Aufgerollte und aufgestellte Euro-Scheine, viele Geldscheine im Bündel
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21 Tipps
So spende ich richtig
Machen meine 100 Euro die Welt wirklich besser? Am besten nur für Kinder spenden? Wem kann ich noch vertrauen? 21 Fragen und Zweifel. Wir haben die Antworten.
Tim Wegner
02.12.2023
8Min

"Bettelbriefe nerven – muss das sein?"

Ja, solche Briefe müssen sein, denn wer nicht fragt, bekommt auch nichts, sagt Burkhard Wilke vom DZI, einer Verbraucherschutzorganisation für Spender und Spenderinnen. "Die Bereitschaft zum Spenden ist tief im Menschen verwurzelt, aber man braucht dazu Gelegenheiten und manchmal auch eine Erinnerung." Der Brief ist nach wie vor die wichtigste Werbeform. Allerdings sind für viele Menschen höchstens drei bis vier Briefe pro Jahr okay, und auch nur, wenn sie eher informierend sind wie ein Newsletter.

"Ich will nicht bedrängt werden"

Richtig bedrängende Spendenwerbung geht gar nicht. Etwa so: "Wollen Sie wirklich zulassen, dass dieses Kind stirbt?" Solche Fälle sollte man an das DZI melden (sozialinfo@dzi.de) und auch der Hilfsorganisation eine Rückmeldung geben.


"Was kann ich mit meinen 50 oder 100 oder 150 Euro schon ausrichten?"

Für 43,50 Euro kann die Welthungerhilfe in Burundi, wo die Hälfte der Kinder wegen Unterernährung wachstumsverzögert ist, einem Schulkind ein Jahr lang ein warmes Mittagessen ermöglichen. Mit 50 Euro kann Ärzte ohne Grenzen rund 750 Menschen in einem Katastrophen- oder Kriegsgebiet einen Monat lang mit Trinkwasser versorgen. 134 Euro kosten 100 Obstbaumsetzlinge, die Brot für die Welt an Kleinbauernfamilien in Malawi verteilt, damit sie Obst auf dem Markt verkaufen und sich selbst gesünder ernähren können. Mit 150 Euro kann Medica mondiale in Afghanistan einen Monat lang die Miete zahlen für ein verschwiegen gelegenes und gesichertes Haus, in dem Überlebende sexualisierter Gewalt medizinische Hilfe finden.

"Und was nützen 1000 Euro?"

Mit 1000 Euro kann die Diakonie Katastrophenhilfe 30 Familien Soforthilfe leisten: Dazu gehören 5 mal 5 Meter große Plastikplanen inklusive Stützen, Schlafmatten, Decken, Wasser oder Wasserfilter, außerdem Lebensmittel für zwei Monate, darunter haltbare Grundnahrungsmittel wie Öl, Bohnen oder Reis. Um mal ein Beispiel aus Deutschland zu nennen: Für 1000 Euro bezahlt der Nabu e. V. (Naturschutzbund Deutschland) eine Drohne mitsamt mobiler Ladestation und kann damit bedrohte Wiesenvogel-Gelege entdecken und schützen. Mit 2500 Euro finanziert Medica mondiale ein Motorbike in Liberia, damit die Hilfeteams auch Frauen in entlegenen Dörfern aufsuchen können. Und für 2800 Euro kann Ärzte ohne Grenzen eine leistungsstarke Lampe für einen Operationssaal besorgen.

"Trotzdem ist meine Spende doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein!"

Nein, denn aus jedem gespendeten Euro können Hilfsorganisationen vier Euro machen. Weil sie dank der privaten Spende auch öffentliches Geld bekommen, etwa von der Bundesregierung, der EU, den Vereinten Nationen. Warum es dafür die privaten Spenden braucht, erklärt Kerstin Bandsom von der Welthungerhilfe mit einem Vergleich: "Wenn Sie von der Bank einen Kredit wollen, dann müssen Sie der Bank auch erst mal einen Sockel an Eigenkapital vorweisen, damit die Bank sehen kann: Okay, das ist ernst gemeint und seriös durchgeplant, das wird was." Dank dieser "Geldvermehrung" kann die Hilfsorganisation dann nicht nur an einem Ort eine Schulspeisung finanzieren, sondern in einer ganzen Region.

"Am besten, ich gebe jedem etwas"

Nein, es ist besser, 100 Euro an eine einzige Organisation zu spenden als je 20 Euro an fünf Organisationen, sagt Burkhard Wilke vom DZI. Denn jede Spende löst einen Verwaltungsvorgang aus, kostet also. Manche Menschen verteilen ihre Spende, weil sie so viele Briefe bekommen und niemanden zurückweisen wollen. Aber davon könne man sich emanzipieren, meint Wilke.

"Für eine Fördermitgliedschaft hab ich nicht das Geld"

Einmalige Spenden sind gut, noch besser sind langfristige Fördermitgliedschaften. Der jährliche Beitrag muss nicht höher sein als die bisherigen Einzelspenden, aber die Organisation weiß nun, mit wie viel Geld sie im nächsten Jahr planen kann. Solche Fördermitgliedschaften lassen sich umstandslos auch wieder kündigen, wenn man tatsächlich mal zu wenig Geld haben sollte.

"Ich spende nur zweckgebunden, dann hilft meine Spende wirklich"

Tatsächlich ist es genau andersherum: Mit "freien" Spenden in den großen Topf einer Organisation kann man oft mehr bewirken. Denn zweckgebundene Spenden (also alle Spenden, für die man ein Kennwort angeben muss) verursachen zusätzliche Kosten: Die Einnahmen und Ausgaben müssen buch- und kontenmäßig immer getrennt geführt werden. Und gehen nach einem Aufruf mehr Gelder als benötigt ein, müssen die Spenderinnen und Spender informiert beziehungsweise befragt werden über die anderweitige Verwendung der Spende.

"Es gibt Armut auch bei uns, nicht nur im Ausland!"

Ja, leider gibt es auch in Deutschland Bedürftigkeit. Etwa die Hälfte aller Spendengelder kommt hiesigen Projekten zugute, schätzt Burkhard Wilke vom DZI, zum Beispiel Sportvereinen, Bildungsprojekten oder der Behindertenhilfe. Auch die fast 1000 Tafeln in Deutschland, die nicht mehr verkäufliche Lebensmittel einsammeln und an Menschen in Armut weitergeben, bekommen Spenden: Die sind nötig etwa für Benzin (die Lebensmittel müssen ja abgeholt werden) oder für die Kühlung der Lebensmittel.

"Kindern helfen, das bringt am meisten"

Kinder sind die Zukunft. Aber Kindern geht es nur gut, wenn es ihren Eltern gut geht. Deshalb unterstützen Hilfsorganisationen nicht einzelne Kinder, sondern das ganze Dorf. Mitsamt den Alten, denn die sind oft am ärmsten dran. Auch Organisationen für Kinderpatenschaften nehmen die ganze Gemeinschaft in den Blick.

"Das Geld geht doch nur an korrupte Regierungen"

Viele nicht staatliche Organisationen wie Brot für die Welt haben nichts mit den örtlichen Regierungen zu tun, sie arbeiten mit ganz anderen Partnern vor Ort zusammen, beispielsweise mit kirchlichen Einrichtungen oder Selbsthilfevereinigungen, etwa der der landlosen Bauern. Diese Partner stellen Projektanträge, werden dabei beraten und bekommen am Ende die Mittel für ihr Projekt.

Kindern geht es nur gut, wenn es ihren Eltern gut geht. Deshalb unterstützen Hilfsorganisationen das ganze Dorf.

"Idiotisch: hier teuer Lebensmittel kaufen und dann nach Afrika transportieren"

Stimmt. Deswegen macht das heute auch niemand mehr. Aber es gab mal eine Luftbrücke mit Lebensmittelpaketen, organisiert von Christen und Christinnen weltweit: nach Biafra, 1967. Die Region hatte sich von Nigeria abgespalten, Nigeria reagierte mit Hungerblockade und Krieg. Heute kaufen Nothilfeorganisationen die Nahrungsmittel in der Region, denn es herrscht nie überall gleichzeitig Mangel. Und immer öfter bekommen die Notleidenden kein fertiges Paket, sondern Bargeld. Die Familien wissen selbst am besten, was sie akut brauchen. Das ist auch würdiger.

"Katastrophenhilfe nützt nichts, nachher ist es so schlimm wie vorher"

"Nein, nachher ist es besser als vorher", sagt Tommy Ramm von der Diakonie Katastrophenhilfe. Und das geht so: erst die akute Überlebenshilfe mit Decken, Zelten, Wasser, Essen. Dann bauen die Partnerorganisationen vor Ort die Häuser wieder auf, und zwar stabiler als vorher, so dass sie dem nächsten Erdbeben oder Wirbelsturm standhalten. Die Betroffenen sollen möglichst viel selbst machen, etwa in den somalischen Flüchtlingscamps Brunnen bauen. Sie bekommen dafür Geld und können sich Essen, Waschmittel, Babykleidung selbst kaufen. Auch wenn die Medien schon wieder weg sind, bleibt die Diakonie Katastrophenhilfe und unterstützt dann zum Beispiel Menschen, die in ihre zerstörten Dörfer zurückkehren - mit Saatgut, landwirtschaftlichem Gerät und Beratung, um eine neue Lebensgrundlage aufzubauen. Das macht sie stärker als vorher.

"Sollen doch die anderen spenden, die Deutschen sind eh Spendenweltmeister"

Stimmt nicht. Denn nur 48 Prozent der Deutschen ab 16 Jahren spenden Geld, wie eine weltweite Befragung 2021 ergab. Damit steht Deutschland auf Rang 28. Die Niederlande liegen auf Platz 3 und sind damit das spendenfreudigste europäische Land. Auf Platz 1: Indonesien. Dort spendeten 84 Prozent.

"Ich hab doch selber zu wenig"

Wer nicht spendet, fühlt sich - rein subjektiv – nicht wohlhabend, hat Sabine Loch herausgefunden, sie ist Psychologin beim Marktforschungsinstitut Rheingold. Beispiel: Da hat jemand vielleicht viel Geld, fühlt sich aber immer zurückgesetzt, also irgendwie arm. Auf der anderen Seite gibt es Menschen mit wenig Geld, die sich noch Bedürftigeren zuwenden und zum Beispiel für Kinder, Tafeln, Tiere spenden. Oder Flüchtlinge geben vom ersten Lohn einen Teil an eine Hilfsorganisation.

"Und was ist mit mir? Ich hab nichts vom Spenden!"

Doch. "Leute, die abgeben, fühlen sich zufriedener und entspannter", hat Psychologin Sabine Loch beobachtet. "Denn in dem Moment, wo ich mich auf die Geberseite stelle, sehe ich mich nicht mehr als Opfer. Man hilft damit auch sich selbst." Die Bibel fasst diese uralte Erfahrung so zusammen: Gebet, so wird euch gegeben.

"Auf den Mangel zu schauen macht arm, wohlhabend macht es, auf das zu schauen, was ich alles habe", sagt der Theologe und erfahrene Fundraiser Udo Schnieders von der Kanzlei Schomerus. Vieles werde einem geschenkt – das Leben, gesunde Kinder, eine gute Ausbildung, ein lieber Mensch an der Seite … "Es ist ein Schritt der Reife, sich an dem zu erfreuen, was ist. Und wer sich in der Fülle erlebt, gibt gern."

"Ich weiß nicht, wem ich was geben soll"

"Folgen Sie Ihrem Herzen", rät Fundraising-Experte Schnieders, "was rührt mich an, wenn ich Nachrichten höre? Wo habe ich den Impuls zu helfen?" Oder man spendet für etwas, was mit einem selbst zu tun hat – weil man selbst oder eine Angehörige Unterstützung erfahren hat. Oder weil eine bittere Erfahrung an einem vorübergegangen ist.

"Ich spende nur in meiner Heimat - da weiß ich, wem ich helfe"

Auch das ist eine gute Idee: vor Ort Geld spenden. Vor Weihnachten sammeln zum Beispiel viele Regionalzeitungen Spenden für Kinder oder für arme alte Menschen oder für bestimmte Projekte. Auch Krankenstationen, Schulen, Kitas, Vereine, Musikgruppen, Jugendzentren, die örtliche Kirchengemeinde - alle freuen sich kringelig, wenn sie extra Gelder bekommen für sonst nicht finanzierbare Herzensprojekte.

"Ich will helfen, wo niemand spendet"

Schwer an Gelder kommen zum Beispiel Einrichtungen für geschlagene Frauen, Projekte für alte Menschen am Rand zur Armut, vor allem auf dem Land, und ganz besonders wenig Spenden gehen an Kinderpsychiatrien und Projekte für psychisch kranke Erwachsene. "Gib für das, wofür es dir am schwersten fällt, weil dahin wahrscheinlich auch die anderen nichts geben", so beschreibt Udo Schnieders die Strategie für eine Elite der besonderen Art.

"Kann ich überhaupt jemandem vertrauen?"

"Ja! Vertraut den Organisationen, die meisten sind überaus vertrauenswürdig", sagt Burkhard Wilke von der Organisation DZI, die auch das renommierte Spenden-Siegel vergibt. Es gilt die Regel: Organisationen mit Spenden-Siegel sind seriös, aber welche ohne Spenden-Siegel sind nicht automatisch unseriös. Mittlerweile erstellt das DZI auch neutrale Einschätzungen zu Organisationen, die kein Spenden-Siegel beantragt haben, zu denen aber immer wieder besonders viele Menschen Auskunft vom DZI erbitten. Wer seriös ist, veröffentlicht zum Beispiel einen Jahresbericht, in dem auch erklärt wird, wie die Organisation die Wirksamkeit ihrer Projekte kontrolliert. Das DZI gibt übrigens auch eine Negativliste heraus, darauf sind Spenden sammelnde Organisationen, von denen das DZI explizit abrät - etwa wegen unlauterer Werbung oder intransparenter Gelderverwendung.

"Jeder Euro muss ankommen! Ich zahl doch nicht für die Sesselpupser in der Verwaltung!"

Pardon, aber das ist eine unsinnige Forderung. Angemessene Werbung und Verwaltung sind unverzichtbar für eine gut arbeitende Organisation. Dazu gehören zum Beispiel die Wirtschaftsprüfung, die Buchhaltung oder die Spenderbetreuung. "Man kann auch zu wenig für Verwaltung ausgeben – dann verliert man den Überblick und macht dringend notwendige Kontrollen nicht", sagt Burkhard Wilke vom DZI. Weniger als zehn Prozent Verwaltungskosten – so wie bei Brot für die Welt – gelten als niedrig, aber auch 30 Prozent können noch angemessen sein, aufwendig ist zum Beispiel die Kommunikation mit Paten und Patinnen bei Kinderpatenschaften.

Weitere Tipps, beispielsweise zur Haustürwerbung, finden sich auch hier.

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Das Thema der korrupten Eliten in Afrika (von denen praktisch jedes Land betroffen ist), bleibt leider mal wieder unerwähnt. Es ist in erster Linie Aufgabe der Führungsschicht eines Landes, für die Entwicklung und das Wohlergehen Ihrer Bürger zu sorgen (das ist zumindest unser Verständnis). Jeder €uro/$ollar, der in die "Entwicklungshilfe" gesteckt wird, entlastet die Eliten von ihren Aufgaben, so dass diese sich so noch mehr in ihre Taschen stopfen können, unzählige Beispiele belegen dies. Und so werden die unterernährten Kinder mit ihren großen Kulleraugen als Druckmittel eingesetzt, um mehr Spenden zu generieren. Selbst wenn die Hilfe bei den Armen/Schwachen ankommt, dann wird trotzdem die Elite von ihrer Führungsverantwortung entlastet und kann sich um so ungenierter an den Einnahmen durch die Rohstoffausbeutung im jeweiligen Land bereichern. Das wäre ein Thema für "Good Governance", aber das ist für die dt./europ. Politik dann doch zu mühselig, hier Druck im Hinblick auf Verbesserungen zu machen. Den man will ja auch gute Geschäfte mit den Staaten machen. An einem einleuchtenden Kommentar zum Thema "Korrupte Eliten" bin ich sehr interessiert!

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Wir haben seit nunmehr über 25 Jahre Patenkinder in Zimbabwe. In dieser Zeit haben wir bauliche Maßnahmen ebenso unterstützt wie auch landwirtschaftliche Anschaffungen. Besonders stolz sind wir jedoch auf die Tatsache, mittlerweile vier Kinder im Rahmen ihrer schulischen Ausbildung begleitet unterstützt zu haben. Man kann konkret helfen! Alles andere sind nur gewollte Ausflüchte.

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