Denn sie wissen, was sie tun
Wer AfD wählt, mag Gründe dafür haben - muss sich aber im Klaren sein, dass in der Partei Rassisten den Ton angeben.
Tim Wegner
21.10.2019

Bald ist Landtagswahl in Thüringen, am 27. Oktober. Schon jetzt umfasst die Analyse, warum die AfD im Osten stark ist, wohl fast so viele Punkte, wie die AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg Prozente geholt hat: Ihre Wähler sind mehrheitlich männlich und eher in ihrer ersten Lebenshälfte. Ihre Zustimmung speist sich aus einer Verbitterung darüber, dass Lebensleistungen der Menschen im Osten nicht anerkannt werden. Brüche im Lebensläufen machen manche wütend, fehlende Zugverbindungen und lahmes Internet auch. Wer in einer Region lebt, die von Abwanderung geprägt ist, fühlt sich benachteiligt.

Tim Wegner

Nils Husmann

Nils Husmann ist Redakteur und interessiert sich besonders für die Themen Umwelt, Klimakrise und Energiewende. Er studierte Politikwissenschaft und Journalistik an der Uni Leipzig und in Växjö, Schweden. Nach dem Volontariat 2003 bis 2005 bei der "Leipziger Volkszeitung" kam er zu chrismon.

Die Löhne zwischen Ost und West sind auch 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution immer noch nicht angeglichen. Große Unternehmen profitieren von Fleiß und Kenntnis ihrer ostdeutschen Mitarbeiter, die Gewinne aber versteuern sie in den Konzernzentralen zwischen Hamburg und München, was den Kommunen dort zugute kommt. Ostdeutsche sind häufig ungeübt im Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen, weswegen viele von ihnen Zuwanderung ablehnen - und so weiter.

Es geht um den Erhalt der Demokratie

All das ist jede Mühe wert, dass wir uns weiter damit beschäftigen, um dem Rechtsruck etwas entgegensetzen zu können. Der Begriff "Rechtspopulisten" beschreibt die AfD bestenfalls verharmlosend; bürgerlich, wie es sich der Bundessprecher Alexander Gauland so sehr wünscht, ist die Partei schon gar nicht.

Beispiele gefällig? Wer im Auftreten von Björn Höcke, Landessprecher der AfD in Thüringen, keine gewollten Parallelen zum Gebaren von Nazis erkennen kann, sollte über Nachhilfestunden im Fach Geschichte nachdenken. Das Wahlprogramm der Thüringer AfD verunglimpft die parlamentarische Demokratie, die DDR-Oppositionelle vor 30 Jahren unter großen Gefahren erkämpft haben, als "Zuschauerdemokratie mit Zügen eines Gesinnungsregimes". Von Volkssouveränität ist im Programm die Rede, aber gleich in der Zeile darauf macht die Partei deutlich, wer nicht gemeint ist: Ausländer.

Vielsagende Passage zum Waffenbesitz

Vielsagend auch die Passage zum Waffenbesitz: "Die behördliche Gängelung von Waffensammlern und Sicherheitsfirmen lehnen wir ab. Dem Ansinnen, Antragsteller einer waffenrechtlichen Erlaubnis bereits bei der Beantragung und verdachtsunabhängig durch den Verfassungsschutz überprüfen zu lassen, erteilen wir eine Absage." Die Thüringer AfD will also verhindern, dass der Verfassungsschutz zurate gezogen wird, wenn jemand einen Waffenschein beantragt. Zur Erinnerung: Thüringen ist das Bundesland, in dem die rechtsextreme Terrorgruppe NSU entstand. Und ausgerechnet der Thüringer Landesverband wirbt nun damit, den Verfassungschutz bei Anträgen auf Waffenscheine außen vor zu lassen. Das ist ungeheuerlich, erst recht nach dem Attentat eines Rechtsextremisten auf eine Synagoge in Halle an der Saale im benachbarten Bundesland Sachsen-Anhalt.

Ein weiteres Beispiel, wer in der AfD den Ton vorgibt: Beim Kyffhäusertreffen des "Flügels", einer parteiinternen Gruppe um Andreas Kalbitz, Landesvorsitzender in Brandenburg, und Björn Höcke, die längst auf Bundesebene nach der Macht in der AfD greifen, sagte Kalbitz 2018: "All die Glücksritter, Sozialsystemimperialisten, wollen wir gar nicht integrieren. Wir wollen die remigrieren. Masseneinwanderung ist Messereinwanderung." Damit stellt er alle Migranten unter den Generalverdacht, jederzeit schwerste Gewalttaten begehen zu können. So schürt er Angst und Hass.

Remigrieren - ein Wort, das an finsterste Zeiten erinnert

Kalbitz sagt ganz konkret  "remigrieren". Was, bitte, soll das sein? Im Wortsinne kann man darunter nur verstehen, dass Menschen außer Landes geschafft werden sollen. Soll das freiwillig geschehen? Wer soll alles Deutschland verlassen? Würde Herr Kalbitz auch Gewalt einsetzen, um sein Ziel zu erreichen, wenn jemand nicht "remigrieren" will? Der Begriff weckt Erinnerungen an finsterste Kapitel der deutschen Geschichte. Dass ein Landesverband, der diesem Mann folgt, in Brandenburg 23,5 Prozent erreicht hat, ist beängstigend.

Aus vielen Klagen von Menschen in Ostdeutschland klingt heraus, man fühle sich als Bürger zweiter Klasse. Das ist, ohne Frage, kein gutes Gefühl  - aber, nebenei bemerkt, auch eines, das die AfD mit ihrer Opferrhetorik verstärkt.

Wer mündig sein will, muss sich informieren

Bürger zu sein, ist auch mit Arbeit verbunden. Bürger wollen und sollen mündig sein, aber Mündigkeit setzt voraus, dass man sich informiert. Das ist im Falle der AfD, der in den Medien sehr viel Aufmerksamkeit zuteil wird, nicht so schwierig. Jeder kann sehen, dass diese Partei rassistische und menschenfeindliche Positionen vertritt und ein komplett anderes Land will.

Wer AfD wählt, hat Gründe dafür. Aber wer diese AfD wählt, muss mittlerweile auch wissen, was er tut. Gerade in diesen Zeiten. Der Hass grassiert wieder in Deutschland - auch im Thüringer Wahlkampf, in dem Spitzenkandidaten unverhohlen von rechts bedroht werden wie jüngst der CDU-Politiker Mike Mohring. Hass aber bringt niemanden voran, er schadet nur und verhindert den politischen Wettkampf um die besten Ideen. Hass kann man wählen - aber auch abwählen.

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Ich wähle voller Überzeugung und bestens informiert AfD. Die Rassismuskeule hat sich abgenutzt! Dies ist die einzige Partei, die den Willen hat, unsere Kultur und Zivilisation zu erhalten. Merkels menschenverachtendes Experiment, jeden ungeprüft in dieses unser Land zu lassen, muss endlich enden! Junge Männer , die in gewalttätigen, frauenverachtenden Kulturen sozialisiert wurden, werden sich hier nicht umsozialisieren lassen. Stattdessen brechen die Sozialsysteme über kurz oder lang zusammen. Wer Augen hat, der sehe!

Antwort auf von Lilly Tanner (nicht registriert)

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Guten Tag,

Ihre Meinung sei Ihnen unbenommen. Ich teile sie aber nicht und möchte Ihnen auch anhand einiger Punkte erklären, warum ich anders denke.

Erstens einmal glaube ich nicht, dass einer der in den Landtagen und im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien daran gelegen ist, Kultur und Zivilisation abzuschaffen, was ja das Gegenteil von erhalten ist. Ich glaube auch nicht, dass der Bundeskanzlerin, an deren Politik - finde ich - vieles kritikwürdig ist, zu unterstellen ist, sie betreibe ein "menschenverachtendes Experiment". Die Legende vom Rechtsbruch ist in einem Buch von  Stephan Detjen und Maximilian Steinbeis fundiert in Frage gestellt, vielleicht haben Sie Interesse, sich mit dieser Arbeit zu befassen, es heißt "Die Zauberlehrlinge".

Der These, junge Männer aus anderen Kulturen seien mithin alle frauenverachtend, möchte ich ebenfalls deutlich widersprechen. Das ist eine unzulässige Verallgemeinerung. Das habe ich selbst in einem sehr langen Beitrag herausgearbeitet.

Es ist Ihre Wahl. Freie Wahlen sind ein unabdingbares Grundrecht. Ich gebe aber zu bedenken, dass der Thüringer Landesverband der AfD von einem Mann geführt wird, der sich zum sogenannten Flügel bekennt, welcher wiederum den Verfassungsschutz auf den Plan gerufen hat. Es gibt in der AfD Kräfte, die heute der Meinungs- und Wahlfreiheit das Wort reden - um sie morgen vielleicht schon einzuschränken.

Guten Tag. Lesen Sie doch meine Zeilen noch einmal. Ich sagte nicht, dass alle diesen jungen Männer frauenverachtend sind, aber die Kultur, in der sie aufwuchsen, ist größtenteils so. Den eklatanten Rechtsbruch zu beschönigen, bringt nichts. Afrika wächst alle 10 Tage um eine Million Menschen, mehr als 30 Prozent wollen nach Europa, mehrheitlich Deutschland. Und da plädieren Sie wirklich für offene Grenzen? Wenn sie bereit sind, sich mit denen zu befassen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen wollen, werden sie an zahlreichen Universitäten fündig. Ganz erschreckend Hamburg! https://www.asta.uni-hamburg.de/0-aktuelle-themen/welcomeweek2019.html#MSH

Antwort auf von Lilly Tanner (nicht registriert)

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Guten Tag, wo habe ich denn für offene Grenzen plädiert? Tut mir leid, aber so ist eine Diskussion leider nicht möglich. Was an der Uni Hamburg passiert, halte ich für einen großen Fehler. Man brüllt niemanden nieder, man argumentiert zur und streitet in der Sache. Nehmen Sie aber bitte auch zur Kenntnis, dass nach Angaben der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen bei der Staatsanwaltschaft Köln 80 bis 85 Prozent der Hasskriminaliutät im Netz von rechts ausgeht. Auch körperliche Gewalt geht weit häufiger von rechts aus; der Anschlag in Halle ist da nur ein trauriges Beispiel von vielen. Das macht linke Gewalt nicht besser, aber weil Sie die Uni Hamburg ins Spiel bringen, möchte ich deutlich machen, dass Ihre Argumentation bei mir als Relativierung ankommt.

Damit möchte ich es auch bewenden lassen. Sie haben Ihre Wahl getroffen, Sie kennen meine Argumente, damit ist dann auch alles gesagt, denke ich.

Antwort auf von Nils Husmann

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Lesen Sie doch bitte den Link der Hamburger Studentenschaft. da ging es mitnichten um gestörte Vorlesungen. Lesen Sie doch einfach, bevor Sie antworten!

Antwort auf von Lilly Tanner (nicht registriert)

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Ich bitte um Verständnis, dass ich nicht jede Verlautbarung auf dieser Seite durcharbeiten kann, weil ich derzeit an ganz anderen Themen arbeite und wir Redaktionsschlüsse einhalten müssen. Was genau bringt Sie denn dort auf? Ich habe nur den Beitrag über die Überwindung des Kapitalismus gelesen und würde nun vermuten, dass Sie die Umsturzrhetorik kritisieren. Daraus habe ich gefolgert, dass Sie dass auf den Umgang mit Herrn Lucke münzen. Mein Fehler, ich bitte um Nachsicht.

Antwort auf von Lilly Tanner (nicht registriert)

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Sehr geehrte bekennende AfD-Wählerin Frau Lilly Tanner! Sie sind ganz erschrocken, als Sie gelesen haben, dass der Asta der Uni Hamburg zur Kneipentour, einer Hafenrundfahrt und zu kritischen Gedanken über den Kapitalismus einlädt. Sind Sie nur erschrocken, weil der Asta offenbar nicht die angeblich alle nach Deutschland drängenden Jugendlichen Afrikas als Feinde ansieht, sondern irrtümliche Gedanken über die politischen und ökonomischen Verhältnisse zur Sprache bringen möchte? Ja was ist denn jetzt eigentlich los? Ich dachte immer, Afd-Anhängerinnen hätten zumindest gemerkt, dass Grund zur platten Zufriedenheit mit den heutigen und hiesigen Zwängen nicht angebracht sei. Warum soll denn dann "unsere" (mir gehört sie nicht) "Kultur und Zivilisation" so blindlings verteidigenswert sein?

Was ist denn an einem Afrikaner von vornherein so schlimm? Der beteiligt sich zumindest nicht daran, per Landtagswahl Leuten zur Macht zu verhelfen.

Traugott Schweiger

Herr Husmann, einfach lächerlich, Ihre Klischees vom abgehängten, unverstandenen Ossi, der keine Erfahrungen im Umgang mit Ausländern hat. 27,5 % abgehängte AFD Wähler allein in Sachsen? Der Rechtsbruch der Bundeskanzlerin 2015 eine Legende? Das sehen Verfassungsjuristen wie de Fabio und Papier ein wenig anders. Aber Sie suchen sich natürlich auch nur die Argumente die Ihnen passen. In einem Punkt allerdings haben Sie Recht, mit Messerstechereien, Gruppenvergewaltigungen, Polygamie, Ehrenmorden und der Beschneidung von Frauen hatte man im Osten tatsächlich keine Erfahrung. Kann es sein, dass die Ossis um diese Erfahrung nicht bereichert werden wollen?

Antwort auf von Toni Rudolf (nicht registriert)

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Herr Rudolf, ich habe lediglich Gründe aus der Debatte referiert, die genannt werden, um den Stimmenanteil der AfD zu erklären. Zum anderen möchte ich auch Sie auf diesen Text verweisen, dort inbesondere auf die Passage zur Partnergewalt. Es gibt ingesamt zu viel Gewalt von Männern gegen Frauen. Aber es gibt im Moment auch ein regelrechtes Warten darauf, dass nach einer Straftat bekannt wird, welcher Nationalität ein Verdächtiger angehört. Hat er einen Migrationshintergrund, ist die Berichterstattung anhaltend, der Aufschrei auch. In der Wahrnehmung führt das aber zu dem Eindruck, dass nun jewede Kriminalität auf Zuwanderung zurückzuführe sei. Das ist aber falsch, und es schadet dem politischen Klima, wenn stets das Gegenteil behauptet wird.