Julia Ossko und Eugen Schulz
"Früher hatte ich das Gefühl, es geht harmonisch zu, wie in einer normalen Familie"
Familie - Und dann war Funkstille
Es gibt Sätze, die sie wie ein Mantra begleiten. Einer davon lautet: "Man muss Geduld haben gegen das Ungelöste im Herzen", aus einem Rilke-Gedicht. Das Ungelöste ist Hannah Schmieders* Thema, seit Jahren. Funkstille mit ihrem jüngeren Sohn Paul, der sich nicht mehr meldet. Eine On-off-Beziehung mit Michael, dem älteren, mal anstrengend und widerborstig, dann zugewandt und freundschaftlich. Im Moment haben sie eine entspannte Phase, aber Hannah Schmieder weiß, dass das nicht so bleiben muss.
Wann fing das alles an? Wann wurde es schwierig? Warum wurde es überhaupt schwierig? Diese Fragen sind immer da, wie ein "schleichendes Gift", sagt sie. Doch es gibt keine eindeutigen Antworten, und deshalb stochert Hannah Schmieder oft in der Vergangenheit herum, Grübelschleifen, die zermürbend sind. Wir sitzen zusammen an einem neutralen Ort, wo keine Erinnerungsstücke sie belasten. Hannah Schmieder wählt ihre Worte mit Bedacht. Eine zarte kleine Frau, die tatkräftig und beherrscht wirkt. Nur manchmal, wenn die Gefühle sehr stark sind, blättert sie schnell in den Notizen, die sie sich gemacht hat, ein Rettungsanker.
Viele im Freundeskreis reagierten mit Unverständnis, als sich die Söhne von den Eltern abwandten, nicht nur einer, gleich beide! Die Schmieders hörten Sätze wie: "Es ging den Jungs bei euch ja viel zu gut." Andere, die die Schmieders nicht so lange kannten, meinten: "Ich könnte das nicht ertragen." Unterschwellig, glaubt Hannah Schmieder, klang da immer etwas mit wie: "Die sind ja selbst schuld." Wenn sie von Fremden gefragt wurde, ob sie auch Kinder habe, antwortete sie häufig: "Ja, aber bei uns ist alles anders."
Es war nicht immer so, dass bei ihnen alles anders war. "Früher hatte ich das Gefühl, es geht bei uns harmonisch zu, wie in einer normalen Familie", sagt Hannah Schmieder. "Die Kinder hatten ein schönes Nest." 21 war sie, als Michael geboren wurde, sechs Jahre später kam Paul. Sie und ihr Mann wollten es besser machen als die eigenen Eltern, die Kriegsgeneration, die wenig Geld hatte, wollten ihren Kindern materiell etwas bieten. Beide haben in Hamburg als Lehrer gearbeitet, gut verdient, jetzt ist sie Mitte 70, er Ende 70. Vor kurzem hatte er einen leichten Schlaganfall, danach wurde Prostatakrebs diagnostiziert. Beides hat er einigermaßen überstanden.
Dass Paul eine feste Partnerin hatte, wussten die Eltern lange nicht.
Es gab nicht den einen einschneidenden Vorfall, nicht den großen Familienstreit, der die Verweigerung der Söhne erklären würde. Paul sei ein schwieriges Kind gewesen, sagt die Mutter, eigensinnig und häufig krank, trotzdem konnte man mit ihm lachen und Spaß haben. Michael war weniger launisch als sein Bruder, fröhlich und sehr früh vernünftig.
Nach dem Abitur studierte Paul, auch im Ausland. Sie sahen ihn kaum, höchstens an Weihnachten. Mehr als zehn Jahre finanzierten die Eltern dem Sohn das Studium, dann arbeitete er als Programmierer, verlor aber bald den Job. Auch später hatte er Probleme, beruflich Fuß zu fassen. Am Telefon war er stets kurz angebunden. "Er ist jemand, der immer in Opposition gehen muss, der öfter mal um sich schlägt und dabei sich selbst schadet", sagt die Mutter. Dass Paul eine feste Partnerin hatte, wussten die Eltern lange nicht.
Im Herbst 2009 fuhr Hannah Schmieder spontan zu Paul, der im Ruhrgebiet lebte. Sie wollte besser verstehen, warum der Kontakt so schleppend war, wollte wissen, wie es ihrem Sohn ging. Er stand in der Tür: "Ich wüsste nicht, was es zu besprechen gibt." Die Mutter bewahrte die Contenance, sagte, na gut, sie wolle ihn nicht länger aufhalten, und wünschte ihm alles Gute. "Es war schrecklich", erinnert sich Hannah Schmieder. "Ich ging durch das Treppenhaus vom dritten Stock nach unten und dachte auf jeder Etage, er würde mich zurückrufen. Aber er hat es nicht getan. Auch draußen bin ich erst ganz langsam gegangen, weil ich hoffte, er käme hinterher. Irgendwann bin ich dann zurück zum Bahnhof gelaufen." Diese Schritte durchs Treppenhaus – Hannah Schmieder hatte das Gefühl, es zerreißt sie. Als wäre sie ihrem Sohn egal.
Vielleicht ging es Paul nicht gut? Vielleicht hing er beruflich in der Luft? Vielleicht wollte er sich vor der Mutter keine Blöße geben? Spekulationen. Die, wie Hannah Schmieder weiß, nichts bringen und sich trotzdem immer
wieder aufdrängen.
2011, bei einem Familientreffen, haben Hannah und Holger Schmieder ihren Sohn zum letzten Mal gesehen, zusammen mit dessen Frau. Beide waren distanziert und mieden sie – was auch den anderen Gästen auffiel. "Ich hatte das Gefühl, alle schauen zu. Danach wollten wir nie wieder zu einem Familientreffen." Als wenig später das erste Enkelkind geboren wurde und die Großeltern das Kind besuchen wollten, lehnte Paul ab: "Wie stellst du dir das vor?" Auch die zweite Enkelin kennen die Großeltern nicht.
Sie fasste sich ein Herz und besuchte ihn in Süddeutschland.
Auch Michael, der ältere Sohn, zog sich während seines Studiums immer mehr zurück. "Wir wussten wenig von ihm. Ich hatte das Gefühl, der Vorhang zieht sich immer mehr zu", sagt Hannah Schmieder. Michael wurde Lehrer in Süddeutschland, heiratete eine Südamerikanerin, bald kam ein Sohn zur Welt. Der Kontakt wurde wieder enger. Vielleicht weil Michael nun eine Familie hatte? Vielleicht weil der Kleine auch Oma und Opa haben sollte, die anderen leben weit weg? Roberto also durften die Großeltern kennenlernen.
Dann kriselte es wieder, Michael war schroff und abweisend. Er sei, sagt Hannah Schmieder, ihr selbst sehr ähnlich, strukturiert, überaus ordentlich. Vielleicht habe er sich auch deshalb an seiner Mutter gerieben? Sie fasste sich ein Herz und besuchte ihn in Süddeutschland. Auf einer Parkbank an der Rheinpromenade machte Michael reinen Tisch: "Vater hat sich immer rausgehalten aus der Erziehung, er hat es sich bequem gemacht. Ich hätte gern mal klare Worte von ihm gehört. Dafür hast du die Richtung zu straff vorgegeben, hast immer alles dominiert." – "Was bedeutet das denn konkret?" – "Bei unserem letzten Weihnachtsbesuch hast du uns ständig Aufträge gegeben, was wir zu tun haben. Du merkst einfach nicht, wann du dich zurücknehmen musst. Du hast immer noch nicht verstanden, dass ich erwachsen bin." Das hatte Hannah Schmieder nicht erwartet. "Michael hat mir nichts erspart. Ich habe nichts erwidert und fühlte mich total eingeschüchtert." Sendepause. Hannah Schmieder spürte eine große Leere im Kopf.
Das sind die Momente, die Hannah Schmieder glücklich machen
Heute, knapp drei Jahre später, ist der Kontakt entspannt, fast harmonisch, sagt sie. Vielleicht liegt es daran, dass ihr Mann krank geworden ist? Dass der Sohn verstanden hat, dass seine Eltern Zuspruch und ein paar wärmende Gesten brauchen können? Vielleicht hat Michael begriffen, wie sehr seine Eltern an dem Enkelsohn hängen? Die Großmutter hat für den Kleinen ein Gedicht geschrieben und darin ihre Zärtlichkeit ausgedrückt. Wenn sie ihn sieht, ein paar Male im Jahr, freut sie sich, weil Roberto ein fröhliches Kind ist, spontan auf seine Großeltern zuläuft, sie sind ihm wichtig. Das sind die Momente, die Hannah Schmieder glücklich machen, hier muss sie ihre Gefühle nicht ausbremsen. Am Telefon hat Roberto sogar mal gesagt: "Opa, ich hab dich ganz doll lieb!"
Auch für ihre beiden Enkelinnen hat Hannah Schmieder Gedichte geschrieben und Michael gebeten, sie weiterzuleiten. Sie möchte ihnen zeigen, dass sie ihr nahe sind, auch wenn sie sie nicht kennt. Vor allem kann sie den Söhnen zeigen, wie viel sie ihr bedeuten. Paul hat nicht darauf reagiert.
Manchmal googelt sie seinen Namen
Manchmal googelt sie seinen Namen und findet ein paar Hinweise im Internet. Beispielsweise über einen Festakt im Rathaus seines Wohnortes, ein Foto zeigt Paul und seine Frau bei der Feier. Hannah Schmieder kommt sich seltsam vor, wenn sie den eigenen Sohn googelt, wie eine Detektivin. Aber der Wunsch, irgendetwas zu erfahren, überwiegt. Michael ist wortkarg, wenn sie ihn nach seinem jüngeren Bruder fragt. Der Kontakt zwischen den Brüdern scheint nicht sehr eng zu sein, vermutet die Mutter. Aber bei Michael nachbohren? Lieber nicht. Ein falsches Wort, eine unbedachte Frage, das Eis ist dünn.
Hannah Schmieder hat, als der Kummer sie so sehr mitnahm, dass sie Neurodermitis bekam und immer mehr an Gewicht verlor, eine Selbsthilfegruppe besucht. In der sie erzählte, dass ihr zwei Söhne abhandengekommen waren und dass sie nicht mehr weiterwisse. Das hatte, wie sie es empfand, durchaus Züge einer griechischen Tragödie. Bei den meisten Teilnehmern war es nur ein Kind, das sich von seinen Eltern losgesagt hatte – schlimm genug. In der Gruppe habe sie selten geweint, nur erzählt, sagt sie, der Katzenjammer kam hinterher. Sie hat sich zusammengerissen, obwohl die Gruppe ein geschützter Raum ist. Und trotzdem hat ihr der Austausch geholfen. "Es sind so viele, die von ihren Kindern verlassen worden sind. Das ist schrecklich, aber es erleichtert auch, davon zu hören." Gemeinsam schwach sein zu können – diese Erfahrung hatte Hannah Schmieder vorher nicht gemacht.
Aber ihre Gefühle haben ein Eigenleben
Holger Schmieder sei froh gewesen, dass seine Frau zu der Gruppe ging, habe sich entlastet gefühlt. Er habe seine Frau nicht trösten können, weil ihm kein Trost eingefallen sei und weil es im Grunde keine Worte dafür gebe. Er, der Pragmatiker, sei mit dem Thema durch, wie er mehrfach sagte. Es sei doch alles besprochen worden, warum dann noch mehr Worte verlieren?
Natürlich hat er recht, findet Hannah Schmieder. Aber ihre Gefühle haben ein Eigenleben, sie kann ihnen nicht befehlen, sich einfach davonzumachen, nur weil sie nicht zielführend sind. Der Kontaktabbruch hat die Ehe der Schmieders belastet. Gelegentlich hat Holger vorgeschlagen, etwas gemeinsam zu unternehmen, es sich miteinander "schön zu machen", und Hannah dachte dann: "Das hilft ja nicht, er flieht nur vor der Situation." Inzwischen kann sie akzeptieren, dass er sich nicht öffentlich äußern will. Jeder geht eben anders mit Kummer um. Den Weg des anderen anzunehmen – auch das kann ein Liebesbeweis sein.
"Ich möchte meinen Enkeln etwas von uns hinterlassen"
Hannah Schmieder schreibt viel, nicht nur Gedichte. Auch zwei Bücher, die an die Enkel gerichtet sind, für jede Familie eines. Darin erzählt sie ihnen von ihrem Leben, von den Reisen, die sie mit ihrem Mann macht, von ihrer Kindheit, von der Kindheit ihrer Söhne. "Das ist mein Vermächtnis, ich möchte meinen Enkeln etwas von uns hinterlassen. Damit sie wissen, wer wir sind, damit sie unsere Anteilnahme an ihrem Leben spüren."
Mitunter zeigt sie ihrem Mann, was sie geschrieben hat, und es gefällt ihm. Als Holger Schmieder das Gedicht las, das seine Frau für Roberto geschrieben hatte, meinte er: "Das haut mich um. Da ist ja dein ganzer Herzschmerz drin." So spontan äußere er seine Gefühle normalerweise nicht, sagt Hannah Schmieder.
"Ich bin nicht heil, aber auch nicht mehr so zerstört wie früher." Diesen Status habe sie sich über die Jahre erarbeitet. Andere wären vielleicht an der Situation zerbrochen. Warum sie nicht? Das Schreiben fängt sie immer wieder auf, zudem ihr "gesunder christlicher Glaube", das Singen im Chor. "Ich denke oft an Paul und empfinde jetzt sogar Mitleid für ihn. Ich glaube, er hat beruflich immer noch Probleme, er sitzt in einem Kokon und kommt da nicht raus." Sie schließe ihn in ihre Gebete ein, wünsche ihm, dass es ihm gut gehen möge – ein stiller Kontakt, der nicht zurückgewiesen werden kann.
Stellt sie sich heute die Frage, wie weit sie beigetragen hat zu der Misere? War sie eine liebevolle Mutter? Hannah Schmieder zögert, dann sagt sie: "Als meine Söhne klein waren, habe ich sie in den Arm genommen, sie sind auch gern zu mir gekommen, haben sich an mich gekuschelt, auf meinen Schoß gesetzt." Sie fühlte sich von ihren Söhnen zurückgeliebt. Vermutlich habe Michael recht, sie sei streng gewesen, fordernd, gerade als die Söhne in die Schule kamen, habe ihnen viele Vorgaben gemacht: erst die Hausaufgaben, dann die Freizeit. Kein Schlendrian. Für sie war das die Norm, die sie aus ihrer eigenen Kindheit kannte, sie musste funktionieren.
Gefühle mit angezogener Handbremse
"Aber ist das ein Grund, sich so radikal von uns abzuwenden? Wir haben nicht das Gefühl, ihnen gegenüber versagt zu haben." Nur dass sie als Familie niemals offen über diese Dinge gesprochen haben, das bedauere sie wirklich. Könnte sie sich vorstellen, den Söhnen einen Brief zu schreiben, ihnen zu erklären, wie es zu ihrer Härte gekommen ist, ihnen zu erzählen, dass sie selbst streng erzogen worden ist und darunter gelitten hat? Und um Verzeihung bitten? "Ich hätte Angst, dass dieses Signal missverstanden wird, dass das Wenige, das wir haben, wieder in die Brüche geht. Ich lasse einen Geist aus der Flasche, der vielleicht unselig ist, und was passiert dann?" Zumindest wolle sie diesen Schritt nicht von sich aus gehen. Wenn es sich bei einem gemeinsamen Gespräch ergebe, warum nicht.
Hannah Schmieder bleibt vorerst abwartend, abtastend – Gefühle mit angezogener Handbremse. Es gibt, sagt sie, nur eine begrenzte Logik in der ganzen Geschichte.
* Alle Namen von der Redaktion geändert.
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Lesermeinungen
Maja | vor 11 Monate 2 Wochen Permanenter Link
Wie geht's dir?
Ich lese oft Texte zu diesem Thema und eines fällt mir immer wieder auf: Die Mütter beschäftigen sich viel damit wie es ihnen geht, wie die Kinder ihnen so etwas antun konnten und was bei den Kindern falsch läuft, dass sie die Liebe der Mutter nicht verstehen.
Diese Mutter hier schreibt unendliche Bände an Büchern und Gedichten, in denen sie ihr Gefühlsleben erläutert und weitergibt - selbst an die Enkel.
Sind denn diese Mütter überhaupt daran interessiert wie es ihren Kindern geht? Und ich meine nicht nur, den Familienstatus oder der Job. Sondern wie es den Kindern emotional geht? Was die Kinder für eine gelungene Beziehung zu ihren Eltern brauchen?
Diese Mutter im Artikel ist sich sogar sicher, dass einer der Söhne keinen Kontakt will, weil er sich schämt, dass es im Job nicht gut läuft. Woher kommt diese Scham? In einer gelungenen Familie kann man doch über Probleme und Ängste reden. Und schon diese Sicherheit über das Versagen des Sohnes ist eigentlich traurig. Es MUSS an seinem Versagen liegen, anders kann sie es sich nicht erklären. Die Erwartungshaltung der Mutter scheint sehr vorherbestimmt zu sein.
Außerdem lese ich immer wieder die Behauptung, dass der Kontaktabbruch überraschend kam. Dann offenbart der Text aber, dass die Kinder vorher immer schon "schwierig" und "borstig" waren, sich aufgelehnt haben. Warum hat man nicht da schon auf die Bedürfnisse der Kinder gehört und ist darauf eingegangen?
Einer der Söhne hat ihr sogar Gründe genannt, warum er den Kontakt abgebrochen hat. Auch darauf scheint die Mutter nicht einzugehen. Sieht wieder nur wie sehr SIE diese Meinung verletzt hat und dass sie nicht anders kann oder will.
Ich kann nachvollziehen, dass die Eltern/Mütter ihr Verhalten oder ihre Art der Eltern-Kind-Beziehung selbst irgendwann einmal so erlernt haben und es schwierig ist, aus diesen Verhaltensmustern auszusteigen. Wenn mir jedoch mein Kind so enorm wichtig ist wie hier geschildert wird, sollte man sein eigenes Verhalten auch einmal überdenken, aus der Opferrolle rausschlüpfen und neue Wege gemeinsam mit den Kindern erlernen.
Im Großen und Ganzen lese ich bei den meisten Artikeln raus, dass sich Mütter für Ihre Familien aufgeopfert haben und nun eine Bringeschuld (oder wie hier schon gut ausgedrückt "Dankesschuld") bei den Kindern sehen. Ohne Rücksicht auf deren Gefühlsleben.
Die "Gefühle mit angezogener Handbremse", das nennt man als erwachsener Mensch eigentlich Zurückhaltung, Achtung und Vertrauen.
Liebe betroffene Mütter, ich hoffe sehr für Euch, dass Ihr einen guten Weg zu Euren Kindern findet. Einen, der auf Liebe und vor allem Respekt dem anderen gegenüber basiert.
(Ich möchte keiner verlassenen Mutter ihren Schmerz abstreiten, aber ich hoffe inständig, Impulse für neue Denkansätze für den Umgang mit ihren ERWACHSENEN Kindern zu geben.
Ihr seid nicht schuld, dass etwas schief gelaufen ist. Ihr habt nach eurem besten Wissen gehandelt. Aber ihr seid schuld, wenn ihr statt etwas zu ändern, immer die gleiche Schleife lebt und erwartet, dass eure Kinder alles ertragen und euer Verhalten richten.)
Schulz Silvia | vor 1 Jahr 2 Monate Permanenter Link
Kontaktabbruch
Durch Zufall bin ich auf den Artikel zum Kontaktabbruch gestoßen. Auch ich bin seit 7 Jahren davon betroffen und daran fast zerbrochen. Ich kann dem Artikel in allem zustimmen, nur dass mein Leben vor meinem Sohn anders verlaufen ist. Vor einem Jahr habe ich mein Schicksal in einem Buch (Pseudonym Elisabeth Charlotte) verarbeitet und es auch veröffentlicht. Das hat mir mein Leben zurückgegeben.
Titel: „Für mich bist du tot“
Dr. Annette Boerner | vor 1 Jahr 3 Monate Permanenter Link
„Und dann war Funkstille“
Sehr geehrte Damen und Herren,
bei allem Verständnis für viele persönliche Gründe für einen Kontaktabbruch, für Eltern ist er sehr häufig einfach nur grausam. Sie bleiben gefangen im Grübeln über die Ursachen und ihre eigenen Fehler und kennen doch oft nicht einmal den Grund für die existentielle Abwertung, die sie durch ihr Kind erfahren. Die Hoffnung auf eine Veränderung wird immer wieder enttäuscht. Christlich ist ein solcher völliger Kontaktabbruch jedenfalls ebenso wenig wie menschlich. Schon die Zehn Gebote zeigen die hohe Wertschätzung der Eltern gleich nach der Würdigung Gottes und der Feiertage im vierten Gebot: Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Annette Boerner
Johannes Kiuntk... | vor 1 Jahr 3 Monate Permanenter Link
Kontakt
Danke für den Artikel "Und dann war Funkstille" in der aktuellen Chrismon-Ausgabe.
Meine Tochter hat vor ein paar Jahren den Kontakt zu mir abgebrochen.
Auch zu ihrer Hochzeit im vergangenen Jahr war ich ausdrücklich nicht eingeladen.
Sie kann den Kontakt zu mir verweigern, aber sie kann mich nicht daran hindern, sie zu lieben und für sie zu beten.
Angelika niemeyer | vor 1 Jahr 3 Monate Permanenter Link
Funkstille
Auch ich gehöre zum Kreis der Betroffenen.Meine beiden Kinder
haben gleich nach dem Tod des Vaters, meines Mannes, den
Kontakt abgebrochen. Dies ist ueber 2 Jahre her und ich sehe die
Enkelkinder nicht bzw.habe sie noch nicht gesehen.
All das, was in dem Artikel zur Sprache kommt, kann ich mehr als nachempfinden.
Ralf B. | vor 1 Jahr 3 Monate Permanenter Link
Familie
Liebe Redaktion, obgleich nicht mehr Mitglied, lese ich Chrismon immer mit Gewinn. Natürlich sind für mich nicht alle Themen relevant, aber in jeder Ausgabe sind Beiträge, die mich persönlich berühren. Das gilt auch für den Beitrag "Und dann war Funkstille". Offen gesagt, fand ich das ganz tröstlich, denn es zeigt sich ja immer wieder, dass Familie oder das Verständnis darüber, was Familie ist, bei den Familienmitgliedern ausgesprochen unterschiedlich gesehen und gelebt wird. Es kann aber auch umgekehrt gehen: dass Eltern den Kontakt mit ihrem Kind abbrechen. So ist es mir gegangen. Als ich mich im „hohen“ Alter von 41 Jahren als homosexuell outete (übrigens auf Drängen meiner Schwestern), brach mein Vater den Kontakt umgehend ab. Das war vor 17 Jahren und ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen und gesprochen; er ist heute 87, ich 60 Jahre alt. Vor dem Outing hatte ich übrigens 18 Jahre mit einer Frau zusammen gelebt. Trotz jahrelanger Bemühungen, ist es nicht gelungen, zu ihm durchzudringen. Im Gegenteil: ich habe heute weder zu meine Eltern (Mutter 84 Jahre) und meinen beiden Schwestern Kontakt. Interessanter weise hat auch meine Patentante (Schwester meiner Mutter) den Kontakt zu mir abgebrochen, obwohl sie – wie auch meine Schwestern – nicht mit meinem Vater unter einem Dach lebt. Mein Outing war offenbar ein „Katalysator“, das das Konstrukt Familie hat implodieren lassen. Ich bin überzeugt davon, dass mein Vater selbst schwul ist und das nie ausgelebt hat (er ist Kriegskind, ich Kriegsenkel). Ich glaube, er könnte besser damit umgehen, wenn ich jemand umgebracht oder eine Bank überfallen hätte. Aber das zu Leben, was er sich versagt hat, geht offenbar zu weit. Ich war übrigens der Einzige, der an das Konstrukt „Familie“ geglaubt hat (meine Schwestern sahen das mehr unter Kosten-Nutzen-Aspekten) – und bekam eine Klatsche, als ich genau die Familie gebraucht hätte. Interessanterweise treten meine Eltern mit ihrem Verhalten genau die Werte mit Füßen, die sie zumindest in mir ziemlich tief verankert haben – ich rede hier gar nicht von christlichen Werten. Mein spätes Outing (meine Partnerin hatte sich von mir getrennt) war vermutlich reiner, instinktiver Selbstschutz: mit Anfang 20 wäre vermutlich dasselbe passiert – das hätte ich seinerzeit aber emotional nicht verkraftet. Ich habe meinen Mann übrigens in dem Jahr (2002) kennen gelernt, als ich mich geoutet habe. Wir sind seit November 2011 verpartnert und mittlerweile auch verheiratet. Die Umschreibung haben wir im Juni vergangenen Jahres vorgenommen. Dazu hatte ich meine Eltern schriftlich eingeladen – ich habe – einmal mehr – keine Antwort bekommen. Schöne Grüße
Ralf B.
Schulz Silvia | vor 1 Jahr 2 Monate Permanenter Link
Unverständlich
Hallo Ralf,
es tut mir unendlich leid, was Sie hier schildern. Ihre Eltern wissen nicht, was Sie sich selbst und Ihnen antun. Diese Generation kann wahrscheinlich nicht anders.
Ich lebe seit 30 Jahren mit einer Frau zusammen, auch wir sind inzwischen verheiratet und sehr glücklich. Auch mein Sohn ist schwul, für Ihre Eltern wäre das sicher ein weiterer Grund, keinen Kontakt aufzunehmen.
Ich würde Ihnen gern meine Autobiografie empfehlen. Schauen Sie mal rein, es gibt sicher einige Gemeinsamkeiten.
Für Sie und Ihren Mann wünsche ich alles Gute und nur Glück im Leben.
Silvia
Barbara Heinken | vor 1 Jahr 3 Monate Permanenter Link
Dankesschuld
Mir will scheinen, dass die Freunde der Schmieders, die den verzweifelten Eltern sagten: „Es ging den Jungs bei Euch ja viel zu gut.“ vollkommen recht hatten. Man kann seine Kinder auch mit soviel Wohltaten überhäufen, dass man ihnen eine Dankesschuld auferlegt, die sie nicht tragen wollen- oder können.
Nicht umsonst behandeln zwei der größten Werke der Weltliteratur genau dieses Thema: Shakespeares Drama „König Lear“ und der Roman „Vater Goriot“ von Honoré de Balzac.
Klaus P. Jaworek | vor 1 Jahr 3 Monate Permanenter Link
Und dann war Funkstille (10/2019)
Sehr geehrte Damen und Herren!
Es liegt einfach in der Natur der Sache, die (schwierige) Beziehung zwischen Kinder und Eltern. Die Eltern haben eben naturgemäß die Beschützerrolle, ab Geburt des Kindes, zugeteilt bekommen. Die meisten Eltern werden diese Beschützerrolle lebenslänglich ausüben, und sie wollen sich auch lebenslänglich Sorgen, um die Kinder machen dürfen, und da liegt dann "der Hase bereits im Pfeffer", in dieser (doch mehr oder weniger ungleichen) Beziehung.
Irgendwann verlassen die Kinder die elterliche Obhut, um ihr eigenes Leben zu leben, ohne Rechtsfertigungsgründe für ihr "Tun oder Nichttun".
Die Eltern können dann oft nicht verstehen, wenn sich ihre Kinder jeglicher Einmischung verwehren, sich abkapseln und alle Kontakt zu den Eltern abbrechen; "kommt Zeit, kommt vielleicht auch Rat", oder auch nur eine Funkstille.
In einer Kinder/Elternbeziehung gibt es eigentlich kein richtig oder falsch; so wie es ist, so ist es eben, auch wenn es für eine Seite besonders hart werden könnte. Ihr Klaus P. Jaworek
Friedhelm Buche... | vor 1 Jahr 3 Monate Permanenter Link
Und dann war Funkstille
Wenn Kinder den Kontakt zu den Eltern abbrechen oder auch nur vernachlässigen, dann liegt das nicht selten auch daran, dass es zwischen Eltern und Kindern nie eine nennenswerte Kommunikation gegeben hat. Kommunikation als anthropologischer Begriff, der ja auch personale Anerkennung und Zugang zu sich selbst voraussetzt, gehört im Gegensatz etwa zu allerlei Konsumgütern und der allgemein aufwändigen Bemühung zu deren Erlangung leider nicht zu unserer Kultur.
Dr. Andreas Kle... | vor 1 Jahr 3 Monate Permanenter Link
Mutter in der Opferrolle
Der im Betreff angeführte Artikel ist in seinem gesamten Tenor unerträglich. Die Mutter wird als Opfer inszeniert - über die „abtrünnigen“ Söhne wird allenfalls spekuliert. Kinder haben keine Wahl in Bezug auf ihre Familie, sie tragen auch keine Verantwortung für das Geschehen in der Zeit ihrer Kindheit. Und wenn es in einer Familie wirklich „stimmt“, wird sich auch später niemand von seinen Eltern abwenden.