Praesident Dr. Josef Schuster, Praesidium Zentralrat der Juden in Deutschland
Praesident Dr. Josef Schuster, Praesidium Zentralrat der Juden in Deutschland , Frankfurt am Main, am 23.11.17. Foto: Thomas Lohnes fuer Zentralrat der Juden
Thomas Lohnes
"Aufklärung schon im Kindergarten"
Denn immer wieder gibt es religiöse Intoleranz. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, ruft zum Widerstand auf.
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
19.10.2018

chrismon: Herr Präsident Schuster, es gibt zunehmend verbale und körperliche Übergriffe gegen Juden und Muslime in Deutschland. Macht Ihnen das Angst?

Josef Schuster: Das Wort Angst möchte ich nicht so gern benutzen. Angst geht mit Schrecken einher. Aber es macht mir Sorgen. Denn die Aggressivität, wie sie Juden und Muslime erleben, ist Ausdruck einer veränderten gesellschaftlichen Stimmung. Man merkt, dass in den letzten Jahren, auch von einer bestimmten Partei geschürt, rote Linien verschoben wurden. Die angeheizte Stimmung führt auch zu solchen Übergriffen. Es bedarf der Bemühungen aller, diese roten Linien wieder zurückzuschieben und klarzumachen: Wir wollen respektvoll zusammenleben – unabhängig von der Religionszugehörigkeit oder der Abstammung.

Hat die Partei, die Sie meinen, die AfD, etwas freigelegt, was immer schon da war, oder hat sie neue anti­jüdische Ressentiments geweckt?

Untersuchungen zeigen: Auch als es die AfD noch nicht gab, gab es diese antijüdischen Ressentiments bei circa 20 Prozent der Bevölkerung. Es ist aber wieder salonfähig geworden – nach meiner Einschätzung auch mitverursacht von führenden Politikern der AfD –, antisemitische Stereotype auszusprechen und zu verbreiten. Das führt zu einer Normalisierung von Antisemitismus in der Gesellschaft.

Thomas Lohnes

Josef Schuster

Dr. med. Josef Schuster, geboren am 20. März 1954 in Haifa, ist seit November 2014 Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er arbeitet als Internist in Würzburg.

Was ist zu tun, um die religiöse Toleranz in Deutschland zu stärken?

Das geht nur mit Aufklärung. Die beginnt im Kindergarten und noch wichtiger wird sie in den Schulen. Vorurteile und Intoleranz gegenüber Minderheiten müssen zum ­Unterrichtsthema werden, gleich um welche Minderheit es auch geht. Der Zentralrat hat deshalb das Projekt "Likrat" gestartet, bei dem jüdische Jugendliche in Schulklassen gehen und den Schülern für alle Fragen zum Judentum zur Verfügung stehen. Gerade in Schulen erleben wir, wie schnell Minderheiten ausgegrenzt, beleidigt oder körperlich angegriffen werden

Welchen nachhaltigen Gewinn hat das Reformationsjubiläum für das christlich-jüdische Verhältnis gebracht?

Als ausgesprochen positiv sehe ich ­dies: Die evangelische Kirche hat ­dieses Gedenkjahr nicht in ein Lutherjubeljahr ausarten lassen. Sie hat auch die kritischen Seiten Luthers beleuchtet, zum Beispiel seine anti­semitische Haltung in seinen späten Lebensjahren. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat klar den Finger in diese Wunde gelegt. Das war ein wichtiger Schritt, den Gesprächsfaden zwischen den jüdischen Gemeinden und der evangelischen Kirche weiterzuspinnen. Hinzu gehört auch die erfreuliche Distanzierung der EKD von der christlichen Judenmission, also von Bekehrungsversuchen der Christen gegenüber den Juden, und auch von dem Antisemitismus, der über Jahrhunderte von den Kanzeln gepredigt worden war.

Was erwarten Sie von der Kirche?

Dass sie diesen Weg unbeirrt weitergeht, religiös begründeten Antisemitismus ohne Wenn und Aber abzulehnen, und dort, wo er zutage tritt, sich engagiert gegen ihn wendet. ­Dazu gehört auch eine heute moderne Form des Antisemitismus, nämlich die Übertragung von antijüdischen Stereotypen auf den Staat Israel. ­So gibt es eine verbreitete Kritik an ­Israel, die den Staat mit Naziver­gleichen überzieht. Leider gibt es das auch in kirchlichen Kreisen.

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