Wacken. Seelsorgerin Christine Halisch
Wacken 2017
Isadora Tast
Nicht nur happy go lucky
Das braucht keiner: Heimweh, Platzangst oder Liebeskummer. Aber wenn’s einem schlechtgeht, kümmern sich in Wacken Seelsorgerinnen wie Christine Halisch
Tim Wegner
26.04.2018

Acht Bühnen, über 170 Bands, immer nach 
dem Motto "Harder, 
faster, louder" – das ist 
Wacken. Auch auf diesem Festival wollen die Besucher feiern, trinken, tanzen, Spaß haben. Auch hier ist der Schlaf kurz, die Menschenmenge groß und das Wetter oft schlecht. ­Heavy Metal ist extrem laut, da kann der Stress schon mal überhand­nehmen. Für solche Fälle stehen 19 Seelsorger bereit, eine Besonderheit.

Christine Halisch, 44, schwarzes Shirt und schwarzer Nagellack, Pastorin aus Hamburg, ist eine von ihnen. Sie weiß: "Unter 75 000 Besuchern kann man sich ganz schön allein fühlen." Als Studentin war sie selbst oft auf Festivals, auch 2000, als in Roskilde, Dänemark, beim Pearl-Jam-Konzert neun Menschen im Schlamm erdrückt wurden und starben. "Das hat mich sehr erschüttert. Vielleicht fühlte ich mich deswegen gleich angesprochen, als ich vor acht Jahren hörte, dass die Nordkirche Seelsorger nach Wacken schickt", sagt sie – und meldete sich freiwillig.

Die meisten Leute, die ins weiße Pagodenzelt der Seelsorger kommen, gleich bei Rettungsdienst, Security und Feuerwehr, haben Heimweh, Angst vor der Masse oder Liebes­kummer – "Spiritual Guidance" steht denn auch über dem Eingang. "Wir haben Zeit. Und wir versuchen, ­Lösungen für den Moment zu finden."

Ein Dorf wird zur Marke: Seit 1990 pilgern jedes Jahr am ersten Augustwochenende Metal-Fans in das kleine Wacken in Schleswig-Holstein

Pfarrerinnen, Diakone, Erzieherinnen und Psychologen kümmern sich

Bei manchen Besuchern brechen schlimme Erinnerungen auf – "wenn die laute Musik oder ein martialischer Bühnenact die inneren Bilder triggern", wie die Seelsorgerin sich ausdrückt. Wenn sie an fachliche Grenzen stößt, etwa wenn jemand mit einer psychischen Erkrankung bei ihr sitzt, holt sie eine Psychologin aus dem Team dazu. Die anderen Kollegen sind Pfarrerinnen, Diakone, Erzieherinnen, auch ein Medizinstudent ist dabei, alle haben eine seelsorgerische Zusatzausbildung. Von 13 bis fünf Uhr morgens ist das Team im Einsatz, fünf Tage lang.

Christine Halisch versucht, in der dienstfreien Zeit viel zu schlafen, um jede ihrer Vierstundenschichten gut durchzustehen. Aber wenn sie sich fit fühlt, besucht sie gern Konzerte, letztes Jahr schaffte sie es zu Dillinger Escape 
Plan und Apocalyptica, eine finni­sche Band, die Metal auf dem Cello spielt. 

Apokalypse, Ende der Welt? In Wirklichkeit gehe es friedlich zu in Wacken, sagt sie immer wieder, die Leute seien zwar zum Teil übel betrunken, aber rücksichtsvoll. Wenn sie mal jemand im Gedränge vor der Bühne anremple, entschuldigten sich immer gleich mehrere Leute. "Metaller sehen zwar ein bisschen böse aus, aber sie sind liebe Kerle."

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