Mehr Platz ­
ohne Umzug
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ohne Umzug
Riikka Laakso
Mehr Platz ­ohne Umzug
Mit welchen Tricks man aus wenigen Zimmern mehr Räume zaubert.
Tim Wegner
27.11.2019

chrismon: Wann ruft man Sie zu Hilfe?

Sabine Stiller: Typisch ist: Man ist zu zweit in eine Wohnung gezogen, oft Altbau, bekommt Kinder, und wenn die in die Schule kommen und jedes Kind ein Zimmer haben soll, fehlt eins. Aber die Familie will in ihrem Viertel bleiben und nicht im Neubaugebiet in der Vorstadt neu anfangen.

Wie schaffen Sie ein weiteres Zimmer?

Man kann aus dem Wohnzimmer eine Wohnküche machen, so dass die ehemalige Küche frei wird für ein Kind. Oder man kann Zimmer teilen – zum Beispiel mit einer Leichtbauwand. Das geht auch in Mietwohnungen. Wenn es mehrere Fenster gibt, ist das einfach. Sonst kann auch eine lichtdurchlässige Wand aus Glasbausteinen oder eine Schiebetür für eine Trennung sorgen.

Entstehen dann nicht oft winzige Kinderzimmer?

Ja, das kann schon mal sein. Aber es geht nicht um die Größe der Zimmer. Es geht vor allem darum, dass das Kind mal die Tür zumachen kann und vor kleineren Geschwistern Ruhe hat. Bei einer Familie war das neu geschaffene Zimmer für die Tochter nur zwei mal zwei Meter groß – das Bett auf einer Hochebene, darunter der Schreibtisch. Das Mädchen ist mittlerweile 15 und immer noch total happy damit.

Sie schlagen Eltern oft vor, mit dem Ehebett ins Wohnzimmer zu ziehen. Fällt das schwer?

Manchmal fällt es den Eltern zunächst schwer, sich für so eine unkonventionelle Lösung zu entscheiden, doch dann kommt die Gewohnheit und auch das Wohlbefinden. Ging mir selbst genauso. Es wird ja auch nicht einfach das Bett ins Wohnzimmer gestellt, sondern wir finden eine Lösung mit einem flexiblen Raumteiler, das ist auch für Mietwohnungen wunderbar. Man kann eine Schiebetür darin einsetzen oder das Wohnzimmer einfach nur mit einem Regal teilen, damit man nicht direkt aufs Bett gucken kann. Ich habe auch schon einen Schlaf-Kubus für die Eltern ins Wohnzimmer einer Mietwohnung gestellt. Dann sieht man das Bett gar nicht. Es liegt ein bisschen erhöht, darunter entsteht wertvoller Stauraum, der Schlafplatz oben kann mit Fensterläden geschlossen werden. Das ist einfach ein schöner Kubus, ein Raum im Raum – und später kann man ihn wieder abbauen wie ein Möbel.

Dann ist ja nicht mehr viel Platz übrig im Wohnzimmer!

Aber das Wohnzimmer braucht heute auch nicht mehr viel Platz. Im Grunde nur noch für ein Sofa. Früher hat man alle Gäste im großen Wohnzimmer empfangen, heute sitzt man mit Freunden in der Küche am Esstisch. Im Wohnzimmer verbringt heute eigentlich nur noch die Familie ihre Zeit, auf dem Sofa. Dann kann ich dorthin auch die Schlafgelegenheit der Eltern verlegen.

Aber Sofas sind heute oft so groß, dass das Wohnzimmer damit voll ist.

Keine Angst vor großen Flächen in kleinen Räumen! Das Sofa darf gern 2,5 mal 2,5 Meter groß sein, damit alle vier oder fünf Familienmitglieder richtig schön liegen und lümmeln können; dazu noch Platz für Bücher und Fernseher. Viel mehr Quadratmeter braucht der Raum nicht, denn die Dinge, die früher im Wohnzimmer viel Platz eingenommen haben, werden weniger: Wir haben keine großen Musikanlagen mehr, keine großen Fern­seher, keine CDs und DVDs, weil alles gestreamt wird. Dazu kommt: Wir nutzen das Wohnzimmer eigentlich nur noch abends, zum Entspannen. Also brauche ich dafür auch nicht unbedingt den hellsten Raum. Da, wo es hell ist, ist der Platz für die Wohnküche – da frühstückt man, da werden Haus­aufgaben gemacht, da ist vielleicht das Homeoffice, da unter­hält man sich, wenn alle nach Hause kommen – das ist das Familienzentrum. Wenn man sich klarmacht, dass man die Räume nicht mehr so nutzt wie früher, dann eröffnen sich neue Möglichkeiten.

Nun verzichten Eltern zugunsten der Kinder auf ein ­eigenes Schlafzimmer – und dann spielen die Kinder doch am liebsten im Wohn-Schlafzimmer... 

Wir hatten mit unseren Kindern die Absprache, dass abends sämtliche Spielsachen wieder in den eigenen Zimmern verschwinden mussten. Das hat bei uns super geklappt.

Überlegen manche Leute, was andere von ihnen denken, wenn sie das Elternbett im Wohnzimmer sehen?

Die, die sich für das Konzept interessieren, sind häufig Freidenker, sie sind stolz darauf, dass sie andere Wege gehen – und dann andere mitreißen. Das ist wie eine Kettenreaktion. Dann werde ich angerufen: Wir möchten auch so eine Lösung. Das ist der neue Weg, in der Stadt bleiben zu können.

Viele denken: Sobald wir groß wohnen, sind wir glücklich.

Das kann man so nicht sagen. In wie vielen großen Häusern bin ich, und es ist nicht wohnlich! Es kommt nicht auf die Quadratmeter an. Es ist zwar manchmal leichter, wenn man mehr Raum hat. Aber man muss es sich wirklich gut überlegen, ob man nach draußen zieht: Wie viel Zeit verbringe ich auf der Straße, wie viel Energie verbrauche ich, wie viel Kosten habe ich dadurch? Bevor mein Mann und ich jeder eine Stunde morgens und abends unterwegs sind, verbringen wir diese Zeit lieber mit unseren Kindern. Mein Eindruck ist: Das Denken verändert sich. Die Menschen ­lösen sich langsam von dem Gedanken, immer alles in ganz groß haben zu müssen.

Die Fragen stellte Christine Holch

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