Anfänge - Vegan essen
Anfänge - Vegan essen
Katrin Binner
Voll lecker: Pudding aus Chiasamen
Lotte probiert es vegan und mit Konsumverzicht. 
Ihre Eltern waren erst nicht begeistert, unterstützen sie aber
Tim Wegner
27.07.2018

Lotte, 16:

Ich liebe Schnitzel! Aber ich wollte herausfinden, wie groß mein Verzicht ist, wenn ich kein Fleisch mehr esse. Es war erst einmal nur ein Experiment für einen Monat. 14 war ich da.

Ich hab mir schon damals viele Gedanken gemacht. Das Futter für die Nutztiere wird meist aus Soja hergestellt. Und für den Sojaanbau wird Regenwald gerodet. Dabei bekommt man am Ende für drei Kilo Soja oder Getreide nur ein Kilo Schweinefleisch. Man könnte mit dem Getreide viele Menschen direkt ernähren. Wenn man was für die Umwelt tun möchte, ist es auf jeden Fall ein guter Weg, auf Fleisch zu verzichten.

Der erste Kommentar meiner Mutter war: "Oh nee, oder? Jetzt weiß ich gar nicht mehr, was ich kochen soll! Aber du machst nicht auch noch dieses Vegan?" Nein, nein, sagte ich, keine Sorge.

Es war dann eigentlich kein Problem mit dem Kochen. Wir hatten auch vorher schon höchstens zwei- bis dreimal die Woche Fleisch gegessen. Meine Mutter kocht mittlerweile fast nur noch vegetarisch. Es gibt ja auch vegetarische Bolognese, die haargenau gleich schmeckt, meiner Meinung nach. Am Wochenende kocht mein Vater. Statt Lasagne mit Hack macht er jetzt eine Gemüselasagne mit Auberginen, die mag jeder.

Irgendwann dachte ich: Für Milch und Eier ist ja auch Tierhaltung nötig. Jetzt versuche ich, nach und nach alle 
tierischen Lebensmittel wegzulassen. Neulich gab’s zu Hause Nudeln mit Pilz-Sahne-Sauce, da hab ich mir einfach Pilze ohne Sahne angebraten, dazu Kräuter und ­Zwiebeln.

Manche Leute denken, dass ich nur noch Gras und Fallobst esse

Wenn ich anderen Leuten erzähle, dass ich jetzt ­vegan esse, erwarten die meisten, dass ich mich nur noch von Fallobst und Gras ernähre. Dabei gibt es so viele ver­schiedene Lebensmittel, das bekommt man sonst gar nicht mit. Mandelmilch zum Beispiel. Die kann man auch selbst machen. Ich fühle mich überhaupt nicht eingeschränkt. Ich merke eher: Ich habe ganz schön viel verpasst die ganzen Jahre, wo ich Mandelmilch nicht kannte. Und in die Schule nehme ich mir zum Beispiel einen Pudding aus Chiasamen mit, der ist voll lecker.

Es gibt eigentlich nur ein Vitamin, an dem es einem mangeln könnte, wenn man auf Eier und Milch verzichtet: B 12. Deswegen ist es vielen Veganprodukten zugesetzt. ­
Es gibt sogar Zahnpasta mit B 12, weil das über die Schleimhaut aufgenommen wird. Aber ich habe meinen Eltern versprochen, dass ich demnächst mein Blut untersuchen lasse.

Ich verkrampfe mich nicht – sonst würde ich über nichts anderes mehr nachdenken als darüber, was ich ­esse. Ich bin auch nicht megastreng. Wenn ich bei ­Freunden ­esse, will ich nicht Fleischstückchen aussortieren, das fände ich unhöflich. Mein Vater unterstützt mich sehr, er findet gut, dass ich viel darüber nachdenke, woher mein Essen kommt und was es auslöst.

Ich finde Kaufen nervig

Ich möchte halt meinen CO2-Fußabdruck möglichst klein halten. Ich fand erschreckend, was bei einem dieser CO2-Tests am Ende stand: Herzlichen Glückwunsch, du lebst sehr sparsam, du brauchst nur zweieinhalb Erden. Dabei konsumiere ich – meiner Meinung nach –  relativ wenig. Ich kaufe recht selten Klamotten und meist nur in Secondhand-Läden, zuletzt vor zwei Monaten einen Rock. Ich finde Kaufen anstrengend, nervig.

Ich sehe bei Mitschülern, dass die sich jede Woche ein neues Kleidungsstück kaufen oder nachts auf der Zeil ­anstehen, um irgendeinen Sneaker zu bekommen. Ich ­ver­­ste­he nicht, wie man sein Herz an ein Paar Schuhe hängen kann. Das krieg ich nicht so richtig rein.  

Ich selbst habe Winterstiefel, Sandalen, Flipflops und zwei Paar Übergangsschuhe; die einen sind die alten von meiner Mutter, und die anderen hab ich seit drei Jahren. Hm, dann hab ich noch Sportschuhe, Tanzschuhe, weil ich Standardtanz mache, und Konzertschuhe, schwarze Ballerinas, weil ich im Chor singe.
Sicher kann man da was dran aussetzen. Und sicher kann ich auch das ganze Jahr in Birkenstock-Sandalen rumlaufen. Aber ich möchte nicht leben wie ein zurückgezogener Waldschrat. Nur weil ich mich jetzt vegan ­ernähre und auf meinen CO2-Abdruck achte, heißt das ja nicht, dass ich auf einmal total konsumfrei lebe.

Protokoll: Christine Holch

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Respekt, wie du agierst. Kleiner Tipp um deinen CO2 Fußabdruck noch zu verkleinern:
Statt Chiasamen Leinsamen verwenden( Kannst du evtl. selber anbauen)
Statt Mandeln sind Haselnüsse eine alternative Möglichkeit
Und B12 gibt es in vielen Getreidesorten zB. Hafer.
Viel Erfolg und weiter so.

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Sich „viele Gedanken“ über das Essen zu machen kann auch eine dekadente Erscheinung unserer übersatten Gesellschaft sein und in vielen Fällen das Ergebnis eines profitfördernden Marketings.
Warum nicht mal einen Blick auf die 80-jährige Oma werfen, die mit gesunden Zähnen und einem stolz zur Erde geneigten Rücken immer noch ihr Grabeland bestellt. Aber das ist nicht werbewirksam, und vor allem altbacken.
Zur Info: Für die Produktion einer einzigen Mandel braucht es knapp 4 Liter Wasser, und Deutschland eignet sich ja nahezu perfekt als tropisches/subtropisches Anbaugebiet für Chia-Samen.
Ich habe mir mit 16 auch „viele Gedanken“ gemacht, und bemühe mich mit meinen nun 59 Jahren, auch mal einen richtigen Gedanken zu fassen.

Antwort auf von Wolfgang Noack (nicht registriert)

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Ein Volltreffer: "Warum nicht mal einen Blick auf die 80-jährige Oma werfen, die mit gesunden Zähnen und einem stolz zur Erde geneigten Rücken immer noch ihr Grabeland bestellt. Aber das ist nicht werbewirksam, und vor allem altbacken".

Nicht das Essen ist es, sondern die Art und Weise wie wir mit dem Essen umgehen und wie wir leben wollen. Die gesamte zivilisatorische Entwicklung ist seit Jahrtausenden in immer größeren Ausmaß von einem unersetzbaren Verbrauch geprägt. Diese Entwicklung zieht global den folgenden Generationen den "Boden" unter den Füssen weg. Aber zum Verzicht, der bis zum Gleichgewicht zwischen Verbrauch und Neu führen könnte, ist niemand bereit. Außerdem ist ein solches Gleichgewicht auch nur bei erneuerbaren Ressourcen möglich. Wir sitzen also in einer gnadenlosen Falle, zumal wir den zivilisatorischen "Nachzüglern" nicht das Recht auf unseren Wohlstand verweigern können. Die ganze Entwicklung hat einen naturgesetzlichen Charakter. Ist also prinzipiell nicht vermeidbar und nur in Nuancen steuerbar. Statt vegan sollte eher das Augenmerk auf Vernunft und Maß glegt werden. Wozu an jeder Ecke ein Bäcker, eine Dönerbude ein Kaffeautomat?

Warum überhaupt angebliche "Moden", die doch nur das Ziel des unmäßigen Konsum haben? Und dann sind da ja auch noch die veganen "Bachblütenträumer", die ihren Schmusekater und Hund genau mit den Produkten verwöhnen, die sie für sich selbst verabscheuen. Ganz zu schweigen, von den Tätowierten, Rauchern und Sonnenstudiosis, die sich über angeblich schlechte Lebensmittel beklagen. Unser Wohlstand, auf den auch die Veganer nicht verzichten wollen, ist ohne Opfer nicht möglich. Und in der Not würde wohl auch jeder Veganer das rettende Fleisch und die Milch nicht verschmähen. Sich als Weltretter zu gebärden, ist nur aus dem absoluten Wohlstand zu erklären. Funktioniert auch das nicht, sind alle Anderen Schuld. Die Zivilisation ist eine Einbahnstrasse mit ungewissem Verlauf. Wer die Folgen nicht akzeptiert, sollte sich eine Insel kaufen. Es ist schwer die Wahrheit zu akzeptieren, wenn die Wünsche doch so schön sind. Und was die Nachfolgegenerationen betrifft, deren Schicksal war auch in allen Vergangenheiten immer ungewiss. Fatalismus? Ist nicht zu vermeiden, wenn das persönliche Ende naht. Aber es gibt ja immer noch eine Zukunft, die für alle positiven Visionen gut sein kann. Statt Pessimist und Optimist ist der Possibilist häufig auf der besseren Seite. Das ist zwar auch etwas „altbacken“ , läßt aber auch das Leben sinnvoll genießen, statt in selbstgerechter Weise zu verkümmern.

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Vor einiger Zeit ging die Verwandlung von gewöhnlichen Zeitgenossen mit ihren landesüblichen Verzehrgewohnheiten in besorgniserregende ökologische Fußabdrücker, die laufend alles falsch machen, ebenso widerstandslos wie erfolgreich über die Bühne. Da dürfte es beim nächsten fälligen Übergang, nämlich dem vom aktiv sündigen Fußabdrücker zum passiv sündigen Fußabstreifer der grünen und christlichen Verzichtsmoral, auch keinen Widerspruch geben.

So untertänig kann also das berühmte "Macht Euch die Erde untertan!" machen.

Fritz Kurz

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wäre mir zu riskant. Ich bin vor ca. 15 Jahren im Netz (liga-Kind?) auf einen Artikel gestoßen, wonach Vegetarierinnen oftmals nur 1 Kind gesund zur Welt bringen können und bei weiteren würden Schäden auftreten, weil der Körper schon ausgelaugt sei.
Das hat damals auf eine frühere, vegetarische Pfarrers-Familie hier gepasst:
1. Kind: Tochter gesund

2. Kind: Sohn mit Legasthenie. Da gibt es neben genetischen Faktoren auch umweltbedingte Einflüsse.

3. Kind: Sohn mit Verhaltensstörungen, der mit 30 Jahren dann verstorben ist. Ursprünglich hatte habe ich mich damals gefragt, warum das Pfarrers-Ehepaar in der Erziehung versagt hat. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass damals in der Schwangerschaft ein Eiweiß, ein Mineral oder ähnliches gefehlt und das Gehirn nicht gesund ausgebildet wurde ist durchaus vorhanden.

Die Möglichkeiten mögen heute schon optimaler sein, aber mir wäre das Experiment immer noch zu riskant. Die Folgen veganer Lebensweise wird man erst in Jahrzehnten valide bewerten können.

Es wird zur Zeit an den Genen zu Ernährung/Verdauung überall geforscht. Nach Aussage von Fr. Prof. Hannelore Daniel (TU München) wird es noch ca. 20 Jahre dauern, bis belastbare Ergebnisse vorliegen. Bis dahin sind alle Ernährungsempfehlungen Spekulation.

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