Zum Auftakt der Deutschen Islam Konferenz hat Bundesinnenminister Horst Seehofer am Mittwoch in Berlin die Rechte und Pflichten muslimischer Bürger betont.
Zum Auftakt der Deutschen Islam Konferenz hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU, Foto) am Mittwoch (28.11.2018) in Berlin die Rechte und Pflichten muslimischer Bürger betont. "Muslime gehoeren zu Deutschland", sagte er bei der Konferenz.
Rolf Zöllner/epd-bild
Frischer Wind
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat die Deutsche Islamkonferenz neu aufgestellt: bunter, praxisnäher, flexibler. Das ist gut.
Tim Wegner
28.11.2018

"Quartier der Zukunft" nennt sich der Häuserblock in der Berliner Friedrichstraße 180. Das Bundesinnenministerium hat die Tagungsräume vermutlich nicht wegen ihre Namens ausgesucht,  programmatisch ist er dennoch: Denn hier sind am Mittwoch gut 250 Muslime und Vertreter staatlicher Institutionen zusammengekommen, um die Deutsche Islamkonferenz (DIK) neu aufleben zu lassen.

Tim Wegner

Claudia Keller

Claudia Keller ist Chefredakteurin von chrismon. Davor war sie viele Jahre Redakteurin beim "Tagesspiegel" in Berlin.

2006 hatte der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) das Forum ins Leben gerufen, um auf höchster staatlicher Ebene mit Muslimen ins Gespräch zu kommen. Es wurde über das Verhältnis von Religion und Staat diskutiert, über Sicherheit und Werte, über Religionsunterricht, Seelsorge und die Gründung eines islamischen Wohlfahrtsverbandes. Die DIK hat viel angestoßen und erreicht. Zuletzt hatten sich die Gespräche allerdings tot gelaufen, und der Teilnehmerkreis hatte sich auf die traditionellen Islam-Verbände verengt. Da ist es gut, dass das Forum neu beatmet wird. Gastgeber ist nun Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), dem nach seinem Amtsantritt und seinem Ausspruch "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" nur wenige zutrauten, dass er dem Verhältnis von Islam und Staat aufhelfen könnte. Nach seiner Grundsatzrede vom Mittwochmittag sieht das anders aus. Womöglich ist Seehofer sogar ein Glücksfall für die Islamkonferenz.

Seehofers Wunschkonzert

Er wünsche sich einen "Islam in, aus und für Deutschland", sagte Seehofer. Das aber könne nur ein vielfältiger Islam ein, weshalb die DIK auch "ein breites Spektrum muslimischen Lebens" abbilden wolle. So ist der Teilnehmerkreis diesmal so bunt wie nie, viele islamische Strömungen und Glaubensrichtungen sind vertreten, die traditionellen Moscheeverbände ebenso wie Einzelpersonen, säkulare Muslime sitzen neben hoch religiösen. Künftig reden nicht mehr nur Spitzenfunktionäre mit Spitzenfunktionären, sondern es kommen Initiativen und Gruppierungen aus den Kommunen zu Wort, die wissen, was dort gebraucht wird, "wo sich Muslime und Nicht-Muslime begegnen: als Nachbarn, Kollegen, Freunde", wie es Seehofer ausdrückte.
 
Auch die Formate der Treffen sollen vielfältiger und flexibler werden: Dezentrale Veranstaltungen mit wechselnden Teilnehmern, Workshops, Fachgespräche, Projektförderung sollen die fest gefahrene Gremienarbeit der vergangenen Jahre mit immergleicher Besetzung ablösen. Vieles sei ein "Pilot-Projekt", sagte Seehofer, man wolle ausprobieren, ob das klappe, wisse man nicht. Das ist mutig und bringt Bewegung in die Sache und würfelt vieles neu zusammen.  

Einflüsse aus dem Ausland beenden

Die Moscheegemeinden sollten sich von ausländischen Einflüssen abnabeln, mit Imamen und Seelsorgern arbeiten, die in Deutschland ausgebildet wurden, und sich "in die Nachbarschaft öffnen", gab Seehofer den Gemeindevertretern mit auf den Weg. Er ist sich bewusst, dass er sich als Innenminister Veränderungen zwar wünschen kann, aber Religionsgemeinschaften nichts überstülpen darf. Das Religions-Verfassungsrecht sieht eine Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften vor. Die Wunschliste jedenfalls ist deutlich geworden und auch, dass am Ende der Legislaturperiode konkrete Ergebnisse da sein sollen.

Mit Aiman Mazyek, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, verabredete Seehofer gleich am Mittwochnachmittag auf dem Podium, für 2019 "ein Dutzend Imame in Deutschland praktisch auszubilden". Praktische Ausbildung meint die Ausbildung nach dem Theologiestudium in den Gemeinden, ähnlich wie das Vikariat für angehende evangelische Pfarrer. Seehofer klopfte die Verabredung mal eben so fest; er tat das charmant, humorvoll – aber doch so konkret, dass seine Mitarbeiter ins Schwitzen gerieten und die anwesenden Staatskirchenrechtler auch. Für Moscheegemeinden, Vereine und Initiativen, die mit ihrer Arbeit konkret Integration fördern, soll es zusätzlich Geld vom Bundesinnenministerium geben, versprach Seehofer. Dafür sei ein eigener Posten im Haushalt 2019 eingestellt.

Innermuslimische Debatte

Noch etwas möchte Seehofer mit der Islamkonferenz: die Debatte innerhalb der muslimischen Gemeinschaft anstoßen. Dazu braucht es nicht viel, wie der Mittwochmittag zeigte. Wer darf für wen sprechen? Wer vertritt wen? Das sind die großen strittigen Fragen, die vielen liberalen Muslimen unter den Nägeln brennen. Die Moscheegemeinden in Deutschland seien nichts anderes als "ethnisch-nationale Vereine", und die Islamverbände seien in ihren Strukturen allesamt "vordemokratisch", erklärte der Politikwissenschaftler und Buchautor Hamed Abdel Samad und wollte von Seehofer wissen, wie der Staat diese Verbände kontrolliere. Moscheegründerin Seyran Ates fragte, warum der Moscheeverband Ditib, der traditionell mit der Religionsbehörde in Ankara verbunden ist, überhaupt noch zur Deutschen Islamkonferenz eingeladen werde.
Seehofer erklärte, dass es nicht Sache des Staates sei, die Religionsausübung von Muslimen zu kontrollieren – und auch die Verbände nicht, solange sie sich auf dem Boden der Grundordnung bewegen.

Tiefe Kluft zwischen Säkularen und Religiösen

"Warum fangen Sie hier an, 2000 Moscheegemeinden zu beschimpfen?", entgegnete Aiman Mazyek auf Hamed Abdel Samad und warb für "Austausch statt uns gegenseitig zu bashen". Mazyeks Aussage, dass der konservative Zentralrat in den vergangenen Jahren niemals liberale Muslime beschimpft habe, mochte im Saal aber niemand so recht glauben. Es folgten Vorwürfe auf Vorwürfe. Gastgeber Horst Seehofer blieb gelassen. "Offenheit und Pluralität sind anstrengend", sagte er den Diskutanten. "Wir sollten Diskussionen immer so führen, dass wir einander respektieren und Herabsetzungen unterbleiben." Auch dieser Satz aus Seehofers Mund ist ja nicht selbstverständlich.

 

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