Reden, bis der Laden schließt
Normalerweise spricht Laura über Politik nur mit ihren Freunden. Heute nicht.
Tim Wegner
24.09.2018

Das "Sabor 'ermoso" in Köln nennt sich selber einen "Wohlfühlort". Dabei soll die Aktion "Deutschland spricht" ja genau da herausführen: aus der "Komfortzone". Sagt zumindest der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der an diesem Sonntagnachmittag als Schirmherr auftritt für gut 4000 Streitpaare.

Die Psychologin Laura trifft die Künstlerin Sabina

Zum Beispiel für die Künstlerin Sabina, 57, und die Psychologin Laura, 29, die sich punkt 15 Uhr im Saber 'ermoso (wörtlich: wunderbarer Geschmack) treffen, das zu diesem Zeitpunkt rappelvoll ist. Draußen stürmt und regnet es, drin kommen die beiden Frauen schnell auf den Punkt. "Geht es Deutschland schlechter als vor zehn Jahren?" Sabina hat angeklickt: ja! Laura hat angeklickt: nein! Aber schnell fragen sich beide: Wer sind "die Deutschen"? Sind es, wie Sabina meint, die verschämten Armen, die nicht nur Flaschen aus dem Papierkorb puhlen, sondern neuerdings sogar Brot, von dem sie abbeißen? Oder sind es "die Durchschnittsdeutschen"?

Die beiden erzählen sich, wie sie aufgewachsen sind. Laura in einer deutsch-italienischen Familie in den 90ern. Sabina in der Nach-68er-Zeit in Bremen. "Normalerweise spreche ich nur mit Freunden über politische Themen", sagt Laura, "der Austausch zwischen zwei Generationen war sehr bereichernd." Genau das sagt auch Sabina: "Lauras Eltern sind jünger als ich! Eine jüngere Frau mit anderem Hintergrund geht einfach völlig anders an das Thema Deutschland, Flüchtlinge und Rechtsradikale heran."

Beide sind froh, dass sie mitgemacht haben. "Angenehm und konstruktiv", fand es Laura, "bei allen Unterschieden waren wir uns einig über die historische Verantwortung und dass sich Geschichte nie wiederholen darf!" Und Sabina lobt die "offene und zugewandte Atmosphäre. Wir haben das Denken erweitert, ohne zu streiten, überzeugen zu wollen und zu predigen."

Die beiden Kölnerinnen überlegen gerade, wie man nächstes Jahr mal so einen richtig Andersdenkenden finden könnte. Nicht nur "Zeit", "Spiegel" und chrismon ins Boot holen, sondern vielleicht den "Kicker"? Da fängt die Wirtin vom Saber 'ermoso an, die Stühle hochzustellen – auch der schönste Wohlfühlort hat mal Feierabend. Ist ganz leer geworden um Sabina und Laura, und sie haben es gar nicht richtig bemerkt. Gutes Zeichen!  

 

 

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