H. Keel-Leu © Stiftung Bibel+Orient, Freiburg, Schweiz
Elfenbeinintarsie aus Megiddo, 12. Jahrhundert vor Christus, heute im Oriental Institute Chicago
Der Herr der Ziegen
Und (Aaron) soll das Los werfen über die zwei Böcke: ein Los dem Herrn und das andere dem Asasel." (3. Mose 16,8)
Die Bibel ist für den Eingottglauben berühmt. Umso erstaunlicher, dass wir mitten in der Tora ein Versöhnungsritual mit zwei Göttern finden: mit
"dem Herrn" (also Jahwe) und Asasel. Beiden wird ein Ziegenbock dargebracht.
Die beiden Riten könnten unterschiedlicher nicht sein. Der Bock für Jahwe wird geschlachtet. Mit seinem Blut reinigt der Hohepriester das Allerheiligste im Tempel. Er darf es zu diesem Zweck nur an einem bestimmten Tag im Jahr betreten. Der andere Bock wird mit Israels ungesühnten Sünden besprochen. Dann treibt man ihn zu Asasel in die Wüste. Man vertreibt das unerwünschte Übel mit einem Sympathieträger.
Wer ist dieser Asasel, dem Ziegenböcke sympathisch sind? "Asasel" kann man etwa mit "Starker Gott" wiedergeben. Sein Wohnort: die Wüste. Dort – so stellte man es sich vor – leben Bocksgeister (Jesaja 13,21; 34,14). Ziegenbock heißt auf Hebräisch "der Haarige". Ein in Megiddo gefundenes Elfenbein zeigt ein haariges Mischwesen, das von einem Ziegenbock Besitz ergreift. Vielleicht hat der Kunsthandwerker dieses Wesen "Asasel" genannt.
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