Anhänger der Partei AfD - Alternative für Deutschland demonstrieren am 20. Juni 2016 in Rostock auf einer Wahlkampfveranstaltung
Anhänger der Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) demonstrieren am 20.07.2016 in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) auf einer Wahlkampfveranstaltung. Auf einem Schild ist zu lesen "Trennung von Staat und Kirche!". Foto: Stefan Sauer Verwendung weltweit
Stefan Sauer/picture alliance
Christen in der AfD?
Der Auftritt einer Vertreterin der AfD auf dem Kirchentag war umstritten. AfD-Frau Anette Schultner kam dennoch und diskutierte mit Landesbischof Markus Dröge über das christliche Menschenbild und ob dieses mit der Angstmacherei der Partei zusammenpasst.
Lena Uphoff
25.05.2017
Nicht alle, die wollten, konnten an der Diskussion zwischen Anette Schultner, der Vorsitzenden der Cristen in der AfD, Landesbischof Markus Dröge und Publizistin Liane Bednarz teilnehmen. Einige standen im Hof der Kirche herum, ohne Einlass zu finden. Andere wollten hingegen gar nicht erst hinein. 15 Minuten vor der Veranstaltung übergaben die Vertreter der Initiative "Kein Publikum für die AfD" ihre Online-Petition gegen den Auftritt der Partei auf dem Kirchentag. Der Programmverantwortliche des Kirchentags Mario Zeißig nahm die Petition mit 1.630 Unterschriften entgegen. Wären es 2.000 Unterschriften gewesen, hätte die Diskussion tatsächlich abgesagt werden können. So fand sie statt.
 
Vor der Kirche verteilten eine handvoll Menschen Flyer, manche für und manche gegen den Auftritt der Alternative für Deutschland (AfD), ein paar andere gaben Poster mit der Barmer Theologischen Erklärung gegen eine Spende heraus, ein Mann benutzte seine Hände als Trichter, um laut gegen die AfD zu rufen: "Ich bin Berliner, ich möchte nicht, dass man diesen Rassisten in meiner Stadt ein Forum gibt." Ein Vater mit Kind stritt sich laut mit einem AfD-Anhänger, der Flyer verteilte. Die in einem Mannschaftsbus angereisten Polizisten mussten jedoch nicht eingreifen.

Auch in der Bibel seien viele auf Durchreise, behauptet die AfD-Frau

Auch während der Diskussion ging es, verglichen mit Talkshow-Runden im Fernsehen, in denen Vertreter der AfD zu Gast sind, hart aber fair zu. Zu Beginn tauschten sich die drei Diskutanten über ihr christliches Menschenbild aus: "Jeder Mensch ist wertvoll und von Gott gewollt", sagte Anette Schultner. "Jedoch zeigt auch die Bibel, dass nicht jeder Mensch in jedem Staat machen kann, was er will. Und einfach kommen darf. Auch in der Bibel sind viele auf Durchreise."

Der Berliner Landesbischof Dröge entgegenete, dass sich Christen für einen Staat einsetzten, in dem jeder leben darf. Vereinzelt unterbrachen Rufer die Diskussion mit "Nazis raus" oder AfD-Sympathisanten äußerten ihren Unmut über Positionen des Bischofs und der Publizistin Bednarz. "We shall overcome" sang ein Chor im hinteren Teil der Kirche, ließ sich jedoch von den Ordnungskräften hinausbegleiten. Ein Ordner schützte die Steckdosen der Technik, nachdem Besucher gehört hatten, wie einer der Sänger beim Hinausgehen sagte: "Wir müssen hier den Stecker ziehen."

Geflüchtete "fallen nicht" unter "das Gebot der Nächstenliebe", behauptet die AfD-Frau

Moderatorin und Diskutanten rissen viele Themen an, keines wurde jedoch ausdiskutiert: Es ging um Einwanderung und Geflüchtete, ob sie unsere Nächsten (Bischof) oder Fernsten (Schultner) seien, die unter das Gebot "der Nächstenliebe dann nicht fallen", sagte Anette Schultner. "Die Kirchen wollen alle am liebsten hierher holen", sagte Schultner, worauf Dröge wiedersprach, dass er als Aufsichtratsvorsitzender von Brot für die Welt und des Evangelischen Entwicklungsdienstes (eed) sehr wohl sehe, dass die Kirche sich um die Beseitigung von Fluchtursachen bemühe.

Es ging um Abtreibungen, gegen die sich sowohl Bednarz als auch Schultner stellten. Es ging um die Unterscheidung zwischen Islam und dem radikalen Islamismus. Es ging um das Verbot des Schächtens als Forderung im Grundsatzprogramm der AfD: "Wenn die AfD sowohl das Schächten, als auch den Import geschächteten Fleisches verbieten will, wie sollen Juden dann hier noch leben können?" fragte Liane Bednarz. Schultner antwortete, den Import zu genehmigen, fände sie inkonsequent. "Also finden sie Tiere sollen in Deutschland leben dürfen, gläubige Juden aber nicht?" Die Information aus dem AfD-Programm, dass das Schächten und der Import solchen Fleisches in Dänemark und Polen verboten sei, sei zudem falsch, sagte Bednarz. "Desinformation und Antisemitismus in einem, wie stehen Sie dazu Frau Schultner?", fragte Liane Bednarz. Eine Antwort blieb die Vorsitzende der Christen in der AfD in diesem Fall schuldig.

Ängste der Menschen nicht bestärken, sondern ernst nehmen und Lösungen anbieten - schlägt Bischof Dröge vor

Eine längere Diskussion entspann sich zu Ende der Diskussion um das Thema Angst und den Kern des Christentums. Die AfD sei eine Partei, die "Ängste schürt, Misstrauen sät und Ausgrenzung predigt", sagte Dröge. Für ihn passe das nicht mit dem Kern der Botschaft des Christentums zusammen, den er in der Bergpredigt lese: "Wie befreien wir den Menschen zur Verantwortung?" fragte Dröge. Natürlich hätten die Menschen Ängste, die man jedoch nicht ernst nehme, indem man sie bestärke, sondern nur, in dem man Lösungen anbiete. Hier sahen sowohl der Bischof als auch die Publizistin Liane Bednarz das zentrale Problem, dass sie mit der AfD haben: "Die AfD verknüpft in ihrem Grundsatzprogramm den demografischen Wandel, Abtreibungen und Masseneinwanderung", sagte Liane Bednarz (AfD-Wahlprogramm Punkt 6.2 "Mehr Kinder statt Masseneinwanderung). "Sie fordern eine Minuszuwanderung, also eine Remigration. Ist das euphemistisch für 'Ausländer raus'?" fragte Bednarz. "Wir wollen Deutsche sein und bleiben", antwortete Schultner. Es gehe ihr darum, dass sich die Partei zu einem abendländisch-christlichen Menschenbild verpflichte.

Ein junger Mann stieg zu Ende der Diskussion auf die Kanzel und hängte ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Kein Mensch ist illegal auf". Laut versuchte er Stellung zu nehmen, sein Rufen ging jedoch im Klatschen und Reden des Schlusses der Veranstaltung unter. Bei allen Unterschieden: Bemerkenswert war, dass sich die drei Gäste auf dem Podium in zwei Stunden konzentrierter Diskussion nicht ein einziges Mal ins Wort fielen.

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