe an. Einige bleiben beim Abendmahl lieber unter sich. Manche fordern Gewaltfreiheit, andere segnen Waffen. Aber worin sind sich alle Christen einig?

Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff

Burkhard Weitz

Burkhard Weitz war als chrismon-Redakteur bis Oktober 2022 verantwortlich für die Aboausgabe chrismon plus. Er studierte Theologie und Religionswissenschaften in Bielefeld, Hamburg, Amsterdam (Niederlande) und Philadelphia (USA). Über eine freie Mitarbeit kam er zum "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt" und war mehrfach auf Recherchen in den USA, im Nahen Osten und in Westafrika. Seit November 2022 betreut er als ordinierter Pfarrer eine Gemeinde in Offenbach.

Vielfältig bis zur Zerreißprobe war das Christentum schon immer. "Muss jemand, der tauft und die Abendmahlsworte spricht, ein ehrbarer Mensch sein?", fragte man schon im vierten Jahrhundert. "Unbedingt!", forderten die einen. "Keineswegs", wehrten andere ab: Christi Botschaft der Vergebung könne selbst dann ­wirken, wenn der Pries­ter boshaft und verlogen sei. Müssen Christen ­ihre Feinde lieben und Angriffe wehrlos erdulden, wie Jesus es fordert? "Nein", 
sagen nicht wenige, "auch tiefgläubige Christen müssen wehrhaft sein, tragen 
sie doch Verantwortung für andere." Auf all diese Fragen wird es wohl nie endgültige Antworten geben.

Christliches Abendland, heißt: offen sein für jede Hautfarbe, Ethnie und Kultur

Klar ist für alle: Jesus ist Christus, der Messias. Er ist Gottes Sohn. Nur öffnet gerade dieses Urbekenntnis Raum für Vielfalt, für verschiedene Chris­tentümer. Man kann es als Aufruf verstehen, Jesu Weg weiterzu­gehen und Gottes Gebote zu erfüllen: indem man enthaltsam lebt und so Selbstbeherrschung erlangt. Oder durch Bekennermut. Oder durch ­tätige Nächstenliebe. Oder indem man das Zusammenleben unter Christen 
gerecht und gewaltfrei gestaltet. Andere versuchen gar nicht erst, 
bessere Menschen zu sein – allein schon, um nicht selbstgerecht zu ­werden. Sie suchen die Nähe zu ihrem Heiland und Erlöser im Gebet, in der heiligen Messe oder auf Wallfahrten.

Weil das Christentum schon immer 
vielfältig war, gab es von Anfang ­Diskussionen. Immerhin: Auf zwei nicht mehr verhandelbare Posi­tionen haben sich die ältesten Christen mit ihren ersten beiden großen Richtungs­entscheidungen festgelegt. Nach einem Streit unter den Aposteln, ob Christen sich – wie Juden – beschneiden lassen müssen, entschied man sich dagegen: Der christliche Glaube ist seither offen für Menschen ohne jeden kulturellen Bezug zum Volk Israel. Er ist universell. Er gilt vorbehaltlos allen Völkern.
In den 1930er Jahren propagierten selbst ernannte "Deutsche Christen" ein Christentum "nur für Arier". Sie schlossen ehemalige Juden, die zum Christentum konvertiert waren, aus. Christen überall auf der Welt waren empört. Einige Jahrzehnte später ­reagierte der Weltkirchenrat in einer vergleichbaren Lage resoluter: Als südafrikanische Apartheidkirchen Schwarzen gleiche Rechte ab­erkann­ten, erklärte er: "Apartheid ist Sünde." Heute gilt: Wer das christliche Abendland verteidigen will, muss offen sein für Menschen jeder Hautfarbe, Ethnie und Kultur.

Hass ist unchristlich

Im zweiten großen Richtungsstreit ging es darum: Ist das Christentum eine neue Religion – oder bleibt es an das Alte Testament gebunden und ­damit ans rabbinische Judentum? Auch hier entschieden die frühen Christen klar: Sie sahen sich weiterhin 
in derselben Tradition wie die Juden.
Allerdings empfanden sie eine Kon-
kurrenz zum Judentum. Sie wurden hartherzig gegenüber denen, die aus der identischen Offenbarung andere 
Schlüsse zogen, und überhäuften Juden mit Vorwürfen und Fehlurteilen. So entstanden Antijudaismus und völkischer Antisemitismus. Jahrhundertelang verfolgten und töteten Christen Juden. Der grausame Tiefpunkt war die Schoah, der Holocaust.

Entscheidend ist aber: Jesus war ­Jude, er forderte das jüdische Gebot der Nächs­tenliebe ein. Hass ist unchristlich, auch da gibt es kein Vertun. Anti­jüdische Ressentiments dürfen um Christi willen nicht sein. Es wäre 
im Sinne Jesu, wenn alle Christen weltweit sich jedem Antisemitismus entgegenstellen, auch dem eigenen.

Eines sollten alle Christen herbeisehnen, wenn sie beten "Geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe": dass von ihnen Güte, Barmherzigkeit und Vergebung ausgehen möge, wie von Jesus.

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Sehr geehrte Damen und Herren,
hier meine kurze Reaktion zu Bukrhard Weitz : ,,Worin sind Christen sich überhaupt einig."
Zunächst finde ich es lobenswert , dass Herr Weitz diese Frage überhaupt einmal aufzuwerfen wagt und beackert.
Leider unterläuft er seine eigene gute Intention im zweiten Teil, wo er fragwürdige Kriterien zu finden scheint, die heute unaufgebbar für alle seien.
Denn damit teilt er seine Christenheit wiederum fein säuberlich von den vermeintlich anderen ab. ich beziehe mich aus Zeitgründen nur auf die erste These. Seine These, wer das Abendland verteidigen wolle, müsse offen sein für Menschen jeder Hautfarbe uw. kann so nicht stehen bleiben. Er ist im Kontext der heutigen Kirchenpolitik zutieft falsch. Ich werde auch sofort mißtrauisch, wenn igendwo im Satz ein ,,müssen", gar ,,wir müssen" auftaucht.
Niemand muss. Sicherlich liegt in dem Wort ein wahrer Kern verborgen, aber die Aussage ist unhaltbar, sowohl aus pragmatischer als auch aus theologischer Sichtweise.
Es ist ja klar, wohin die Reise geht, indem Herr Weitz, dessen Kolumne ich wirlich schätze, die eingeforderte ,,Offenheit" anscheinend doch mehr oder weniger mit der offiziösen EKD - Haltung in Eins setzten möchte, oder sollte er hier wirklich radikale Offenheit für alle Lesarten signalisieren wollen, also für anderslautende politische Positionen? Ich traue lese das eben eher einschränkend und letzlich sektirerisch, Kernkraftdebatte, sog. Friedenbewegung läßt grüßen. Der geneigte Leser ahnt die Absicht und ist verstimmt.
Ich meine im Gegensatz zur offiziell propagierten Meinung, dass ein Christ ganz und gar nicht die offizielle Gesinnungsethik in Bezug auf die Einwanderung, so wie sie jetzt geschieht, teilen ,,muss".
Ich habe leider selbst in Predigten im letzten Jahr gehört (80er Jahre reloaded), dass Pfarrer nun endlich einmal wieder auf der richtigen Seite stehen wollten, Parteien bewerteten und danach von vielen laut geklatscht wurde. Mir ist übel dabei geworden.WO führt das denn hin?
Damit wird die Gemeinde gepalten und das Reich Gottes auf die Erde gezerrt. Unser Reich kommt? How dare You! Soll sogar die Auflösung der staattlichen Ordnung (den vulgärmarxistischen Antifa Sprüchen nahe) propagiert werden, wo doch die klassischen Nationen größtenteils die Aufklärung hervorbrachten, schließlich die Aufklärung trugen, bis heute.
In der chaotischen Spätantike erlosch doch vielmehr vielenortens die römische Zivilisation, dass sollte uns in der Resth-EU doch eher zur verantwortungsvollen Stellungnahme mahnen. Zurückhaltung wäre die angemessene christliche Haltung!
Polen sprechen z.B gerne davon, dass Ihr Land, ihr Volk getauft wurde. Völker (nicht im neuzeitlich-rassistischen Sinne wohgemerkt!) spielten schon in und um Israel eine große Rolle, auch geschichtstheologisch, bis Heute. Klar ist doch, ohne Davids Siege (einer Nation), keine Kind in der Krippe.
Sicherlich taufen wir streng genommen keine Völker, sondern Individuen, und dazu ohne Ansehen der Hautfarbe, Rasse usw. Das heißt aber nicht, dass wir auf der politischen Ebene automatisch für igendetwas offen sein ,,müssten". Das ist ein gesinnungsethischer Kurzschluss. Jesus selbst hat keine politische Partei gegründet, auch keine römische Migrationspolitik bekämpft oder befürwortet.
Übrigens bezieht sich Herr Weitz im zweiten Teil ja wiederum ganz explizit auf das Judentum, offenbar als Ethnie, dass selbstverständlich bis heute selbst darüber bestimmt, wer ,,einwandern" darf, entweder in den Staat Israel oder im Rahmen der jüdisch - othodoxen Konversion. Haben die Völker nicht dasselbe Recht und wenn warum denn nicht?
Fazit: Jeder Christ sollte auch kontroverse Positionen beziehen dürfen und mit Respekt dafür behandelt werden. Die Kirche, (also schon gar nicht die EKD als Bund) ist weder Wächter unserer Verfassung, dass sind die Bürger, noch hat die evangelische Konfession insgesamt eine einheitliche Meinung zu einem Lehramt ,,ihrer" Kirche. Auch sind diese mit Ihren Leitungen wie im Übrigen ja auch die nicht basisdemokratisch legitimierten Synoden (Ausnahme meines Wissen Würtemberg) nicht befugt, mir meine politische Meinung vorschreiben.
Der Christenmensch ist sicher gut beraten, alles gut zu reflektieren, aber er ist dabei ein zutiefst freier Mensch, denn ist nicht gut wider das eigene Gewissen zu handeln. Daran möchte ich doch einmal mit Luther, auf den sich ja alle gern berufen, erinnern. Wenn schon, dann sollte sich die Christenheit ihrer Märtyrer gemeinsam erinnern, denn das sysmbolisiert diese Gewissenhaftigkeit viel besser als platte politische Agitation.
Mit freundlichen Grüßen
stud.ev.theol.Dirk Bachmann

Sehr geehrter Herr stud.ev.theol. Dirk Bachmann,

platte politische Agitation soll also nicht sein. Herr Weitz lässt unschwer erkennen, dass er kein Freund der ausländer- und flüchtlingspolitischen Vorstellungen der AfD ist. Sie lassen unschwer erkennen, dass Ihnen der Sinn nicht nach Antifa, Friedensbewegung und Anti-AKW steht. Wieso ist die eine Position platt und zerrt ganz frevlerisch das Reich Gottes auf Erden, wogegen die andere politische Einstellung das Reich Gottes brav dort lässt, wo es hingehört? Ein schöner Tippfehler ist übrigens Ihr "Auflösung der staattlichen Ordnung". Die staatliche Ordnung ist in der Tat sehr stattlich, also warum nicht gleich von der staattlichen Ordnung schreiben?

Mit ergebenstem Gruß

Friedrich Feger

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Chrismon 01.2020- Worin sind sich Christen überhaupt einig?
Ein durchaus interessanter Artikel, in dem die Bedeutung des „Alten Testaments“ für Christen hervorgehoben wurde. Nicht erwähnt wird aber, dass das „Neue Testament“, zumindest in wesentlichen Teilen, über Jesus Christus die Glaubensgrundlage für Christen darstellt. Ohne den Bezug zu Jesus Christus kann sich niemand „Christ“ nennen. Gerade durch dieses Bekenntnis sind wir von den Juden getrennt, die immer noch auf ihren Messias warten. Das „AT“ wird von uns Christen meist als Hinweis auf den bereits erschienenen und wiederkommenden Christus Jesus ausgelegt, also unterschiedlich zu Juden. Die Dreieinigkeit Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist ist ebenfalls für die meisten christlichen Glaubensgemeinschaften eine wesentliche Grundlage, die uns von den anderen monotheistischen Religionen trennt. Für alle Christen sollte aber der letzte Abschnitt des Artikels gelten: dass von ihnen Güte, Barmherzigkeit und Vergebung ausgehen möge, wie von Jesus.

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