Die Verpflichtungserklärung zur Übernahme der Kosten für den Lebensunterhalt einen Flüchtling aus Syrien
Das Ehepaar Christine Emmer-Funke und Christopher Emmer aus Minden sind empört: 22.000 Euro an Sozialleistungen sollen sie zurückzahlen, die ein aus Syrien nach Deutschland geflüchtetes Ehepaar bekommen hat. Wie das Ehepaar Emmer-Funke erhalten zurzeit viele Menschen, die in den Jahren 2014/15 Verpflichtungserklärungen für den Lebensunterhalt syrischer Flüchtlinge unterschrieben haben, Zahlungsaufforderungen von Sozialämtern oder Jobcentern. Foto: Die Verpflichtungserklärung des Ehepaars, Foto vom 27.06.17. epd-bild/Oliver Krato
Oliver Krato/epd-bild
"Gerichte urteilen mal für, mal gegen die Bürgen"
Gerhard Trabert, bekannt als "Arzt der Armen" (chrismon 2/2018), hat für Flüchtlinge gebürgt. Jetzt fordert das Jobcenter Hartz-IV-Beiträge, ­
die es an die Flüchtlinge gezahlt hat, von ihm zurück.
Jonas KrumbeinPrivat
23.08.2018

chrismon: Waren Bürgen wie Gerhard Trabert naiv?

Heinz-Dieter Schütze: Nein. Die Verwaltungsgerichte haben bislang unterschiedlich geurteilt. Und es gab ­Erlasse in Bundesländern, die bürgenfreundlich waren. Ein Bundesverwaltungsgerichtsurteil von 2014 legte nahe, dass Bürgen nicht weiter für ihre Flüchtlinge haften ­müssen, wenn diese eine dauer­hafte Aufenthaltserlaubnis erhalten. Erst später ist das Gericht umgeschwenkt zu­lasten von Bürgen.

Heinz-Dieter SchützePR

Heinz-Dieter Schütze

Heinz-Dieter Schütze, Rechtsanwalt in Wetzlar, vertritt über 40 Flüchtlingsbürgen.

Gerhard Trabert sagt, das Jobcenter hätte ihm Bescheid geben müssen, dass seine Flüchtlinge Sozialleistungen beantragt haben.

Wenn Flüchtlinge Sozialleistungen beantragen, müssen die Jobcenter Bürgen nicht informieren. Meist wissen sie auch gar nicht, dass es einen Bürgen gibt. Beides wissen aber die Ausländerbehörden.

Worauf sollten Bürgen jetzt achten, wenn ein Jobcenter Geld fordert?

Wer seine Bürgschaftserklärung in Form des bundeseinheitlichen Formulars ohne Zusätze abgegeben hat, muss darauf hoffen, dass es einen bürgenfreundlichen Landeserlass gibt oder dass die Ausländerbehörde Absprachen zugunsten des Bürgen getroffen hat, die dieser belegen kann. In der Regel ist die Beweislage bei Absprachen aber schlecht. Hat die Ausländerbehörde schriftliche Zu­sicherungen zugunsten des Bürgen abgegeben, etwa dass die Bürgschaft für einen Aufenthalt nach dem Aufenthaltsgesetz gilt, ist das günstig für Bürgen.

Unterschiedliche Bürgschaftserklärungen, unterschiedliche Gerichtsurteile selbst in vergleichbaren Fällen: Wie bewerten Sie als Jurist diese Unberechenbarkeit?

Dass Gerichte in vergleichbaren Fällen mal für, mal gegen Bürgen urteilen, ist unerträglich. Es müsste eine einheitliche Rechtsauffassung geben. Diese entsteht derzeit, aber leider zuungunsten von Bürgen und zugunsten von Verwaltungen. Das liegt daran, dass die höchsten Gerichte wie das Bundesverwaltungsgericht meist ver­waltungsfreundlich und staatstragend urteilen.

Was haben Sie für die Flüchtlingsbürgen unter Ihren Klienten bislang erreicht?

Zu den 40 Fällen gibt es erst drei Urteile, zwei ergingen zugunsten der Bürgen. Allerdings hat das Jobcenter da­gegen Berufung eingelegt. Ein Urteil erging zulasten eines Bürgen. Er muss zwar keine Krankenkassenbeiträge erstatten, aber Hartz-IV-Beiträge. Gegen dieses Urteil habe ich Berufung eingelegt. Mit dem Jobcenter in Wetzlar habe ich vereinbart, dass die übrigen Fälle ruhen sollen, so­lange die Forderungen nicht verjähren.

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