Begrüßungsgeld: Das Spielzeug-Pony
Sophie Kirchner
Wie in einem amerikanischen Kitschfilm
Stefanie Fiedler, 36, erinnert sich an das Geschäft: helles Licht, alles ­blinkte und ganz viel Glitzer. Die Regale gefüllt bis unter die Decke voll mit Spielzeug bis zum Umfallen.
Julia Steinigeweg
Julia Steinigeweg
20.09.2019

Ein paar Tage nach dem Mauerfall sind wir mit der ganzen Familie nach Helmstedt gefahren. Ich war sechs, mein Bruder drei und meine Mutter hochschwanger mit meiner Schwester. Ich kann mich noch daran erinnern, dass unglaublich viele Autos auf der Autobahn waren. Und die Innenstadt von Helmstedt war total voll, ungewöhnlich für so eine kleine Stadt. Wir sind in ein Geschäft rein – das war wie in einem amerikanischen Kitschfilm: helles Licht, alles blinkte und ganz viel Glitzer. Die Regale gefüllt bis unter die Decke mit Spielzeug bis zum Umfallen.

Julia Steinigeweg

Sophie Kirchner

Sophie Kirchner, ­geboren in Ostberlin, war fünf Jahre alt, ­als die Mauer fiel. Die ­Erwachsenen um sie herum, sagt sie, seien damals so glücklich, so euphorisch gewesen – ­das habe ihr Angst gemacht. Seit 2014 ist das Begrüßungsgeld ihr Thema, sie fotografiert Ostdeutsche und deren Käufe – und fragt danach, was sie ­erlebt haben.

Ich war überfordert. Das ist meine Erinnerung an den ersten Tag im Westen. Herzklopfen, der Mund steht offen, viele Menschen, Enge und auch ein Gefühl wie ein Rausch. Es war einfach so anders als alles, was ich vorher kannte. Und dass die Erwachsenen so überwältigt waren, übertrug sich natürlich auch auf uns Kinder. Dass etwas von heute auf morgen komplett anders war, das habe ich gespürt.

Seitdem kann ich mich nur schwer entscheiden

Und dann habe ich mir in dem Geschäft das Pony gekauft. Ich durfte mir eine Sache aussuchen, und bei der immensen Auswahl an Spielzeug hat das auch gedauert. Diese Erfahrung hat mich sehr geprägt: Ich kann mich nur schwer entscheiden.

Was würden Sie sich heute kaufen, wenn Ihnen der Staat 100 ­Euro schenken würde?

Wahrscheinlich würde ich es erst mal weglegen und ein Wochenende darüber nachdenken. Denn ich mag ja Ent­scheidungen nicht so gern. Vielleicht würde ich mir ein paar schöne Stoffe kaufen. Und auch etwas für meine Kinder!

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